Eon-Chef warnt bei Atom-Anhörung vor Turboausstieg

28.4.2011, 17:42 Uhr

Eon-Chef Johannes Teyssen hat die Bundesregierung vor einem Scheitern der Klimaschutzziele und steigenden Strompreisen bei einem vorschnellen Atomausstieg gewarnt. „Eine zu kurze Brücke ist eine sinnlose Brücke“, sagte Teyssen in einer öffentlichen Sitzung der Ethikkommission der Regierung in Berlin.

Insgesamt waren rund 30 Experten zu der live vom TV-Sender Phoenix übertragenen Anhörung des „Rates der Weisen“ eingeladen. Die Vertreter der Ökostrom-Anbieter wiesen die Attacken gegen einen raschen Atomausstieg als Folge der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima zurück. Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse könne schon in einem Zeitraum von 2017 bis 2020 die Atom-Lücke komplett schließen. Der Mieterbund rief die Regierung auf, die Bürger mit den Kosten der Energiewende nicht alleinzulassen. Teyssen sagte, ohne die Kernenergie als Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien müsse Deutschland mehr Kohle- und Atomstrom importieren, Strompreise für energieintensive Betriebe könnten um zehn Prozent steigen und man brauche mehr Gas- und Kohlekraftwerke, was die deutschen Verpflichtungen beim Klimaschutz gefährde.

Mit der Kernenergie könne Deutschland bis 2020 den CO2-Ausstoß womöglich um bis zu 30 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. „Diese Vorteile muss man im Auge behalten, bevor man sie leichtfertig beiseite schiebt“, sagte der Chef von Deutschlands größtem Stromkonzern. Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), verglich die Herausforderungen bei einer grünen Energiewende mit denen der Wiedervereinigung. „Wir müssen uns bewusst sein über die Größe der Veränderung und auch über die Kosten offen sprechen.“

Bericht bis zum 28. Mai

Bis zum 28. Mai will die 17-köpfige Ethikkommission auch unter Berücksichtigung der Expertenaussagen einen umfassenden Bericht vorlegen. Dieser soll der Bundesregierung bei ihrer für Mitte Juni geplanten Entscheidung darüber helfen, wie viele Atomkraftwerke in Deutschland dauerhaft vom Netz gehen sollen und bis wann der letzte der 17 Meiler abgeschaltet wird. Der Kommissionsvorsitzende und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, betonte, die kontroverse Debatte um die Atomkraft habe Jahrzehnte das gesellschaftliche Klima vergiftet. „Damit muss Schluss sein.“ Der Co-Vorsitzende und Ex-Umweltminister Klaus Töpfer sagte, es müsse darum gehen, die Kernenergie zu verlassen, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Das Atomrisiko müsse gegen die Risiken bei einem beschleunigten Ausstieg abgewogen werden.

Der Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Dietmar Schütz, sagte, bis 2020 würden vor allem Windkraft und Solaranlagen massiv ausgebaut und Ökostrom könne den Atomstrom ersetzen. Laut Schätzungen können die Erneuerbaren bis dahin einen Anteil von 47 Prozent an der Stromerzeugung haben. Heute sind es 17 Prozent. Die Industriebranchen, die besonders viel Strom verbrauchen, forderten eine Energiewende mit Augenmaß. Der durch das Atom-Moratorium ausgelöste Anstieg bei den Großhandelspreisen an der Leipziger Strombörse EEX koste die Wirtschaft mindestens 750 Millionen Euro extra pro Jahr. Der Aufsichtsratschef des Essener Aluminiumkonzerns Trimet, Heinz-Peter Schlüter, sagte in der Anhörung, Atomkraftwerke seien Garanten für eine sichere Stromversorgung der Wirtschaft, weil sie die schwankende Erzeugung der Erneuerbaren ausglichen. „Bei vier Stunden Stromausfall wären alle unsere Produktionsanlagen zerstört.“

4500 Kilometer Stromautobahn fehlen

Nach Angaben der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) fehlen für die Energiewende rund 4500 Kilometer an Stromautobahnen. Problematisch sei der Widerstand der Bürger. Die Gegner müssten sich nun fragen lassen, ob sie in Süddeutschland lieber eine Stromtrasse oder einen Windpark in den Voralpen haben wollten, sagte Dena-Chef Stephan Kohler. Die Milliardenkosten beim Energiesparen in Gebäuden müssen nach Ansicht des Mieterbundes gerecht aufgeteilt werden. Die Ausgaben für die Sanierung alter Häuser und Wohnungen, um Strom, Gas und Öl zu sparen, sollten Staat, Vermieter und Mieter zu je einem Drittel tragen. „Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips. Vermieter sollten bestraft werden, wenn sie nicht sanierten. „Der Mieter braucht ein Druckmittel.“ Problematisch sei, dass viele ältere Eigentümer kein Geld in neue Fenster oder Dächer stecken wollten, weil sie keine hohe Lebenserwartung mehr hätten.

Verwandte Themen


3 Kommentare