Correll-Nbger-Prozesse-Thoma

19.7.2020, 09:35 Uhr

Jeder Mensch ist ein Zeitzeuge, aber manche nehmen diese Tatsache ernster als andere. Das merkt man, wenn man bei Eberhard Thoma zu Gast ist. Der 89-Jährige ist der Sohn von Alfred Thoma. Und Alfred Thoma wiederum hat beim Hauptkriegsverbrecherprozess Alfred Rosenberg verteidigt, den Chefideologen der Nationalsozialisten. Eberhard Thoma war zu Prozessauftakt 14 Jahre alt. Besucht man ihn und seine Frau Helga im Nürnberger Stadtteil Altenfurt, fällt sofort das große Bücherregal ins Auge: Schriften der Zeitgeschichte. Eine mehrbändige Ausgabe über die Nürnberger Prozesse, mehrere Hitler-Biographien. Auf dem Tisch liegen zahlreiche Bücher über Alfred Rosenberg.

Spricht man mit Thoma, so ist man sofort mittendrin. Er hat ein erstaunliches Gedächtnis, kann sich an Namen, sogar Vornamen, gut erinnern, und zieht eigene handschriftliche Aufzeichnungen zu Rate. Seine Frau ermahnt ihn, zur Sache zu kommen. Aber interessant ist das, was er erzählt, allemal, auch wenn es zunächst nichts mit den Nürnberger Prozessen zu tun hat.

In Rothenburg ob der Tauber erlebt Thoma das Ende des Zweiten Weltkriegs, er wird dort, mit seiner Mutter für zwei Jahre aus Nürnberg evakuiert, als 14-Jähriger noch zum Aufschütten von Schanzen verpflichtet. Den Sommer nach der Kapitulation verbringt er im Ernteeinsatz. Dann kehrt er nach Nürnberg zurück. Familie Thoma wohnt im 4. Stock eines Hauses am Kaulbachplatz, "dort wo jetzt die U-Bahn-Station ist", erinnert sich Thoma.

Alfred Rosenberg habe eigentlich einen Bonner Professor als Verteidiger haben wollen. Nachdem dieser ablehnt, fragen die Amerikaner bei Alfred Thoma an, der die Aufgabe übernimmt. Eberhard Thomas große Schwester, 17 Jahre alt, darf ab und zu mit dem Vater per Straßenbahn in die Fürther Straße fahren, zum Gerichtsgebäude.

Die Nürnberger, sagt Thoma, "konnten sich geehrt fühlen", dass der große Prozess hier stattfand. Gleichzeitig habe es Wichtigeres gegeben: "Es war zu sehr eine Zeit des Hungerns, des Organisierens." Wie wurden die Urteile aufgenommen? "Man hat schon eingesehen, dass die den Tod verdient hatten", meint Thoma. Die Amerikaner verpflichteten die Bevölkerung, sich das erschütternde Beweismaterial zu den Konzentrationslagern im Kino anzusehen.

"Democracy, democracy!" Das sei das Schlagwort der "Amischen", der Amerikaner, gewesen, erinnert sich Thoma. Er wird Mitglied im "German American Youth Club", seine Schwester darf sogar für ein Jahr in die Vereinigten Staaten. Das Vermächtnis seines Vaters hat Thoma immer begleitet. Der Junge, der '45 so nah dran war an der Weltgeschichte, hat sich die Rolle als Zeitzeuge redlich verdient.

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