Trotz steigender Zahlen: Omikron-Welle noch nicht auf Intensivstationen angekommen

15.1.2022, 14:22 Uhr
Vor allem junge Leuten stecken sich aktuell verstärkt mit der Omikron-Variante an. Da sie eher milde Verläufe haben, ist die Welle auf den Intensivstationen noch nicht angekommen. 

© Ole Spata, dpa Vor allem junge Leuten stecken sich aktuell verstärkt mit der Omikron-Variante an. Da sie eher milde Verläufe haben, ist die Welle auf den Intensivstationen noch nicht angekommen. 

Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen. Das ist vor allem auf die Omikron-Variante zurückzuführen. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Samstagmorgen erneut einen Höchstwert erreicht.

Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche stieg auf 497,1. Zum Vergleich: Am Vortag lag die Inzidenz bei 470,6, vor einer Woche bei 335,9. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 78.022 neue Infektionen. Vor einer Woche waren es 55.889. Deutschlandweit wurden binnen 24 Stunden 235 Todesfälle verzeichnet.

Omikron beherrscht bereits das Infektionsgeschehen in Deutschland, so die Erkenntnisse des RKI. Nach Ansicht von RKI-Präsident Lothar Wieler tritt Deutschland mit der Ausbreitung der hochansteckenden Variante und den stark steigenden Infektionszahlen in eine "neue Phase der Pandemie" ein." Die reinen Fallzahlen werden weniger entscheidend sein. Wichtiger ist, wie viele Menschen schwer an Covid-19 erkranken und wie stark das Gesundheitssystem dann belastet sein wird", sagt Wieler.

Kaum Erfassung der stationären Corona-Patienten

Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis dringt auf eine bessere Erfassung von Corona-Patienten in Krankenhäusern. Der Experte leitet das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und ist Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung. "Besonders dramatisch kann in Deutschland die Lage auf den Normalstationen werden, wenn die Fallzahlen weiterhin so durch die Decke gehen", sagte der Wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) der Rheinischen Post.

"Wir brauchen endlich ein Monitoring, das wie das Intensivregister zuverlässig die mit Corona infizierten Krankenhauspatienten erfasst. Bislang ist das ein nicht hinnehmbarer Blindflug, den wir uns nicht länger leisten können." Die Bundesregierung müsse schnell Abhilfe leisten, sagte Karagiannidis.

Die Intensivstationen trifft Omikron verzögert

Die Auswirkungen der Omikron-Welle kämen allerdings erst verzögert, so der Intensivmediziner. "Es sieht nicht so aus, als wenn im Moment, Stand heute, die Omikron-Welle schon auf den Intensivstationen durchgeschlagen ist", sagte Karagiannidis am Samstag im Deutschlandfunk. Er rechne aber damit, dass es in der nächsten oder übernächsten Woche deutlich mehr Corona-Patienten in den Notaufnahmen gebe werde.

Die Zahl der dort behandelten Corona-Infizierten sank nach jüngsten Divi-Daten erstmals seit Mitte November wieder knapp unter die 3000er-Marke. Die Zahl der insgesamt in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Freitag allerdings mit 3,23 an (Donnerstag: 3,09, Mittwoch: 3,13). Sie ist damit erstmals seit einigen Tagen wieder gestiegen. Am Wochenende wird die Kennziffer nicht veröffentlicht.

Allerdings infizierten sich derzeit hauptsächlich jüngere Menschen im Alter bis 35 Jahre. Bei den über 60-Jährigen gebe es nur eine zweistellige Inzidenz, so der Mediziner gegenüber dem Deutschlandfunk. Divi-Präsident Gernot Marx sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bezüglich der hohen Infektionszahlen bei Jüngeren: "Diese bilden deutlich seltener einen schweren Verlauf aus als ältere Menschen, sind also noch nicht oder nur vereinzelt Patienten auf unseren Intensivstationen."

Erwartet wird Marx zufolge, dass gegenüber der Delta-Variante, bei der etwa 0,8 Prozent aller Infizierten intensivmedizinisch versorgt werden mussten, deutlich weniger positiv Getestete einen so schweren Verlauf erleben. "Sollten die Inzidenzen durch die sehr schnelle Verbreitung stark ansteigen, ist das dann natürlich trotzdem ein Problem", warnte er. "Wir hoffen also, dass die Zahl der Covid-19-Patienten noch deutlich sinken kann, bevor die nächste Welle kommt."

Ein Großteil der Intensiv-Patienten ist ungeimpft

In Deutschland seien immer noch zu wenig Menschen geimpft und genesen, betonte Karagiannidis. Deshalb brauche man Notfallpläne für die Krankenhäuser. Schon jetzt sei die Trennung von Geimpften und Ungeimpften in den Notaufnahmen schwierig. Zugleich sehe man vermehrt auch Infektionen in der kritischen Infrastruktur, Krankenhäuser müssten sich darauf vorbereiten, dass Ärzte und Pflegekräfte ausfielen.

Karagiannidis warnte: "Wenn wir das ganze Infektionsgeschehen jetzt extrem laufen lassen und ganz hohe Inzidenzen akzeptieren, dann akzeptieren wir auch, dass das Virus ganz sicher die Ungeimpften findet." Bereits jetzt seien 62 Prozent der Corona-Patienten auf den Intensivstationen ungeimpft, nur 5 Prozent hätten eine Auffrischungsimpfung.

Söder will Maßnahmen abwägen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mahnte im Münchner Merkur: "Wir müssen die Lage in den nächsten zwei Wochen sehr genau im Blick behalten. Omikron ist nicht Delta. Das heißt: Wir müssen genau justieren, welche Regeln zwingend nötig, aber auch verhältnismäßig sind."

Nötig ist laut Söder ein breiterer Ansatz": "Es wird nicht mehr ausreichen, die Lage nur medizinisch und virologisch zu betrachten. Wir müssen auch auf die gesellschaftliche und soziale Komponente stärker achten." Der CSU-Chef hat sich bislang als Verfechter besonders strenger Corona-Maßnahmen positioniert.

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