"Achse der Willigen": Kurz und Seehofer machen Merkel Druck

13.6.2018, 17:34 Uhr
Der österreichische Kanzler und der Bundesinnenminister sind sich einig: Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Ländern registriert sind, sollen schon an der Grenze abgewiesen werden.

© Tobias Schwarz/AFP Der österreichische Kanzler und der Bundesinnenminister sind sich einig: Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Ländern registriert sind, sollen schon an der Grenze abgewiesen werden.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) suchen in der EU eine "Achse der Willigen", die ihre Flüchtlingspolitik unterstützt. Damit setzen sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiter unter massiven Druck im Streit um Seehofers Masterplan für die künftige deutsche Asylpolitik.

Der CSU-Chef will den Angaben zufolge Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Ländern per Fingerabdruck registriert sind, direkt an der Grenze zurückweisen können, und setzt damit auf eine eher nationale Lösung. Merkel beharrt auf einer europäischen Lösung.

Partner aus Rom, Wien und Berlin

Kurz bekräftigte, während der am 1. Juli beginnenden österreichischen Ratspräsidentschaft dafür sorgen zu wollen, dass die europäischen Außengrenzen im Kampf gegen illegale Migration nach Europa besser geschützt werden. Dazu setze er auf eine "Achse der Willigen", machte Kurz deutlich und nannte in erster Linie Rom, Wien und Berlin. Im deutschen Innenminister sehe er hier einen wichtigen Partner.

Merkel, die am Vortag mit Kurz zusammengetroffen war, reagierte zurückhaltend auf diese Forderung ihres österreichischen Amtskollegen. Sie bekräftigte, dass sie eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik anstrebe. Es gebe Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien, die besonders von der Ankunft von Flüchtlingen betroffen seien. Daher müsse es mehrere Kooperationsmöglichkeiten geben.

Streit in der Union geht weiter

Seehofer wies bei dem Treffen mit Kurz daraufhin, dass sich die Innenminister von Italien, Österreich und Deutschland bereits darauf verständigt hätten, intensiver im Kampf gegen illegale Migration zusammenarbeiten zu wollen. Anders als Seehofer machte Merkel ihre Skepsis deutlich, dass der unionsinterne Streit über den Masterplan schon diese Woche bereinigt werden könnte.

Um das Thema für den EU-Gipfel am 28. und 29. Juni vorzubereiten, trifft Merkel am kommenden Montag den neuen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Am Dienstag kommt sie dann bei den deutsch-französischen Konsultationen mit Präsident Emmanuel Macron zusammen. Der hatte bereits vor Monaten seine Reformvorschläge für die EU vorgelegt.

Seehofer und Kurz wiesen bei ihrem Treffen darauf hin, dass inzwischen über Albanien eine Alternativroute für Flüchtlinge nach Nordeuropa führe. Kurz sagte dazu, es gelte hier - anders als 2015 - frühzeitig zu reagieren. Er wolle die albanische Regierung unterstützen. An der bayerisch-österreichischen Grenze gibt es nach Angaben der Bundespolizei bereits Zurückweisungen in erheblichem Umfang.

Fast fünfzig Prozent bei Einreise abgewiesen

Der Sprecher der Bundespolizeidirektion München, Matthias Knott, sagte, bis Mai dieses Jahres habe die Bundespolizei rund 4600 Menschen kontrolliert, die keine Berechtigung zur Einreise hatten. Davon seien fast 2450 Personen zurückgewiesen worden, das seien rund 53 Prozent.

Der Streit überschattete auch den Integrationsgipfel im Kanzleramt am Mittwoch. Seehofer begründete seine Absage beim Integrationsgipfel damit, dass er sich über einen Artikel der Journalistin Ferda Ataman geärgert habe, der ihn in die Nähe nationalsozialistischen Gedankenguts gebracht habe. Ataman nahm an der abschließenden Pressekonferenz teil. Er habe sich immer für Integration eingesetzt, sagte Seehofer. Aber diesmal sei ihm das nicht zumutbar gewesen. Im übrigen habe er schon vor geraumer Zeit abgesagt. Merkel signalisierte bei der Pressekonferenz, dass der betreffende Kommentar Atamans zu Seehofer durchaus als Provokation verstanden werden könne.

Aus der Unionsfraktion kommt inzwischen die Forderung, den Streit über die Migration mit einer internen Kampfabstimmung zu klären. "Bei der entscheidenden Frage, ob wir an der deutschen Grenze einzelne Personengruppen zurückweisen, wird es keinen Kompromiss geben können, da gibt es nur Ja oder Nein", sagte der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten der Augsburger Allgemeinen.

Seehofers Masterplan in der Kritik

Der Masterplan von CSU-Chef Seehofer sieht den Angaben zufolge vor, dass die Bundespolizei einen Teil der Asylbewerber gleich an der Grenze zurückweist. Die für Dienstag geplante Vorstellung seines Konzepts wurde allerdings wegen des Streits mit Merkel kurzfristig verschoben. In einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin am Dienstagabend hatte Merkel nach Angaben von Teilnehmern bei den Wortmeldungen keine sichtbare Unterstützung für ihre Kritik an Seehofers Plänen zur Zurückweisung bestimmter Migranten an der deutschen Grenze erhalten.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer rief dazu auf, das Thema nicht für den bayerischen Landtagswahlkampf Mitte Oktober zu instrumentalisieren. "Da ist kein Platz, um zu sagen, es geht hier um persönliche Animositäten oder es geht um einen Landtagswahlkampf", sagte sie im ARD-Morgenmagazin. CSU-Generalsekretär Markus Blume widersprach Kramp-Karrenbauer. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es geht dabei nicht um Landtagswahlkampf, sondern um die Einlösung des Zentralversprechens aus dem Koalitionsvertrag, das sich 2015 nicht wiederholen darf." An diesem Donnerstag treffen sich die Regierungschefs der Länder mit Merkel in Berlin. Die Ländern sind sich über Seehofers Masterplan uneins. 

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