Gauland zieht sich aus AfD-Parteispitze zurück

27.11.2019, 21:22 Uhr
Gauland räumt seinen Posten an der Parteispitze. Die AfD steht vor einem turbulenten Parteitag.

© ODD ANDERSEN, AFP Gauland räumt seinen Posten an der Parteispitze. Die AfD steht vor einem turbulenten Parteitag.

Wenn die AfD an diesem Samstag einen neuen Bundesvorstand wählt, wird es spannend. Denn Alexander Gauland, der den "gärigen Haufen" AfD seit Jahren erfolgreich zusammenhält, will sich aus der Parteispitze zurückziehen. Für ihn könnte Tino Chrupalla in die erste Reihe rücken – das hoffen zumindest einige in der AfD, nicht zuletzt Gauland selbst. Auch der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen, dessen Wiederwahl als wahrscheinlich gilt, wäre mit dieser Lösung nicht unglücklich.

Programmatische Entscheidungen stehen auf dem zweitägigen Bundesparteitag in Braunschweig nicht an. Doch auch daran, wen die Delegierten diesmal in den Vorstand und ins Bundesschiedsgericht wählen, wird sich ablesen lassen, welchen Kurs die Partei der Protestwähler und Migrationsgegner in Zukunft einschlagen wird. Das Feld der Bewerber um die zwei Spitzenposten ist in den vergangenen Tagen noch einmal unübersichtlicher geworden. Vor allem der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio hat die Planungen für den AfD-Bundesparteitag mit seiner Last-Minute-Kandidatur noch einmal kräftig durcheinandergewirbelt.

Die Kandidaten im Überblick

Jörg Meuthen (58) steht seit Juli 2015 an der Spitze der AfD - anfangs als Co-Vorsitzender neben Frauke Petry, seit zwei Jahren führt er die Partei zusammen mit Alexander Gauland. Seine Wiederwahl ziehen nur wenige AfD-Mitglieder ernsthaft in Zweifel. Dass er so viel Zuspruch erhalten wird wie beim Parteitag in Hannover im Dezember 2017 – damals stimmten 72 Prozent der Delegierten für ihn - gilt allerdings als unwahrscheinlich. Das liegt auch daran, dass er in den vergangenen Monaten etwas auf Distanz zum rechtsnationalen "Flügel" des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke gegangen war. Meuthen selbst schätzt, dass sich etwa 30 Prozent der AfD-Mitglieder dem "Flügel" zugehörig fühlen oder mit der Strömung sympathisieren. Vor zwei Jahren trat Meuthen ohne Gegenkandidaten an.

Nicole Höchst (49) aus Rheinland-Pfalz könnte Meuthen dieses Mal einige Stimmen abjagen. Die Bundestagsabgeordnete betont zwar ihre Unabhängigkeit. Hinter den Kulissen heißt es jedoch, etliche "Flügel"-Anhänger könnten ihr die Stimme geben, um Meuthen einen Denkzettel zu verpassen. Zu den Themen, mit denen sich die frühere Lehrerin als Abgeordnete beschäftigt, gehören Sexualaufklärung in der Schule und Digitalisierung im Bildungswesen.

Tino Chrupalla (44) war eine Zeit lang kaum aufzuhalten. Bei der Bundestagswahl 2017 jagte der Malermeister dem heutigen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Görlitz das Direktmandat ab. Die Fraktion hat ihn im September als stellvertretenden Vorsitzenden im Amt bestätigt. Zu Alexander Gauland hat Chrupalla einen guten Draht. Für den Familienvater aus Sachsen spricht auch, dass Meuthen sagt, er könne sich eine Zusammenarbeit mit ihm gut vorstellen. Denn nach den schlechten Erfahrungen, die man in der AfD mit dem notorisch zerstrittenen Führungsduo Jörg Meuthen/Frauke Petry gemacht hat, gilt ein Mindestmaß an Harmonie als wünschenswert.

Dana Guth (49), die wahrscheinlich gegen Chrupalla antreten will, kennt ihren Konkurrenten aus Sachsen noch nicht persönlich. Die Fraktionsvorsitzende der AfD im niedersächsischen Landtag wird innerparteilich dem Lager der Gemäßigten zugerechnet. Ihr Handicap ist, dass die Ost-Verbände nach den zurückliegenden Landtagswahlen für den Osten mehr Macht im Bundesvorstand reklamieren. Allerdings stammt auch Guth aus dem Osten, ist in der DDR geboren.

Gottfried Curio (59) hat seine Kandidatur für den Vorsitz erst eine Woche vor dem Parteitag angekündigt. Dem Vernehmen nach will der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion nicht gegen Meuthen antreten, sondern auch gegen Chrupalla kandidieren. Im Gegensatz zu ihm verfügt Curio nicht über ein dichtes Netzwerk persönlicher Kontakte in der Partei. Anders als bei Chrupalla hat sich bislang auch keiner der bekannten Spitzenpolitiker der Partei hinter seine Kandidatur gestellt. Allerdings: Curio hat es durch seine stets im harten Stakkato vorgetragenen Bundestagsreden zu Migrationsthemen zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Von Anhängern der AfD wird der Physiker und Komponist dafür regelrecht gefeiert.

Alexander Gauland (78) ist der Joker in diesem Spiel. Er wird zwar nach bisheriger Planung nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Sollte sich Chrupalla jedoch nicht durchsetzen und erneut eine Patt-Situation wie bei dem Bundesparteitag vor zwei Jahren in Hannover entstehen, könnte er womöglich doch noch antreten.

Wird die Unvereinbarkeitsliste abgeschafft?

Im Dezember 2017 wäre die Überraschungskandidatin Doris von Sayn-Wittgenstein um ein Haar Parteivorsitzende neben Meuthen geworden. Die damals unter den Delegierten noch weitgehend unbekannte Frau aus Schleswig-Holstein kandidierte gegen den Berliner Landeschef Georg Pazderski. Als kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhielt, trat Gauland im nächsten Wahlgang an. Daraufhin zog Sayn-Wittgenstein ihre Kandidatur zurück. Sie wurde vor einigen Wochen aus der Partei ausgeschlossen. Der Bundesvorstand begründete seinen Ausschlussantrag unter anderem mit Kontakten zu dem rechtsextremistischen Verein Gedächtnisstätte, der auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der Partei steht.

Aus dem rechten Parteiflügel kommt jetzt der Vorschlag, diese Liste abzuschaffen. Die Parteitagsdelegierten sollen in Braunschweig über einen entsprechenden Antrag abstimmen. Bisher ist es so, dass Menschen, die einer Partei oder Gruppierung angehören, die auf dieser Liste stehen, nicht in die AfD aufgenommen werden dürfen. Das gilt in der Regel auch für frühere Mitgliedschaften. Und noch ein zweites strittiges Thema dürfte in Braunschweig auf den Tisch kommen: die Frage wer für die vom Bundestag verhängten Strafzahlungen in der Affäre um Spender mit Kontakten in die Schweiz aufkommen soll.

Hier geht es um Werbemaßnahmen zugunsten von Meuthen und Guido Reil sowie um einen inzwischen zurückgezahlten Betrag für den Bundestagswahlkampf von Weidel. Ein Antrag sieht vor, dass "wer vorsätzlich durch schuldhaftes Finanzgebahren die Partei zu Strafzahlungen zwingt oder von staatlichen Geldzuwendungen abhält" dafür in Zukunft persönlich haften soll. Ein zweiter Antrag fordert, dass der jeweilige Landesverband für die Kosten geradesteht.

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