Ein Toter und zwei Verletzte bei Anschlag in Stockholm

12.12.2010, 13:42 Uhr
Ein Toter und zwei Verletzte bei Anschlag in Stockholm

© dpa

Wie durch ein Wunder kam außer dem Attentäter niemand ums Leben. Die schwedische Polizei stufte den Anschlag als «sehr ernsten Terrorakt» ein. Obwohl Häuser von der Wucht der beiden Detonationen erzitterten und Passanten sofort in Panik gerieten, wurden nur zwei Menschen verletzt.

Unmittelbar vor den Explosionen hatten die Polizei und die Nachrichtenagentur TT eine Drohmail sowie den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Es wurde bis Sonntag aber nicht offiziell bestätigt, dass der Selbstmordattentäter der Absender der Texte war. Sie waren auf Arabisch und Schwedisch gesprochen.

Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine «offene Gesellschaft» abhalten lassen, sagte Reinfeldt am Sonntag vor Journalisten. Er warnte vor voreiligen Schlüssen. Nach Medienangaben lebte der 28 oder 29 Jahre alte Mann in einer Wohnung in der mittelschwedischen Ortschaft Tranås im Bezirk Småland.

Rucksack mit Reißnägeln

Der Attentäter war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggargatan, zwei Blocks vom Verkehrsknoten Sergels Torg entfernt, kurz vor 17 Uhr sofort tot. Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung «Dagens Nyheter»: «Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.» Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden erste Hilfe zu leisten: «Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.» Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.

Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof -Palme-Gatan zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in wilder Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.

In den Drohmails an die Polizei und die Nachrichtenagentur TT rief der Mann zum «Heiligen Krieg» gegen Schweden auf. In der Mail nannte er «das Schweigen des schwedischen Volkes» zur Mohammed-Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie die Anwesenheit schwedischer Soldaten in Afghanistan als Grund für seinen Aufruf zum Terror: «Jetzt müssen eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben.»

Märtyrer-Videos auf Facebook

Die Drohung per E-Mail vor der Explosion spricht nach Expertenansicht gegen eine Verbindung des Attentäters zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Denn die Terroristen, die auf den Befehl der Führung um Osama bin Laden hören, hatten sich bisher nur nachträglich zu ihren Taten geäußert, etwa durch die Veröffentlichung von «Märtyrer-Botschaften».

In dem gesprochenen Text berichtete der Mann, dass er sich bei einem Aufenthalt im Nahen Osten für den Jihad habe ausbilden lassen. Seine Familie bat er um Vergebung, weil er sie über die Gründe für die Reise getäuscht habe. Er bat seine Ehefrau, die Kinder von ihm zu küssen. Die Polizei wollte keinen Kommentar zu den Texten sowie zur Identität des Mannes abgeben. Ein Sprecher lehnte es auch ab, sich zu Medienberichten zu äußern, wonach es sich bei dem Täter um einen Iraker handeln soll.

Nach Informationen der Zeitung «Aftonbladet» soll der Absender der Drohmail und des gesprochenen Textes ein 28-jähriger Mann sein, der mit seinem vollen Namen unterschrieben hat. Von ihm gebe es auch Märtyrer-Videos auf Facebook.

In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. «Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben», zitierte die Zeitung «Aftonbladet» einen namentlich nicht genannten Behördensprecher.

Der zuständige Staatsanwalt Thomas Lindstrand kündigte schnelle Ermittlungen zur Frage möglicher Mittäter an. Grundsätzlich erwarte man keine neue akute Gefährdung für Schweden, hieß es weiter. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren.