Drohnen im Visier

22.6.2012, 20:02 Uhr
Drohnen im Visier

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„Wie können wir sichergehen, dass keine Frauen und Kinder zum Opfer werden?“ So laute, wie die New York Times enthüllte, die Standardfrage von Barack Obama, wenn seine Geheimdienst-Direktoren um Erlaubnis für einen Drohnen-Angriff bitten. Bei Grenzfällen — wenn es sich um Verwandte eines gesuchten mutmaßlichen Extremisten handelt — stimme der US-Präsident gelegentlich dem Einsatz zu, lehne ihn aber auch manchmal ab. Immer dienstags, bei den wöchentlichen Treffen mit seinen Beratern, aktualisiert Obama zudem eine intern erstellte Todesliste jener angenommenen Staatsfeinde, die zur Liquidierung freigegeben sind, weil eine Festnahme und gerichtliche Aburteilung nicht möglich erscheinen.

Die Zahl der „gezielten Tötungen“, ausgeführt vor allem durch die weitgehend lautlosen Flugobjekte, hat sich seit Amtsantritt des Demokraten im Vergleich zur Bush-Ära vervierfacht. Jetzt will der UN-Menschenrechtsrat die Bremse ziehen. Jüngst forderte das Gremium Washington offiziell auf, eine juristische Rechtfertigung für die mehr als 300 Drohnen-Attacken in Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen und Somalia zu liefern, denen Tausende Menschen zum Opfer fielen.

Experten des Rats gehen davon aus, dass 20 Prozent der Getöteten Zivilisten waren. „Die US-Regierung muss die Prozedur deutlich machen, die sicherstellt, dass gezielte Tötungen mit internationalem Menschenrecht vereinbar sind und dass zivile Verluste vermieden werden,“ heißt es in einem von Sonderberichterstatter und Rechtsprofessor Christof Heyns erstellten Bericht des UN-Gremiums.

Allein in Pakistan sind 2010 gemäß einer Zählung der Pakistan Human Rights Commission 957 Menschen durch Drohnen getötet worden. Laut Heyns verlange das humanitäre Völkerrecht, dass alle Anstrengungen unternommen werden, um Verdächtige zu verhaften. Jede Anwendung von Gewalt müsse zudem mit den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit vereinbar sein.

Dass die USA diese Prinzipien gewährleistet sehen, daran hatte zuletzt Außenministerin Hillary Clinton keine Zweifel gelassen. Die Standardargumentation von Regierungs-Juristen lautet: Im Kriegsfall, der durch die 9/11-Vorfälle sowie den „Krieg gegen den Terror“ eingetreten sei, dürfe man Gegner nach geltendem internationalen Recht auch dann eliminieren, wenn diese sich im Ausland aufhielten, aber eine Festnahme und Anklage aus logistischen Gründen oder wegen mangelnder Kooperation der Drittstaaten nicht möglich sei.

Obamas Sicherheitsberater John Brennan fügt hinzu, eine Operation werde stets nur genehmigt, wenn die Person eine besondere Gefahr darstelle. Das wichtigste Ziel sei, Terrorangriffe zu vermeiden und das Leben von Amerikanern zu schützen.

Wachsende Bedenken

Während der Einsatz der rund 10000 verfügbaren amerikanischen Drohnen rund um den Erdball unter den US-Bürgern eine Zustimmungsquote von 83 Prozent findet, gibt es doch wachsende Bedenken. Letzten Monat kaufte die Polizei des Bezirks Montgomery (Texas) als eine der ersten Behörden eine 300000 Dollar teure Drohne, die Gummigeschosse verschießen, Tränengaskanister abwerfen und Verdächtige mit Elektroschocks außer Kraft setzen kann.

Der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU schwant Böses: „Es ist doch ein großer Unterschied, wenn sich ein Polizist im Einsatz vor Ort für Gewaltanwendung entscheidet oder wenn dies ein Drohnen-Lenker aus der Distanz tut.“ Auch der Bundesstaat Ohio erwägt die Anschaffung von Drohnen für den Polizeidienst und hat vorsichtshalber bereits beim Hersteller angefragt, ob diese auch für den Einsatz von Schusswaffen und Granaten ausgerüstet werden könnten.

Das US-Verteidigungsministerium schätzt in einem internen Bericht an den Kongress, dass bis 2022 in den USA rund 30000 Drohnen zur Überwachung und Polizeiarbeit eingesetzt werden. „Drohnen dürften bald Teil unseres täglichen Lebens werden“, kommentiert der Sender ABC.

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