Viele Neueintritte und Riesen-Andrang

Ein Popstar namens Olaf: Wie Scholz eine Euphorie bei der SPD entfachte

23.9.2021, 06:47 Uhr
Auch vor Scholz' Auftritt in Nürnberg vergangenen Sonntag war der Andrang von Menschen, die sich anmelden wollten, so groß, dass die SPD die Veranstaltung vom Tucherhof-Biergarten auf die Wöhrder Wiese verlegte.

© Daniel Karmann, dpa Auch vor Scholz' Auftritt in Nürnberg vergangenen Sonntag war der Andrang von Menschen, die sich anmelden wollten, so groß, dass die SPD die Veranstaltung vom Tucherhof-Biergarten auf die Wöhrder Wiese verlegte.

Wenn Arif Tasdelen von "lebenden Umfragen" spricht, dann meint er sie: die Menschen, die das Ohr am Volk haben, die Bäckerei-Mitarbeiter, Arzthelferinnen und Taxifahrer. Wer sich dieser Tage mit ihnen unterhält, der spürt, so erzählt es Tasdelen, dass sich etwas gedreht hat im Land: Die SPD, diese vermeintliche Partei im Niedergang, ist plötzlich und irgendwie auch sensationell wieder obenauf.

Sieht die Geschlossenheit als Erfolgsfaktor: SPD-Generalsekretär Arif Tasdelen. 

Sieht die Geschlossenheit als Erfolgsfaktor: SPD-Generalsekretär Arif Tasdelen.  © Lennart Preiss, NNZ

Tasdelen kann das in seinem Job als Generalsekretär der bayerischen SPD jeden Tag beobachten. Er merkt es an den Infoständen in den Fußgängerzonen, er merkt es an den Zahlen, die im Landesverband zusammenlaufen: 100 Neueintritte im August, 140 im September, "und fast alle jünger als 35 Jahre", sagt der Nürnberger. Zwar reichen selbst die hohen Neueintrittszahlen nicht, um die Todesfälle und Austritte zu kompensieren, "doch es gab Jahre, da hatten wir überhaupt kaum Eintritte von jungen Menschen".

Es waren Hungerjahre für die SPD: Noch vergangenes Jahr lag die einstige Volkspartei im Umfragen-Niemandsland von 15 Prozent. Die Entscheidung, ihren Spitzenkandidaten wie immer Kanzlerkandidaten zu nennen, brachte ihr manch spöttische Äußerung ein. Doch jetzt, im September 2021, geht die SPD als Spitzenreiter bei den Umfragen in die Bundestagswahl; und ihr Kandidat ist, zum ersten Mal seit Gerhard Schröder, tatsächlich der Favorit im Rennen um das Kanzleramt.

Auch Olaf Scholz sagt, er spüre im Wahlkampf, dass sich im Land etwas verändert habe. Die Dynamik erinnere ihn an 1998, als Schröder nach 16 Jahren Helmut Kohl Kanzler wurde.

Der neuerliche Höhenflug hat vor allem mit Olaf Scholz selbst zu tun und seiner Beliebtheit bei den Wählerinnen und Wählern. Eine Beliebtheit, auf die die SPD unverhohlen setzt. "Scholz auf den Plakaten, Scholz auf den Podien, Scholz in Debatten, Scholz' Programm. Kein Schattenkabinett, keine Ablenkung" hat die Nachrichtenagentur dpa jüngst den Wahlkampf für "Popstar Scholz" beschrieben.

Die frühzeitige Nominierung zahlt sich aus

Auch Arif Tasdelen lässt wenig Zweifel, dass die SPD den Erfolg ihrem Kandidaten zu verdanken hat. "Aber erst aus der Geschlossenheit der Partei heraus konnte sich die starke Figur Olaf Scholz entwickeln", sagt der Generalsekretär. Scholz früh zu nominieren, sei hierfür goldrichtig gewesen, weil der Kandidat Zeit gehabt hätte, sich bei Parteimitgliedern, Verbandsvertretern, Firmenchefs und vor allem bei den Bürgern vorzustellen. Zeit, die Scholz laut Tasdelen zu nutzen wusste.

Die Bayern-SPD wird von der Scholz-Euphorie seitdem mancherorts regelrecht überrollt. Als in Hof die Runde machte, dass Scholz in der Stadt auftritt, "wurde das SPD-Büro mit Anrufen belagert", erzählt Tasdelen. "Und dabei haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Werbung für die Veranstaltung gemacht." Auch vor Scholz' Auftritt in Nürnberg vergangenen Sonntag war der Andrang von Menschen, die sich anmelden wollten, so groß, dass die SPD die Veranstaltung vom Tucherhof-Biergarten auf die Wöhrder Wiese verlegte.

Die Mitglieder wollten lieber Esken und Walter-Borjans

Fast vergessen scheint da, dass die SPD-Mitglieder bei der Basisabstimmung über die neuen Parteivorsitzenden noch dem Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Vorzug vor dem vermeintlich farblosen Scholz gaben - nicht einmal zwei Jahre ist das her. Auch Generalsekretär Tasdelen ist die feine Ironie bewusst. Er sieht es mit Humor: "Wir wollten Olaf Scholz halt nicht verheizen."

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