Plädoyer für milliardenschwere Investitionsfonds

31.1.2020, 08:00 Uhr

Steht Deutschland wirtschaftlich schon am Scheideweg? Zumindest für eine akute Alarmstimmung sieht Professor Achim Truger keinen Anlass. Aber der Staat müsse schon jetzt die Weichen stellen, um gerüstet zu sein, wenn es mittel- oder langfristig doch zu einer größeren Wirtschaftskrise käme, sagte der „Wirtschaftsweise“ beim Jahresauftakt des DGB Mittelfranken im Nürnberger Gewerkschaftshaus.
Und er nannte auch eine „Hausnummer“: Allein für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in Bildung, Wohnungsbau und zum Klimaschutz veranschlagt er den jährlichen Bedarf auf rund 45 Milliarden Euro – und das in einem Horizont von zehn Jahren.
„Das Niveau muss schrittweise aufgebaut und dann verstetigt werden“, erläuterte der Gast vom – so der offizielle Titel – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Obendrein auch noch in großem Stil Steuern zu senken und eisern an der „schwarzen Null“ festzuhalten, also ein Verzicht auf jede Neuverschuldung, sei dabei freilich schwer vorstellbar. Dennoch seien Lösungen denkbar, meint Truger, ohne die Schuldenbremse auszuhebeln.
So schwebt ihm ein öffentlicher Kapitalstock vor, eventuell aufgeteilt in verschiedene Fonds. „Die schaffen bleibende Werte und stiften so langfristigen Nutzen.“ Parallel dazu könnten dann auch die nötigen Bau- und Planungskapazitäten aufgebaut werden, um die Vorhaben auch umzusetzen. Denn viel zu oft heiße es bisher, es seien gar keine Büros und Firmen zu finden. In dem Sachverständigenrat gehört der Professor von der Uni Duisburg-Essen als Nachfolger des bekannten Würzburger Ökonomen Peter Bofinger zur Minderheit derer, die nicht bloß dem sogenannten freien Spiel der Kräfte vertrauen. „Empfohlen wurden da immer Strukturreformen, die auf Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau hinauslaufen“, erläuterte Truger.

Dezentere Töne

Die Entlastung, machen die Verfechter des „Neoliberalismus“ lange lautstark geltend, sorge geradezu für eine Entfesselung von neuen Aktivitäten und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Inzwischen habe sich Ernüchterung breit gemacht und für moderatere Töne gesorgt. „Jetzt kommen in unseren Gutachten auch Themen vor wie Regional- oder Innovationspolitik. Es wird wieder stärker ein Bedarf an planvollem staatlichen Handeln gesehen.“
Den kämpferischen Part des Abends übernahm DGB-Regionsgeschäftsführer Stephan Doll. Vor allem im Blick auf die Kommunalwahlen: Ausdrücklich dankte er allen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich nicht mit AfD-Vertretern auf ein Podium setzen. Denn die „rechtsextreme und völkische Partei“ sei ein „Feind der Demokratie“.
Besonders gelte es, den „rechten Trittbrettfahrern in sozialen Fragen“ Paroli zu bieten. „Wer den Rechtsextremismus bekämpfen will, muss die sozialen Fragen beantworten“ – vom Einsatz für bezahlbares Wohnen über die „Grundrente jetzt“ bis zur Eindämmung der prekären Beschäftigung, die in der Region Nürnberg in den vergangenen 16 Jahren um zehn Prozent zugelegt habe. Ein zentraler Hebel wäre die Anhebung des Mindestlohns auf „armutsfeste“ 12,35 Euro. „Und sollte es zu weiteren Vorschlägen einer Rentenkürzung oder weiter verzögertem Rentenbeginn kommen, werden wir dagegen auf die Straße gehen“, kündigte Doll an.
Zuvor aber, am Samstag, 15. Februar, will auch der DGB bei einem großen „Fest der Demokratie“ an der Lorenzkirche demonstrieren: „Nürnberg hält zusammen.“
Überfällig sei schließlich, so der DGB, ein Tariftreuegesetz. „Bayern ist inzwischen das einzige Bundesland ohne eine solche Grundlage dafür – ein echter Skandal. Der Wettbewerb muss aber über Qualität statt über Lohndumping geführt werden.“

 

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