Jubelfeiern in Libyen: Gaddafi vor dem Ende

22.8.2011, 11:08 Uhr
Jubelfeiern in Libyen: Gaddafi vor dem Ende

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Rebellenkämpfer lieferten sich am Montag schwere Gefechte um die Residenz Gaddafis in der Hauptstadt Tripolis, ohne dass der Aufenthaltsort des seit 42 Jahren herrschenden Gaddafi bekannt war. Ein dpa-Mitarbeiter berichtete am Vormittag, es seien Schüsse und schwere Detonationen zu hören.

Zwei Söhne des Despoten wurden festgenommen, ein dritter unter Hausarrest gestellt. Nachdem es in der Nacht Jubelfeiern im Zentrum der Hauptstadt gegeben hatte, harrten Zivilisten am Montag in ihren Wohnungen aus.

 

In der Hoffnung auf ein schnelles Ende des Konflikts im Ölförderland Libyen sanken am Montag die Ölpreise weiter. Libyen ist Mitglied der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) und musste die Ölförderung wegen des Bürgerkriegs in den vergangenen Monaten zeitweise einstellen.

 

Die Aufständischen meldeten auf ihren Internetseiten, dass sie größere Teile von Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Kämpfe gebe es noch um das Gebäude des Staatsfernsehens. Der Mobilfunkanbieter Libyana sei von Rebellenkämpfern besetzt. Unterdessen berichteten Einwohner, dass in der Hauptstadt das Internet wieder funktioniere. Es gebe weiter Wasser und Strom.

 

Die Leibgarde von Gaddafi habe die Waffen gestreckt, berichteten Sprecher der Aufständischen im Sender Al-Dschasira. Anhänger Gaddafis kämpfen aber in mehreren Widerstandsnestern gegen die Aufständischen. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete unter Berufung auf die Führung der Aufständischen, dass Panzer aus dem Hauptquartier Bab Al-Asisija in Tripolis vorstießen. Dabei feuerten sie auf Zivilisten.

Am frühen Montagmorgen brachten die Rebellen auch den Grünen Platz im Herzen von Tripolis unter ihre Kontrolle. Fernsehsender zeigten Hunderte von Menschen, die auf dem Platz in der Nähe des Anwesens von Gaddafi feierten und Freudenschüsse abgaben. In der Rebellenhochburg Bengasi und anderen Städten wurden in der Nacht Feuerwerkskörper gezündet und Freudenschüsse abgefeuert.

 

US-Präsident Barack Obama sieht Libyen vor dem Wendepunkt. Tripolis entgleite dem „Griff eines Tyrannen“, das Regime zeige Anzeichen des Zusammenbruchs, erklärte Obama am Sonntagabend (Ortszeit) nach einer Mitteilung des Weißen Hauses in Washington. Der sicherste Weg, um das Blutvergießen zu beenden, sei einfach: „Muammar al-Gaddafi und sein Regime müssen erkennen, dass ihre Herrschaft zu einem Ende gekommen ist.“

 

Aus den Szenen in Tripolis sei ersichtlich, „dass das Ende für Gaddafi nahe ist“, heißt es in einer Erklärung des britischen Premiers David Cameron. Auch die Nato rechnet mit einem schnellen Ende des Regimes. „Heute können wir anfangen, eine neue Zukunft aufzubauen“, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in der Nacht zum Montag in Brüssel. „Das Gaddafi-Regime bröckelt eindeutig.“

 

Rasmussen forderte Gaddafi und seine Truppen auf, die Macht niederzulegen. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein neues Libyen zu schaffen – einen Staat, der auf Frieden beruht, nicht auf Angst; Demokratie, nicht Diktatur; dem Willen aller, nicht den Launen weniger.“

Jubelfeiern in Libyen: Gaddafi vor dem Ende

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Im Westen von Tripolis nahmen die Rebellen laut Al-Dschasira drei Söhne von Gaddafi gefangen, darunter den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Saif al-Islam. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder Al-Saadi in einem Touristendorf festgesetzt worden, berichtete ein Sprecher der Aufständischen, Abu Bakr al-Tarbulsi.

Der älteste Sohn, Mohammed al-Gaddafi, wurde in seinem Anwesen unter Hausarrest gestellt. Die Aufständischen würden für seine Sicherheit garantieren, sagte Mohammed al-Gaddafi in der Nacht zum Montag in einem Telefoninterview des Fernsehsenders Al-Dschasira.

Gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und seinen Schwager, den Geheimdienstchef Abdullah Senussi, liegen internationale Haftbefehle vor. Ihnen werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) rief den libyschen Übergangsrat in Bengasi deshalb auf, Saif al-Islam nach Den Haag zu überstellen.

Gaddafi selbst wandte sich am späten Sonntagabend zum dritten Mal an diesem Tag an seine Anhänger. In einer Audio-Botschaft beschwor er im Staatsfernsehen seine Gefolgsleute: „Ihr müsst auf die Straße gehen, um die Ratten und Verräter zu bekämpfen. Alle Stämme müssen nach Tripolis marschieren, um es zu beschützen. Wenn nicht, werdet Ihr Sklaven der Kolonialisten werden.“ Plötzlich stoppte seine Stimme. Für die Unterbrechung der Nachricht gab es keine Erklärung. Unklar war, von wo aus Gaddafi gesprochen hatte.

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