Elke Sommer: "Ich fühle mich als Fränkin und Weltbürgerin"

14.1.2016, 16:36 Uhr
Elke Sommer:

NZ: Frau Sommer, Sie haben eine tolle Figur und schauen blendend aus. Was ist ihr Geheimrezept?

Elke Sommer: Es gibt keins. Nach Jahren des Theaterspielens habe ich die Angewohnheit, sehr spät ins Bett zu gehen und spät zu essen. Dann mache ich mir nachts oft ein frisches Bauernbrot mit dick Gänseschmalz drauf. Am nächsten Tag darf man natürlich keine Sahnetorte essen. Man muss schon ein bissel aufpassen, aber Diäten mache ich nicht. Neulich stellte ich erst fest, dass mir eine dunkelblaue Hose noch wie ‘ne eins passt, die 30 Jahre alt ist.

NZ: Welche Rolle spielt der Sport?

Sommer: Ich bewege mich viel. Ich war mal absolute Tennis-Fanatikerin und habe mir auch in Los Angeles einen Tennisplatz gebaut. Aber das Spielen ging auf die Knie. Mein Mann bat mich viele Jahre, doch mit Golf anzufangen. Kommt nicht in Frage, sagte ich ihm. Anfangs ging ich nur mit auf den Golfplatz, um mir die Pflanzen und die Vögel anzuschauen. Ihm zuliebe fing ich dann aber doch an. Ich nahm nur zwei Trainerstunden und seitdem bin ich dem Golfspielen verfallen. Viele Jahre habe ich mich um diese Freude gebracht. Das ist ein sehr schwieriger Sport: Man muss sich konzentrieren, man schlägt, man wird davon gefangengenommen.

 

NZ: Sie sind sehr naturverbunden.

Sommer: Flora- und Fauna-Madness, also Verrücktheit, nenne ich das. Ich laufe gern, mache Gartenarbeit und gehe sehr gern Pilze sammeln. Ich kenne 134 Sorten in Deutschland. Andere Pilzsammler beneiden mich darum. Auch Tiere liebe ich sehr. Unser Hund Smiley ist überall dabei und schon 18 Mal mit über den Großen Teich geflogen.

Zwei Zimmerchen, ohne fließend Wasser

NZ: Wie war ihre Kindheit in Franken?

Sommer: Wir wurden nach dem Krieg in Eggloffstein untergebracht im dortigen alten Waffensaal. Dann lebten wir in Niederndorf bei Herzogenaurach in zwei Zimmerchen, ohne fließend Wasser und Toilette. Mit 12 Jahren hatte ich schon sieben Lungenentzündungen hinter mir. Ich bin sehr arm aufgewachsen, aber sehr glücklich. Ich trug die Klamotten von Jungen einer befreundeten Familie auf. Ich hatte ganz kurze Haare, saß oben in den Bäumen und mein Vater sagte immer „er“ zu mir: ,Wann kommt er heute nach Hause?‘, fragte er meine Mutter. Das hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Ich war gar nicht eitel. Das erste und einzige Kleid bekam ich zur Konfirmation. Bis heute geht es mir so: Wenn man etwas kriegt und wenn man sich etwas kaufen kann, hat man eine Riesenfreude daran.

NZ: Sie sind 1940 geboren. Haben Sie noch Erinnerungen an den Krieg?

Sommer: Meine Erinnerung reicht bis in mein zweites Lebensjahr zurück, als wir noch in Berlin lebten. Die Kirche meines Vaters wurde nicht zerbombt. Ich liebte den Flox, der neben der Kirche wuchs. Ich erinnere mich, wie ich nachts beim Fliegeralarm aus dem Bett geholt wurde. Meine Mutter trug einen Stahlhelm und beugte sich über mich, falls etwas einschlägt. Ich konnte mit zwei Jahren auch schon Weihnachtslieder singen.

NZ: Ihr Vater war evangelischer Pfarrer. Wie hat Sie das geprägt?

Sommer: Ich hatte Religion in der Schule und musste als Pfarrerstochter natürlich Einser mit heimbringen. Der Papa hat mir das Christentum aber nie aufoktroyiert, mich nie gezwungen, mit in die Kirche zu gehen. Mir wurde gezeigt, Respekt allem Lebenden gegenüber zu haben, auch Pflanzen und Tieren. Das ist seither in mir drin. Alles, was mein Vater sagte, machte Sinn. Er war ein begnadeter Orgelspieler. Von ihm habe ich auch die Musikalität geerbt. Er hatte übrigens auch mit dafür gesorgt, dass Mädchen aufs Erlanger Gymnasium Fridericianum dürfen. Ich lernte dort Latein und Griechisch, und wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich Medizin studiert. Er starb dann, als ich 15 war. Bis heute kann ich nicht in die Kirche gehen und den Segen sehen.

Kein Bullshit, kein Schickimicki

NZ: Betrachten Sie heute Marloffstein als Ihre Heimat?

Sommer: Ich definiere Mittelfranken als meine Heimat, alles um Erlangen herum, von Eggloffstein bis Hilpoltstein. Ich lebe heute viele Wochen im Jahr in Marloffstein, aber dieses Haus ist nicht mein Elternhaus. Ich habe es selbst bauen lassen und nichts geschenkt bekommen. Ich fühle mich als Fränkin und Weltbürgerin.

NZ: Was von Ihren fränkischen Wurzeln nehmen Sie aus Ihrer Heimat mit nach Los Angeles?

Sommer: Ich genieße hier den unsäglichen Respekt meiner Leute, ihre herzensgute tiefempfundene Liebe mir gegenüber, das muss man erst aufbauen. Ob es der Bauer vom Unterdorf ist, oder der aus Hetzles, das ist egal: Man bringt mir Tomaten, Eier oder Rovinzala vorbei, das ist übrigens Feldsalat. Oft steht eine Kanne Milch vor der Tür. Die Warmherzigkeit der Menschen hier sucht ihresgleichen. Da ist kein Bullshit dabei, kein Schickimicki-Zeug, was ich hasse wie die Pest. Sogar mein Mann, der Westfale ist, ist mittlerweile gut integriert. Auch nehme ich viel Humor aus Franken mit nach Los Angeles.

NZ: Was schätzen Sie an LA?

Sommer: Dort habe ich ein wunderwunderschönes, ruhig gelegenes Haus zwischen Beverly Hills und Bel Air. Das zu bekommen, war ein Glücksfall. Toll ist auch das Klima dort, man kann jeden Tag rausgehen, golfen, an die Seen fahren, oder nach Palm Springs, wenn die Wüste blüht. Auch gibt es herrliche internationale Märkte und wir sind nur zwölf Minuten vom Meer entfernt. Leider fahre ich nicht oft genug hin.

NZ: Mögen Sie auch das Flair und die Flippigkeit von Hollywood?

Sommer: Es ist inzwischen so: Wenn man mit Freunden irgendwo essen geht und sich schön unterhalten will, schauen dir die Leute nicht in die Augen, sondern gucken sich nur um, wer sonst noch da ist. Das kann ich nicht und werde es nie können. Ich habe übrigens kaum Schauspielerfreunde, sondern eher Musiker. Auch stören mich die vielen oberflächlichen Dinge. Dass man immer „sorry“ sagt oder sich einen schönen Tag wünscht. Das habe ich noch nie gemocht. Auch den Hollywood-Boulevard finde ich einfach nur armselig.

"Ich saß dann am Präsidententisch"

NZ: Sie haben in den höchsten Kreisen verkehrt und waren in den 70er Jahren sogar zu Gast im Weißen Haus unter Präsident Gerald Ford.

Sommer: Ja, ich habe damals sogar meine Mama mitgenommen und sie dem Präsidenten zuerst vorgestellt. Wir sind vom Hotel aus mit dem Taxi zum Weißen Haus gefahren, alle anderen Gäste kamen in Limousinen. Ich trug ein Abendkleid und der Taxifahrer fragte, ob ich keinen Mantel dabei hätte. Er dachte, ich wollte mir das Weiße Haus von außen anschauen. Als ich ihm sagte, dass ich rein will, konnte er es nicht glauben. Und als ich für die Fahrt bezahlen wollte, sagte er, er schulde mir für dieses Erlebnis 20 Dollar. Ist das nicht süß? Ich saß dann am Präsidententisch und habe auch mit Gerald Ford getanzt – bis mich Walter Scheel abklatschte.

NZ: Thema Filmkuss: Wen haben Sie so alles geküsst?

Sommer: Peter Sellers, Glen Ford, die besten der Besten und die schönsten der Schönsten, auch Frank Sinatra und Dean Martin. Wir haben ja damals nicht so richtig geküsst wie heute, sondern eher nur so den Kopf gedreht. Mir war aber egal, ob ich eine Birke küsse oder Paul Newman. Das ist ein Job und da fühlst du gar nix. Ich habe alle gemocht, es waren wunderbare, begabte Menschen.

NZ: Sie sind seit 1993 zum zweiten Mal verheiratet, wissen also, was eine gute und eine schlechte Ehe ist. Ihr Rezept für eine glückliche Beziehung?

Sommer: Mein erster Mann war Journalist und 20 Jahre älter als ich. In ihm suchte ich eine Vaterfigur. Nach unserer Heirat hatte er es dann nicht mehr nötig, etwas zu schreiben. Er hat nur genommen. Mit meinem jetzigen Mann, dem Papabär, verbindet mich eine unsägliche Liebe und Respekt. Liebe kommt immer zuerst, egal ob man mit einem Straßenkehrer oder einem Hoteldirektor verheiratet ist, was er sein ganzes Leben war. Man wird sich immer ähnlicher, je länger man zusammen ist und assimiliert sich wie ein Chamäleon. Papabär und ich haben uns unheimlich assimiliert, wir brauchen fast nix mehr zu sagen. Wir lachen sogar über die gleichen Dinge. Und er kennt sogar schon Pilze, wenn auch nicht alle 134 Sorten.

NZ: Sind Sie heute froh, dass Sie mit Ihrem ersten Mann keine Kinder bekommen haben?

Sommer: Was heißt froh? Die Kinder hätten die Gene meines Vaters und meine geerbt, weil wir stark sind. Wenn es Gottes Wille gewesen wäre, dann hätte ich meine Zwillinge geboren. Man sollte um des Seelenfriedens willen stets versuchen, allem etwas Gutes abzugewinnen. An jedem Tag in meinem Leben wird es schwieriger, zu glauben. Beim Beten bitte ich um nix mehr. Ich danke. Meine Bilder sind meine Kinder. Die konzipiere ich selber, ich entwickele und führe die Idee aus, ohne Regisseur. Das Bild ist meins allein, wie ein Kind.

NZ: Sie sind unlängst 75 Jahre alt geworden. Was war für Sie das schönste Alter?

Sommer: Eigenartig, das hat mich noch niemand gefragt. Ich kann es aber auch nicht beantworten, weil ich, seit ich mit 18 Jahren anfing zu arbeiten, nie wirklich die Zeit hatte, zu reflektieren. Ich habe auch kein Zeitgefühl, weiß kaum, was ich mit 35, 45 oder 55 gemacht habe. Ich habe mein Älterwerden nie in Dekaden gemessen, nur in der Malerei, da habe ich aus jeder Dekade ein Bild von mir. Eins weiß ich aber: 75 ist schon ein bisschen scheiße, von wegen „golden years“. Da fängt man an, über das Futurum nachzudenken.

NZ: Sie haben so viel zu geben, warum machen Sie sich so rar?

Sommer: Weil ich nach 96 Filmen, zig TV-Shows und Theaterstücken einmal leben wollte. Ich habe gegeben und alles gespielt von der Hure bis zur Nonne. Eines Tages war mir klar: Du hast zwei so schöne Häuser, jeder freut sich an deinen Gemälden, deinem Pool, deinen Rosen – und du selber siehst es nie. Ich wollte endlich mal ernten, was ich gesät habe. Auch bin ich es satt, aus dem Koffer zu leben. Ich bekomme noch immer Angebote, aber es ist nichts Außerordentliches dabei gewesen.

NZ: Was sind Ihre Pläne für 2016?

Sommer: Ich habe große Pläne, aber die verrate ich nicht. Ich habe einen gewaltigen Einschnitt vor.

Keine Kommentare