Griechenland-Krise: Euro sackt ab, der Dax schwächelt

29.6.2015, 16:00 Uhr
Griechenland-Krise: Euro sackt ab, der Dax schwächelt

© dpa

+++ Abstimmung in Griechenland am 5. Juli

+++ Juncker zeigt sich von Tsipras enttäuscht

+++ Banken könnten Donnerstag wieder öffnen

+++ Euro bleibt robust

Die dramatische Zuspitzung der Griechenland-Krise mit Bankenschließungen und wenig Aussicht auf einen neuen Kompromiss hat am Montag die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt. Zum Handelsauftakt an den europäischen Börsen rutschten die Kurse tief ins Minus, erholten sich dann aber wieder etwas. In Athen hatte die Börse gar nicht erst aufgemacht. Der deutsche Leitindex Dax rutschte zum Start um mehr als vier Prozent ab, mittags lag der Rückgang im Vergleich zum Freitag noch bei gut drei Prozent. Der Euro-Wechselkurs konnte sich ebenfalls wieder etwas fangen und lag zuletzt bei gut 1,11 Dollar und damit knapp einen Cent im Minus.

Die Banken in Griechenland könnten bereits am Donnerstag wieder öffnen und damit früher als bisher geplant, sagt ein Vertreter der Regierung in Athen. Rund 850 Bankfilialen würden in dem Fall für die Auszahlung von Renten und Pensionen öffnen. Vorher hieß es, in Griechenland blieben Banken und Börse bis Anfang kommender Woche geschlossen. Regierungschef Alexis Tsipras hatte die Schließung der Finanzinstitute und die Einführung sogenannter Kapitalverkehrskontrollen am Sonntagabend in einer emotionalen Rede angekündigt.

In den vergangenen Tagen hatten immer mehr verängstigte Bürger Bargeld abgehoben und damit die Geldhäuser in Schwierigkeiten gebracht. An Geldautomaten dürfen Griechen seit Montag maximal 60 Euro pro Tag abheben, für ausländische Bankkarten soll die Beschränkung aber nicht gelten. Dennoch riet das Auswärtige Amt deutschen Griechenland-Besuchern bereits am Sonntag, ausreichend Bargeld mitzunehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am frühen Nachmittag mit den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien über die jüngsten Entwicklungen in Griechenland beraten und anschließend mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) eine Erklärung abgeben. US-Präsident Barack Obama und Merkel drückten in einem Telefonat ihre Besorgnis aus. Beide Seiten hielten es für äußerst wichtig, alles zu unternehmen, dass Griechenland innerhalb der Eurozone Reformen umsetzen und Wachstum erzielen kann, teilte das Weiße Haus mit.

Hilfsprogramm läuft aus

Tsipras hatte für Sonntag (5.7.) eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt. Daraufhin brachen die Euro-Finanzminister am Samstag ihre Verhandlungen mit Athen ab. Das laufende Hilfsprogramm läuft damit am Dienstag aus, ohne dass Griechenland noch ausstehende Milliardenkredite erhält. Damit wird es für das hochverschuldete Land praktisch unmöglich, eine Rückzahlung über 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu leisten. Denkbar sind damit auch der Staatsbankrott und das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ("Grexit"), das die Regierung aber verhindern will.

Das griechische Parlament hat nach 14-stündiger Debatte mit deutlicher Mehrheit für eine Volksabstimmung über das von den internationalen Geldgebern vorgeschlagene Sparprogramm gestimmt. Neben der Regierungsmehrheit der Linkspartei Syriza und den rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ votierten in der Nacht zum Sonntag auch die Rechtsextremisten der „Goldenen Morgenröte“ für das Referendum am 5. Juli.

Worüber genau das griechische Volk am kommenden Sonntag abstimmen soll, war zunächst gar nicht klar. Die griechische Regierung wollte die genaue Frage spätestens am Dienstag vorlegen, sagte der Syriza-Politiker Giorgos Chondros der Nachrichtenseite n-tv.de am Montag. Zugleich erklärte er, dass der Tenor klar sei: "Die Frage, die die Griechen beantworten werden, ist, ob sie weiter Maßnahmen hinnehmen wollen, die auf eine noch stärkere Rezession hinauslaufen, auf noch mehr Kürzungen und Einsparungen."

Tsipras ruft zur Besonnenheit auf

Ministerpräsident Tsipras rief seine Landsleute trotz der Maßnahmen zu Besonnenheit auf. "Geldeinlagen in griechischen Banken sind absolut sicher", sagte er. Gehälter und Renten seien "garantiert". In den kommenden Tagen seien Geduld und Gelassenheit nötig. Die kritische Situation könne überwunden werden. Bislang hat mit Zypern erst ein Euroland jemals Kapitalverkehrskontrollen verhängt.

Zunächst hatten die Börsen in Asien auf die Zuspitzung der Krise reagiert. In Japan verlor der Nikkei-Index zum Handelsschluss 2,88 Prozent auf 20.109,95 Zähler. Beim Dax lag der Kurssturz nach Öfnung der Börsen bei beachtlichen 4,12 Prozent auf 11.010,38 Punkte, der Leitindex der Eurzone, der EuroStoxx50, gab sogar um 4,66 Prozent nach. Die Griechenland-Krise dämpfte auch den Ölpreis. Anleger flüchteten in die als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen. In Ländern wie Italien, Spanien und Portugal legten die Risikoaufschläge für Staatspapiere dagegen spürbar zu.

Als Auslöser für die Bankschließungen und Kapitalverkehrskontrollen gilt der Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Sonntag, die Notkredite für griechische Banken zunächst einzufrieren. Dies setzt die Kreditinstitute unter Druck, da der bewilligte Kreditrahmen dem Vernehmen nach bereits ausgeschöpft war. Noch fataler wäre jedoch eine Entscheidung gewesen, die Notfall-Liquiditätshilfen (Ela) ganz zu kappen. Denn streng genommen dürfen diese Kredite nur an Banken vergeben werden, die einen vorübergehenden finanziellen Engpass haben - was im Fall Griechenland umstritten ist. Die EZB will nun am Mittwoch wieder über die Ela-Kredite entscheiden.

Juncker appelliert an Grichen: "Sagt Ja!"

 In einem flammenden Appell hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker die Griechen aufgerufen, das vorschlagene Spar- und Reformpaket der Geldgeber zu billigen. "Ein "Nein" würde ein Nein zu Europa heißen", sagte Juncker am Montag in Brüssel. Bisher empfiehlt der griechische Premier Alexis Tsipras seinen Landsleuten, in dem für Sonntag (5. Juli) angesetzten Referendum, das Sparpaket abzulehnen. "Das ist kein stupides Sparpaket", sagte der Luxemburger.

Juncker äußerte sich in seinem streckenweise sehr emotionalen Statement persönlich enttäuscht über Tsipras. Dieser habe ihn in der vergangenen Woche in stundenlangen Verhandlungen nicht darüber informiert, am Sonntag eine Volksabstimmung abzuhalten. "Das kam für mich als eine Überraschung."

Dieser Artikel wurde zuletzt am 29. Juni, um 16 Uhr aktualisiert

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