Altkanzler Schröder wirbt für Zustimmung zur GroKo

21.2.2018, 10:24 Uhr
In einem Manuskript, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, will Altkanzler Schröder die SPD-Basis auf eine erneute Große Koalition mit der Union einstimmen.  Der Konflikt zwischen Basis und Parteiführung brodelt schon seit Wochen.

© Sascha Schuermann/afp In einem Manuskript, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, will Altkanzler Schröder die SPD-Basis auf eine erneute Große Koalition mit der Union einstimmen. Der Konflikt zwischen Basis und Parteiführung brodelt schon seit Wochen.

Die neue Führung der Sozialdemokraten müsse und werde um eine positive Entscheidung der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag kämpfen. Auch das gebe Anlass zu der Hoffnung, dass sich die "kollektive Vernunft engagierter Mitglieder durchsetzt", heißt es in einem Redemanuskript Schröders für eine Wirtschaftsveranstaltung in München, das der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch vorliegt.

Die Verhandler der SPD hätten ein Ergebnis erreicht, dass "sich wahrlich sehen lassen kann." Jetzt komme es darauf an, dass SPD und Union Verantwortung übernehmen. Die Existenz und Stärke dieser "Parteien der Mitte" seien die Grundlage der politischen Stabilität in Deutschland. Das müsse so bleiben oder wieder so werden, so Schröder. "Auch diejenigen, die nie SPD gewählt haben, müssen sehen, dass Deutschlands Stabilität auch von einer starken Sozialdemokratie abhängt", so der Altkanzler.

Zentrale Themen ohne Interessen

Nicht alle Parteigenossen sehen die derzeitige Situation der SPD dermaßen gelassen wie Schröder, der für die Sozialdemokraten von 1998 bis 2005 als Kanzer regierte. Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil sieht die Schwäche seiner Partei auch in einer falschen Themensetzung begründet. "Systemdiskussionen interessieren kaum jemanden. Bei meinen Bürgerversammlungen hat mich kein einziger Mensch auf die Bürgerversicherung angesprochen. Auch die Debatten über Freihandelsabkommen oder Vorratsdatenspeicherung interessieren dort kaum jemanden", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Mittwoch.

Die Partei habe aber über Jahre darauf verzichtet, streitige Sachfragen zu klären, etwa zur Aufnahme von Flüchtlingen oder in der Energiepolitik. Im Wahlkampf habe die SPD auch deshalb profillos gewirkt, da zuvor unter dem Vorsitz von Sigmar Gabriel keine Klärungen erfolgt seien. Allerdings hatte auch Gabriel im Dezember einen ähnliche Analyse abgegeben. Er sprach sich damals im Spiegel auch für eine offene Debatte über Begriffe wie "Heimat" und "Leitkultur" aus.

Die SPD hatte bei der Bundestagswahl im September mit 20,5 Prozent abermals ihr schlechtestes Ergebnis eingefahren. Angesichts zahlreicher Personalquerelen ist sie inzwischen in einer Insa-Umfrage für die Bild-Zeitung gar auf 15,5 Prozent gefallen und liegt damit erstmals bundesweit hinter die AfD mit 16 Prozent.

Das hat in der Partei einen weiteren Schock ausgelöst. Er könnte allerdings beim am Dienstag begonnenen SPD-Mitgliederentscheid über eine neue Große Koalition noch zu einem anderen Effekt führen: dass nämlich mancher Skeptiker doch mit Ja stimmt, weil eine Neuwahl die SPD-Krise noch weiter verschlimmern könnte. Die Abstimmung erfolgt schriftlich per Brief, das Ergebnis soll am 4. März verkündet werden.

Hauptsache Disziplin

Weil forderte, dass die niedersächsische SPD mit ihrem "richtig guten Personalangebot" einen der künftigen SPD-Kabinettsposten erhält. Über eine mögliche Regierungszukunft des geschäftsführenden Außenministers Gabriel, der dem Landesverband angehört, wollte er sich nicht äußern.

Die designierte SPD-Vorsitzende, Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles, verlangte angesichts der Umfragewerte mehr Disziplin in der Partei. Die SPD brauche "mehr Teamarbeit und mehr kommunikative Disziplin“, sagte Nahles dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wenn wir uns nicht dauernd nur mit rückwärtsgewandten Debatten beschäftigen, haben wir eine Menge Anknüpfungspunkte."

Selbstkritisch äußerte sich Nahles über den Abgang von Martin Schulz, der zunächst Außenminister werden wollte, dann aber wegen des öffentlichen Drucks zurückzog. "Das ist in der Tat ein Einschätzungsfehler gewesen, den wir zusammen gemacht haben", sagte sie. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte der Tageszeitung am Mittwoch: "Es war eine kollektive Fehleinschätzung."

Nun liegt's an der Basis

SPD-Fraktionsvize Eva Högl sieht den anstehenden Beschluss der Parteimitglieder für oder gegen eine Große Koalition unterdessen als politisch bindend für die SPD-Bundestagsabgeordneten an. "Es ist nicht vorstellbar, dass die SPD-Bundestagsfraktion für eine Koalition stimmt, wenn die Mitglieder das mehrheitlich abgelehnt haben“, sagte Högl der Rheinischen Post und fügte hinzu: "Auch wenn wir kein imperatives Mandat haben."

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