Reinhold Messner wird 75 und fasziniert noch immer

17.9.2019, 14:15 Uhr
Reinhold Messner wird 75 Jahre alt.

© dpa Reinhold Messner wird 75 Jahre alt.

Drei Jahre ist es her, da bot das Fernweh-Festival in Erlangen eine gute Gelegenheit, dem Phänomen Reinhold Messner ein wenig näherzukommen. Als der damals 72-Jährige in der Heinrich-Lades-Halle einen bildgewaltigen Vortrag hielt, da zog er auch die kleinen Gäste in seinen Bann. Jungen und Mädchen, die in einer Welt aufwachsen, in der der Mount Everest kaum noch Ehrfurcht auslöst; in der der höchste Berg der Erde längst ein Spielplatz geworden ist für Gutbetuchte, die sich von nepalesischen Sherpas nach oben hieven lassen, auf einer "präparierten Piste", wie es Messner selbst stets formuliert.

Wer in so einer Welt aufwächst, für den müssen die Superlative, die Reinhold Messner umgeben – 1978 mit Peter Habeler Erster ohne Flaschensauerstoff auf dem Everest, 1986 erster Mensch auf den Gipfeln aller Achttausender – wie Rekorde aus grauer Vorzeit wirken. Was zur Frage führt: Wie schafft es Messner, der heute 75 wird, dann noch immer, Generationen von Menschen zu faszinieren?

"Wir sind zu viele Menschen"

Die Antwort auf diese Frage gibt er auch in Erlangen, wie er sie fast überall dort gibt, wo er auftritt: Messner hat nicht nur Unmenschliches vollbracht, er hat auch die Gabe, diese Abenteuer für einen Abend lang zu neuem Leben zu erwecken. Messner ist auch deshalb der berühmteste Bergsteiger der Welt, weil er ein Meistererzähler ist.

Und sicher auch, weil er noch immer etwas zu sagen hat, so wie jetzt in einem großen Geburtstagsinterview mit der Wochenzeitung Die Zeit. Messner, der für die Grünen im Europäischen Parlament saß und dessen jüngste Tochter bei den "Fridays for Future" aktiv ist, spricht darin über seine Sorgen, die er sich um den Planeten macht. "Ich bin für unseren Lebensraum pessimistisch", sagt er. "Wir sind zu viele Menschen und wir verbrauchen zu viel."

Egoisten mit begrenzter Empathie

Der Klimawandel "könnte uns Menschen am Ende auf Lebensbedingungen zurückwerfen, wie es sie in der Steinzeit oder Eiszeit gab". Bevor die Menschen untergehen, verhungern, verdursten oder sterben, weil die Luft vergiftet und das Klima unerträglich ist, "gibt’s Völkerwanderung und Bürgerkrieg".

Eine Ursache für den Klimawandel und die Schwierigkeiten ihn aufzuhalten sieht der Südtiroler, der mit acht Geschwistern im Dorf Villnöß aufwuchs, darin, dass Menschen nicht mehr in kleinen Dorfgemeinschaften zusammenlebten, sondern in riesigen Nationalstaaten. "Wir sind Egoisten mit Empathie für eine begrenzte Zahl von Zeitgenossen."

Für sich selbst hat Reinhold Messner das Ideal einer selbstgenügsamen Lebensart verwirklichen können, er bewirtschaftet einen Bergbauernhof und züchtet Yaks. Umtriebig ist er wie eh und je, schreibt Bücher oder verfolgt Filmprojekte.

Die Öffentlichkeit, sie kann von Messner nicht lassen, zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass auch Messner nicht von der Öffentlichkeit lassen kann.

Zuletzt in die Schlagzeilen, wenn auch eher die von Boulevardblättern, kam er im August: Messner gab die Trennung von seiner zweiten Frau bekannt, mit der er drei Kinder hat. Der Mann sei menschheitsgeschichtlich "nicht unbedingt darauf angelegt (. . .), sein Leben lang bei einer Frau zu bleiben", sagt er nun der Zeit.

Und schickt hinterher: "Warum soll ich mit 75 Jahren mit einer Flasche Bier vor dem Fernseher sitzen? Ich bin voller Ideen!" Er sei nicht bereit, sein kreatives Leben aufzugeben, "weil jemand sich wünscht, dass ich Händchen haltend in Rente gehe". Inzwischen hat Messner eine neue Freundin – sie sei "ein paar Jahrzehnte jünger".

Sein Wunsch: eine Himmelsbestattung

Messner, der als junger Mann dem Tod viele Male von der Schippe sprang, den der Tod seines Bruders bei der gemeinsamen Besteigung des Nanga Parbat nie losgelassen hat, sieht mit 75 den Tag seines eigenen Endes näherrücken. Vor drei Jahren zeigte er in Erlangen Fotos eines Himmelsbestattung in Tibet: Der Verstorbene wird auf einem großen Platz gelegt, Mönche öffnen seine Körperteile mit dem Messer. Schließlich stürzen sich aus den Lüften Geier auf die Leiche hinab, von der dann kaum noch etwas übrigbleibt. Der Kot der Geier, der auf die Erde fällt, lässt dort neues Leben entstehen.

Messner wünscht sich für sich selbst solch eine Himmelsbestattung, in den Bergen Südtirols. Sehr wahrscheinlich werde die EU das aber nicht erlauben, sagt Messner. Er, der sein ganzes Leben ein Grenzgänger war, muss wohl auch nach dem Tod noch eine letzte Grenze überschreiten – die des Gesetzes.

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