Der Fall Florian Pfaff: Wie viel Gewissen darf ein Major haben?

8.3.2008, 00:00 Uhr
Der Fall Florian Pfaff: Wie viel Gewissen darf ein Major haben?

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Florian Pfaff wirkt so gar nicht wie ein Quertreiber. Im Gespräch ist er freundlich, nicht rechthaberisch, eher bescheiden, auch seinen Humor hat er behalten. Hätte der heute 50-Jährige nicht den Soldatenberuf gewählt, wäre er «auch gerne Polizist geworden oder Lehrer«. Zur Bundeswehr ging er, weil er in ihr eine «Friedensarmee« sah. Das freilich hat sich geändert, spätestens seit dem Irakkrieg.

Die rot-grüne Bundesregierung lehnte den Irakkrieg zwar strikt ab. Indirekt aber wurden die US-Verbündeten auf vielfältige Art unterstützt: In Kuwait standen deutsche ABC-Spürpanzer für den Fall irakischer Chemiewaffenangriffe bereit, vor Gibraltar sicherten deutsche Marineschiffe den US-Nachschub, Bundeswehrsoldaten bewachten amerikanische Kasernen, und über der Türkei überwachten Awacs-Flugzeuge den Luftraum an der Grenze zum Irak.

Nicht für Mord und Totschlag

«Wir waren also voll im Irakkrieg dabei, nur nicht mit Truppen im Irak«, sagt Pfaff. Für ihn war das Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. «Für Mord, Totschlag oder die Bewachung von Foltergefängnissen aber«, entschied er, «stehe ich nicht zur Verfügung.« Pfaff war damals mitverantwortlich für die Entwicklung einer Logistik-Software für das gesamte Nachschubwesen. «Das kann vom Glas Wasser bis zur Bombe alles sein«, sagt er. Zunächst dachte der Heeresoffizier, für den Irakkrieg käme die Software zu spät. Ein Vorgesetzter aber machte ihn darauf aufmerksam, dass seine Arbeit indirekt doch verwendet werden könnte. Und so verweigerte Pfaff seine weitere Mitarbeit - aus rechtlichen und Gewissensgründen.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Eine Woche lang wurde Pfaff, inzwischen in den Sanitätsdienst versetzt, psychiatrisch auf seinen Geisteszustand untersucht. Als die ergab, er sei völlig gesund, drohte man ihm mit Entlassung. Und das Truppengericht degradierte ihn zum Hauptmann.

Das aber focht Pfaff an und wurde im Juni 2005 - nach mehr als zwei Jahren - vom 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts vollständig rehabilitiert. Pfaffs Gewissensentscheidung wurde anerkannt. In seinem Urteil erklärte das Leipziger Gericht ausdrücklich, dass nicht nur gegen die Irak-Invasion selbst, sondern auch gegen die Unterstützungsleistungen der Bundeswehr «gravierende völkerrechtliche Bedenken« bestünden.

Möglichst niedrig hängen

Die Bundeswehr, die um ihre Einsatzfähigkeit fürchtete, wollte das - letztinstanzliche - Urteil aber so nicht stehen lassen. In einem 22-seitigen Leitfaden wurden Argumentationshilfen zusammengetragen, wie solche Fälle künftig vermieden werden könnten. Gegen Pfaff wurde, ohne dass er es zunächst wusste, eine Beförderungssperre verhängt - weil er «nicht uneingeschränkt verwendbar« sei. Inzwischen hat er dagegen geklagt. Anfang April soll vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht verhandelt werden.

Was Pfaff gut tut: Von seinen unmittelbaren Vorgesetzten fühlt er sich durchaus bestärkt. Einer habe ihm als Argumentationshilfe für die Gerichtsverhandlung sogar eine «Zitatensammlung von Berühmtheiten zum Thema Gewissen« zugesteckt. Ein anderer äußerte die Hoffnung, dass er vor Gericht gewinnen möge.

Anders der Bundeswehrverband. Dessen Vorsitzender, Bernhard Gertz, zeigte wenig Verständnis für Pfaff. «Wenn jeder Soldat bei jedem Befehl einen Gewissenskonflikt geltend machen würde, dann könnten wir den Laden dichtmachen«, beschied er. Auch den Wehrbeauftragten Reinhold Robbe hat Pfaff eingeschaltet. Öffentlich will der «zu dem laufenden Verfahren« aber nichts sagen. Im Verteidigungsministerium versucht man, den Fall möglichst niedrig zu hängen. «Ich weiß gar nicht, ob ich das zur Kenntnis nehmen will«, meint dazu Staatssekretär Christian Schmidt (CSU).

Anerkennung findet Pfaff, nicht überraschend, andernorts. Die Internationale Liga für Menschenrechte zeichnete ihn mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus, in Stuttgart wurde ihm der Amos-Preis für Zivilcourage verliehen. Und nun, wenn er auf der Leipziger Buchmesse sein Buch ("Totschlag im Amt - Wie der Friede verraten wurde", HWK-Verlag) vorstellt, kommt eine weitere Ehrung hinzu, über die Pfaff sich besonders freut: Die amerikanische «Association of World Citizens« hat ihn zum «Weltbürger 2008« gekürt.