EU-Parlament rebelliert gegen die ständige Pendelei

21.11.2013, 12:18 Uhr
EU-Parlament rebelliert gegen die ständige Pendelei

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Seit einer Vereinbarung von 1992 logiert das Europäische Parlament zwölfmal im Jahr für eine Woche im elsässischen Straßburg — „Stressburg“, wie die Volksvertreter und ihre rund 3000 Assistenten, die mitreisen müssen, gerne sagen. Gestern gelang eben dort so etwas wie eine kleine Palast-Revolution.

Mit überwältigender Mehrheit stimmten die 766 Mandatsträger für die Entschließung ihres Verfassungsausschusses. Die aber erwähnt keinen der insgesamt drei Parlamentstagungsorte (neben Brüssel und Straßburg kommen die Abgeordneten auch einmal im Jahr in Luxemburg zusammen) namentlich. Stattdessen fordert das Plenum, über seinen Sitz selbst bestimmen zu können.

Revolte gegen die Chefs

Berichterstatter Gerald Häfner (Grüne) sprach anschließend gar von „einer Abstimmung mit historischer Bedeutung“. Das Parlament sei es nämlich leid, „auf Geheiß der Staats- und Regierungschefs hin- und hergeschickt zu werden.“ Genau das ist das Problem: Die Parlamentarier dürfen bisher nicht selbst entscheiden, wo sie ihren Stammsitz haben.

Zuständig ist der Europäische Rat, also die 28 Staats- und Regierungschefs. Sie müssten einstimmig beschließen, denn es handelt sich um eine Vertragsänderung. Schließlich wurde Straßburg erst 2009 im Lissabonner Reform-Dokument erneut festgeschrieben — auf Drängen Frankreichs. Das Prestige lässt man sich einiges kosten: Fast 200 Millionen Euro aus dem EU-Etat verschlingt der „Reisezirkus“ pro Jahr. Von der Öko-Bilanz ganz zu schweigen.

Es gibt im Parlament aber auch erbitterte Kämpfer für den Standort in Frankreich. Einer davon ist der CSU-Europa-Abgeordnete Bernd Posselt, der den Anti-Straßburg-Bericht eine „Mogelpackung“ schalt und ein „weiteres fruchtloses Schattenboxen zwischen den EU-Mitgliedstaaten“ vorhersagte. Da könnte was dran sein. Alle französischen Regierungen haben bislang Änderungen am Status quo abgelehnt. Dieses Mal aber könnte Paris auch mit einer „angemessenen Kompensierung“ zufrieden sein.

In Brüssel heißt es, hinter den Kulissen werde bereits „behutsam“ verhandelt, ob sich Staatspräsident François Hollande erweichen lassen könnte, wenn man ihm die Gebäude überlassen und eine lukrative EU-Einrichtung dafür anbieten würde — beispielsweise die bereits angedachte europäische Universität. Vor sechs Jahren hatten entsprechende Berichte zu einem erbitterten Widerspruch des damaligen Premiers Dominique de Villepin geführt. Ob das nun anders sein wird? Nun wird es wohl an Parlamentspräsident Martin Schulz sein, diese Entschließung den Staats- und Regierungschefs bei einem der nächsten Brüsseler Gipfeltreffen näherzubringen. (Kommentar Seite 2)

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