Gehirn ist so gepolt

Studie zeigt: Darum sind wir nie mit dem zufrieden, was wir haben

Alicia Kohl

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23.8.2022, 17:27 Uhr

Der Mensch will immer mehr, immer weiter, immer höher. Immer besser. Nichts ist gut genug, nie ist er zufrieden. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Princeton University wollten nun den Grund dafür herausfinden. In einer Studie haben sie mithilfe von Künstlichen Intelligenzen gezeigt, warum der Mensch dauerhaft unzufrieden ist.

Die sogenannten "Softwareagenten", die auf ihre Umwelt eingehen und reagieren können, sollten in dieser Studie mit dem Titel "The Pursuit of Happiness" lernen, Entscheidungen zu treffen, um die Belohnung zu maximieren. Bei dem erfolgreichen Absolvieren einer Aufgabe oder einer richtigen Entscheidung in einer simulierten Alltagssituation wurden die Programme belohnt, die Latte für diese Belohnungen wurde aber relativ hoch gehängt. Einer der Agenten bekam eine zusätzliche Belohnung, wenn er die vorherigen Leistungen übertraf oder bessere Leistungen lieferte als die andere Programme.

Dieser Anreiz des Vergleichs ließ eben diesen Agenten die besten Leistungen bringen und führte dazu, dass er schneller lernte als die anderen. Dieses dauerhafte Streben nach Verbesserung, das dazu geführt hat, dass wir heute das Feuer, Elektrizität, Autos, Computer und Handys haben, sorgt allerdings auch für dauerhafte Unzufriedenheit.

Ständige Unzufriedenheit zum Überleben

Das Gehirn ist darauf gepolt, den Status Quo immer und immer wieder zu verbessern, da es evolutionär ein Vorteil und teils auch überlebenswichtig war, sich weiterzuentwickeln. Damit der Mensch sich dauerhaft verbessern konnte, war es also notwendig, sich nie zufriedenzugeben. "Unser Gehirn ist seit jeher so programmiert. Nur macht das im Jahr 2022 keinen Sinn mehr, weil wir nicht darauf angewiesen sind, unzufrieden zu sein, um unser Überleben zu sichern“, wie Psychologe und Stresscoach Jacob Drachenberg der Bild gegenüber sagte.

Heutzutage gibt es aber so viele Möglichkeiten, für die man sich entscheiden kann, dass diese früher überlebenswichtige Polung des Gehirns nun eine Belastung sein kann. Drachenberg spricht von "zu vielen Möglichkeiten und zu vielen Entscheidungen". Jede Entscheidung könnte die falsche sein, immer könnte man etwas Besseres finden, etwas besser machen. "Das ist eine Spirale, die unglücklich und sogar depressiv machen kann", denn besser geht - zumindest theoretisch - schließlich immer.

Was kann man dagegen tun?

Um nicht in diese Spirale zu verfallen, müsse man sich klar machen, dass man genug erreicht hat im Leben und glücklich ist mit dem, was man hat, ohne Veränderung und Verbesserung dabei auszuschließen. Denn etwas anders gestalten wollen, kann man natürlich trotzdem.

Der Psychologe rät: "Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch, zum Beispiel auf Papier oder Ihrem Handy, in dem Sie notieren, was in Ihrem Leben gut ist, wofür Sie dankbar sind und in welchem Bereich Sie Erfolg haben. Wir können nämlich steuern, worauf unser Gehirn seinen Fokus legt." Am besten macht man das Führen des Tagebuchs zu einer Routine im Tagesablauf und nimmt auch positive Kleinigkeiten wie gutes Essen oder ein schönes Gespräch mit auf.

Jede Entscheidung könnte die falsche sein, immer denkt man darüber nach, was man noch verbessern könnte.

Jede Entscheidung könnte die falsche sein, immer denkt man darüber nach, was man noch verbessern könnte. © PantherMedia / Antonio Guillen Fernández

"Die ersten Glücksgefühle, plus das Gefühl von Gelassenheit gibt es direkt nach der ersten Dankbarkeitsübung. Schon nach 14 Tagen werden Sie merken, dass es Ihnen im Alltag deutlich besser geht", verspricht Drachenberg bei der Bild. So kann man das Gefühl ablegen, dass alles, was man tut, nicht gut genug ist und es immer besser gehen muss. Denn durch das tägliche Ritual kann das Gehirn umprogrammiert werden.

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