"Symptome ungewöhnlich aber mild"

Fälle, Verlauf und Symptome: Was wir über die neue Omikron-Variante wissen - und was nicht

28.11.2021, 11:12 Uhr
Die neue Corona-Variante Omikron, die als erstes in Südafrika entdeckt wurde, bereitet derzeit weltweit Sorgen. Viele Fragen sind noch ungeklärt. 

© Tom Weller/dpa Die neue Corona-Variante Omikron, die als erstes in Südafrika entdeckt wurde, bereitet derzeit weltweit Sorgen. Viele Fragen sind noch ungeklärt. 

Angesichts einer neuen im südlichen Afrika entdeckten Coronavirus-Variante (B.1.1.529) wächst die Beunruhigung auch in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten nun fieberhaft daran, die wichtigsten Fragen zu klären. Dazu gehört auch: Wie ansteckend ist die neue Variante? Wie gut schützen unsere Impfstoffe oder eine bisher durchgemachte Infektion von einer Ansteckung? Und was sind die Symptome? Viele dieser Fragen sind bisher noch nicht vollends geklärt, wir geben einen Überblick:

Neue Variante heißt Omikron

Nach ihrer Entdeckung hatte die neue Virus-Variante zunächst den Namen B.1.1.529 getragen. Am Freitagabend allerdings stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sie als "besorgniserregend" ein, weshalb sie jetzt eine neue Bezeichnung trägt: Omikron, der 15. Buchstabe des griechischen Alphabets. "Es wird ein paar Wochen dauern, bis wir verstehen, welchen Einfluss diese Variante hat", erklärte WHO-Expertin Maria van Kerkhove am Donnerstag.

Woher kommt die Variante? Wo ist sie bereits aufgetreten?

Die Spur führt zurück auf eine Probe in Botswana am 11. November, die genauen Untersuchungen dazu laufen jedoch noch. Das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten teilte am Donnerstag mit, es seien in Südafrika 22 Fälle der neuen Variante B.1.1.529 nachgewiesen worden.

Inzwischen ist die Variante auch in Deutschland angekommen. In München sind nach Angaben des zuständigen Max-von-Pettenkofer-Instituts zwei Fälle der neuen Omikron-Variante nachgewiesen worden. Nach Auskunft des Institutsleiters und Virologen Oliver Keppler steht eine Genomsequenzierung noch aus. Aber es sei "zweifelsfrei bewiesen, dass es sich um diese Variante handelt", sagte er am Samstag auf Anfrage.

Die beiden Reisenden seien am 24. November mit einem Flug aus Südafrika eingetroffen, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Wegen der Variante stuft die Bundesregierung Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho von diesem Sonntag, 0.00 Uhr, an als Virusvariantengebiete ein, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagabend mitteilte.

In Belgien gab es den erste nachgewiesenen Fall in Europa. Zwei bestätigte Omikron-Fälle in Hongkong weisen offenbar eine sehr schnell steigende Viruslast auf. Auch in Großbritannien wurden am Sonntag zwei Omikron-Fälle bekannt. Auch in Australien wurden am Sonntag erstmals zwei bestätigte Fälle der Corona-Variante Omikron bekannt. Auch in Israel wurde eine Infektion mit der neuen Virusvariante nachgewiesen

Wie gefährlich ist die neue Variante?

Das steht noch nicht genau fest. Ersten Erkenntnissen zufolge seien die 30 Mutationen der Variante leichter übertragbar und Impfstoffe weniger wirksam.

Der Virologe Christian Drosten hält eine Bewertung noch für verfrüht. Es sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die Ausbreitung ist. Auch, ob das Virus schwere oder milde Krankheitsverläufe auslösen kann, sei derzeit noch nicht erwiesen, sagte auch die Virologin Viola Priesemann.

Fakt ist aber: Omikron breitet sich um ein Vielfaches schneller aus als die Delta-Variante und dominiert so in Südafrika das Infektionsgeschehen, wie auch Grafiken zeigen.

Symptome: Wie wirkt sich Omikron aus?

Die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, Angélique Coetzee, sagte der BBC, dass die bisher in ihrem Land festgestellten Fälle nicht schwerwiegend seien. Allerdings seien die Untersuchungen zu dieser Variante noch in einem sehr frühen Stadium.

"Die Patienten klagen meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit, extreme Müdigkeit, und wir sehen es bei der jüngeren Generation, nicht bei den älteren Menschen", sagte sie. Es handele sich nicht um Patienten, die direkt in ein Krankenhaus eingeliefert würden, sagte Coetzee.

Dem "Telegraph" sagte sie, man müsse sich aber Sorgen machen, dass die neue Variante ältere Menschen, die zusätzlich an Diabetes oder Herzkrankheiten litten, viel härter treffen könnte. In Südafrika sind nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt.

Sie fügte hinzu, die Symptome der neuen Variante seien zwar ungewöhnlich, aber mild. Sie sei zum ersten Mal auf die Möglichkeit einer neuen Variante aufmerksam gemacht worden, als Anfang November Patienten mit ungewöhnlichen Covid-19-Symptomen in ihre Praxis in Pretoria gekommen seien. Sie hätten unter starker Müdigkeit gelitten. Keiner von ihnen habe einen Geschmacks- oder Geruchsverlust beklagt. "Ihre Symptome waren so anders und milder als die, die ich zuvor behandelt hatte". Coetzee war den Angaben zufolge die erste südafrikanische Ärztin, die die Behörden am 18. November auf Patienten mit einer neuen Variante aufmerksam gemacht hatte.

Schützen die Impfstoffe gegen die Variante?

"Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht", sagt Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel (Schweiz). "Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, so dass eine dritte Dosis umso wichtiger wird." Auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) geht nicht davon aus, dass die Impfung sich als nutzlos erweist. "Es kann sein, dass die Schutzwirkung abnimmt, aber wir sind nicht schutzlos."

Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech hat als Reaktion auf das Bekanntwerden der Variante neue Untersuchungen gestartet. Die Daten aus nun laufenden Labortests würden Aufschluss geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich werde, wenn sich diese Variante international verbreite. Man rechne spätestens in zwei Wochen mit Erkenntnissen.

Laut Virologe Weber könnten vor allem die vorhandenen Antikörper-Therapien durch die neue Variante beeinträchtigt werden. Bei dieser Behandlung bekommen Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf möglichst rasch nach der Infektion einen Antikörper-Cocktail verabreicht. Anders als die Impfstoffe zielen die Antikörper nur gegen einige wenige Merkmale des Spike-Proteins auf der Virusoberfläche. Sie verlieren also ihre Wirkung, wenn sich genau dieses Merkmal verändert.

Was ist Experten zufolge jetzt zu tun?

Auch wenn die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe bei der neuen Corona-Variante Omikron nach bisher bekannten Daten geringer sein könnte: Die Impfung bleibt auch in diesem Fall die beste Option, wie Experten betonen. "Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben", betonte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), am Samstag in Berlin bei einem virtuellen Bürgerdialog. Sie hätten auf jeden Fall schon einen gewissen Impfschutz, das sei entscheidend zu wissen.

Ziel müsse es sein, den Eintrag dieser Variante so weit wie möglich zu vermeiden, sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin. "Das ist das Letzte, was wir jetzt in unserer momentanen Lage noch brauchen können, dass in die Welle hinein noch eine zusätzliche Variante kommt." Spahn forderte alle Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Südafrika und der Region nach Deutschland gekommen sind, dazu auf, sich mit einem PCR-Test sicherheitshalber auf das Virus testen zu lassen.

Zusätzlich zu den Reisebeschränkungen müsse die Erforschung der Virusvariante nun vorangetrieben werden, sagt DGfI-Generalsekretär Watzl. Über Laboruntersuchungen sei feststellbar, ob sich die Immunantwort auf den neuen Virustyp verändert hat. In zwei bis drei Wochen könne man mit ersten Ergebnissen rechnen. Erst später werde sich über größere Studien in der Bevölkerung herausstellen, ob die Variante ansteckender sei als andere und ob sie den Krankheitsverlauf beeinflusse.

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