EU-Ratschef beruft Sondergipfel zu Belarus ein

17.8.2020, 12:23 Uhr
Alexander Lukaschenko, Präsident von Weißrussland (Belarus), spricht bei einer Kundgebung vor dem Minsker Radschlepperwerk. Lukaschenko bezeichnete die Streiks als "unbedeutend".

© Nikolai Petrov, dpa Alexander Lukaschenko, Präsident von Weißrussland (Belarus), spricht bei einer Kundgebung vor dem Minsker Radschlepperwerk. Lukaschenko bezeichnete die Streiks als "unbedeutend".

Angesichts der Massenproteste nach der Präsidentenwahl in Weißrussland (Belarus) hat EU-Ratschef Charles Michel für Mittwoch (12.00 Uhr) einen EU-Videogipfel angesetzt. Die Menschen in Belarus hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.

Am Freitag hatten die EU wegen der Polizeigewalt in Weißrussland bereits neue Sanktionen gegen Unterstützer des Staatschefs Alexander Lukaschenko auf den Weg gebracht. Zudem soll es Strafmaßnahmen gegen Personen geben, die für eine Fälschung der Präsidentenwahl verantwortlich gemacht werden.

Lukaschenko lehnt Neuwahlen ab

Derweil hat Staatschef Alexander Lukaschenko trotz der Massenprotesten in seinem Land Neuwahlen abgelehnt. Es werde keine geben, sagte der Präsident am Montag bei einem Besuch des staatlichen Fahrzeugherstellers MZKT in Minsk der Staatsagentur Belta zufolge. "Sie werden nicht erwarten, dass ich etwas unter Druck mache." Ähnlich hatte er sich bereits am Sonntag geäußert und Fälschungsvorwürfe bei der Präsidentenwahl vor gut einer Woche zurückgewiesen. Seit der Wahl kommt es landesweit zu Demonstrationen.

Zugleich signalisierte er Reformbereitschaft. Derzeit werde an der Option einer Verfassungsänderung gearbeitet, die eine Umverteilung der Macht vorsehe, wird Lukaschenko von der Staatsagentur zitiert, ohne Details zu nennen. Er sei bereit, Befugnisse zu teilen, "aber nicht unter Druck und nicht über die Straße".


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Zu Wochenbeginn traten Arbeiter in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Die Fabriken gelten in der Ex-Sowjetrepublik als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann.

Die Staatsagentur Belta behauptete am Montag, dass die Werke im Land «im Großen und Ganzen funktionieren». Lukaschenko sagte: "Diejenigen, die arbeiten wollen, sollen arbeiten. Wenn nicht, dann werden wir sie auch nicht dazu zwingen." Wenn 150 oder sogar 200 Menschen streikten, dann habe das keinen Einfluss auf den Betrieb.

Proteste auch in Betrieben

Lukaschenko flog am Vormittag mit einem Hubschrauber auf das Werksgelände. Während der Rede riefen ihm die Beschäftigten "Hau ab" entgegen, wie in Videos zu sehen war. Im Nachrichtenkanal Telegram gab es Aufnahmen von Versammlungen in Betrieben und Mitarbeiter, die ihre Fabriken verlassen hatten und auf der Straße demonstrierten.

Auch das Staatsfernsehen hatte am Montag Sendeprobleme, weil Mitarbeiter entweder streikten oder prominente Moderatoren gekündigt haben. Für den Abend war in der Hauptstadt Minsk eine neue Großkundgebung geplant. Bereits am Sonntag demonstrierten im Stadtzentrum Hunderttausende gegen Gewalt und Willkür unter Lukaschenko. Viele forderten auch seinen Rücktritt und Neuwahlen.

Briten erkennen Wahl nicht an

Großbritannien teilte am Montag mit, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Der britische Außenminister Dominic Raab sprach im Kurznachrichtendienst Twitter von „Betrug“ und „schweren Mängeln“. Raab kritisierte auch die Unterdrückung der friedlichen Proteste nach der Wahl. Er forderte eine Untersuchung und drohte, gemeinsam mit anderen Ländern Sanktionen zu beschließen.


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Seit der umstrittenen Präsidentenwahl vor etwa einer Woche kommt es landesweit zu Protesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko. Er soll nach offiziellen Angaben die Wahl mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja hatte Belarus aus Angst um ihre Sicherheit verlassen. Ihre Unterstützer sehen sie als die eigentliche Gewinnerin der Wahl.

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