Das Phänomen Merz

Chance und Risiko: Warum Merz' Vorsitz-Avancen auch gefährlich sein können

16.11.2021, 16:48 Uhr
Er gibt nicht auf - erneut ist Friedrich Merz für den Parteivorsitz nominiert.

© TOBIAS SCHWARZ, AFP Er gibt nicht auf - erneut ist Friedrich Merz für den Parteivorsitz nominiert.

Friedrich Merz ist einer der schillerndsten Kandidaten, die sich in jüngerer Vergangenheit in Deutschland um den Vorsitz einer Volkspartei beworben haben. Die einen sprechen ihm fast alle charakterlichen Fähigkeiten für ein politisches Spitzenamt ab, die anderen sehen in ihm die einzige (und beinahe schon letzte) Rettung für die CDU.

Zu den lautesten Kritikern gehören häufig, wenn auch nicht ausschließlich, Menschen, die niemals seine Partei wählen würden. Er wird gerade von außen als jemand wahrgenommen, der sich mit seiner Tätigkeit bei der Investmentfirma Blackrock unmöglich gemacht habe. Zudem als jemand, der nicht in den 2020er Jahren angekommen sei - siehe manche Äußerungen zu Klimawandel und Geschlechterparität. Andererseits hat Merz seit jeher stabile Mehrheiten unter den Unionswählern. Das wird gerne vergessen. Eine Civey-Umfrage brachte ihm Anfang November 43 Prozent bei den Anhängern der Partei - ein riesiger Abstand vor Norbert Röttgen als Zweitplatziertem mit 22 Prozent. In gewisser Weise ist der Sauerländer mit einem Franz Josef Strauß vergleichbar, der die Massen ähnlich klar in Freund und Feind sortierte.

Abstimmungen unter den „einfachen“ CDU-Mitgliedern musste und muss der 66-Jährige nicht scheuen. Dass er zweimal nacheinander als Bewerber um den Vorsitz scheiterte, lag weniger an der Basis als an den 1001 Parteitagsdelegierten (häufig Funktionäre), die ihn knapp ausbremsten. Sein Wutanfall über das Establishment, das ihn nicht haben wolle, war einerseits etwas lächerlich. Denn er zählt ja zweifelsohne selbst zum Establishment. Aber er hatte richtig erkannt, dass der Vorstand seine Rückkehr nicht wünscht.

Auf die Funktionärsriege wird es nun aber nicht mehr ankommen, weil die Abstimmung der 400.000 Mitglieder maßgeblich ist. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen: Merz´ Chancen sind so gut wie nie zuvor.

Zur schillernden Persönlichkeit des Sauerländers gehört es, dass man gar nicht so leicht sagen kann, ob er der CDU bis zur Wahl 2025 helfen würde oder nicht. Für ihn spricht: Er könnte als Oppositionschef den politischen Gegner rhetorisch schneidend scharf zerlegen, er wäre ein Alternativentwurf zum ganz anders auftretenden Olaf Scholz, er würde einen klaren Bruch mit der Ära Merkel verkörpern.

Gegen ihn spricht seine Ich-Bezogenheit. Ein wesentlicher Antrieb für sein heutiges Engagement ist immer noch, dass er vor 20 Jahren als Fraktionschef unschön abserviert wurde. Ob er ein Teamspieler sein kann, hat er noch nie bewiesen. Als Parteichef müsste er aber auch für den „linken“ Flügel der CDU ansprechbar sein. Zusammengefasst: Merz wäre das größte denkbare Risiko für die CDU, aber auch eine nicht zu unterschätzende Chance.

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