Juristen ebneten Bush und Cheney den Weg zur Folter

9.12.2014, 20:22 Uhr
Juristen ebneten Bush und Cheney den Weg zur Folter

© Foto: dpa

Der pragmatische Realismus, der Cheney in den 90er Jahren etwa vor einem Regimewechsel im Irak warnen lässt, ist verschwunden, einer seltsamen Aggressivität gewichen. Ein einziges Szenario bestimmt fortan Cheneys Denken, das schlimmste Szenario: ein Anschlag mit Massenvernichtungswaffen.

„Dunkle Seite"

Um eine solche Attacke zu verhindern, sagt Cheney, „müssen wir auf der dunklen Seite arbeiten“. Hinter der Formulierung verbirgt sich: Die USA würden im „Krieg gegen den Terror“ foltern, wenn das der Preis ist für die Verhinderung von Anschlägen.

Um den Einsatz der „harschen Verhörmethoden“, wie sie die Regierung nennt, juristisch zu rechtfertigen, lässt das Justizministerium Gutachten anfertigen. Terroristen seien „unrechtmäßige Kombattanten“ und könnten sich demnach nicht auf die Genfer Konvention berufen, die Kriegsgefangene schützt, heißt es in einem der Memos.

Auch Militärtribunale, die die Exekutive von der Anklage bis zur Verurteilung allein in der Hand hält, seien gegen Al-Kaida-Kämpfer zulässig. Ebenso wie harsche Verhörtechniken: Folter, schreiben die Juristen im August 2002, liege nur vor, wenn der physische Schmerz des Verhörten so groß ist, wie wenn dieser unter Organversagen leiden würde.

Zehn Verhörtechniken werden für legal erklärt, darunter Schlafentzug, stundenlanges Verharren in anstrengenden Positionen und Waterboarding, bei dem der Verhörte das Gefühl hat zu ertrinken. Techniken, die aus einem Programm stammen, in dem US-Soldaten trainieren, Folter zu überstehen.

Im März 2003 geht der Jurist John Yoo, der die meisten der Rechtsgutachten verfasst, noch einen Schritt weiter. Handlungen, die der Präsident zum Schutz der Bürger anordnet, können gar nicht illegal sein, weil ihn die Verfassung ja zu diesem Schutz verpflichte, schreibt er.

Eingesetzt werden die Verhörmethoden zunächst von CIA-Agenten, die Inhaftierte für die Verhöre ins Ausland fliegen, nach Ägypten, Usbekistan oder nach Polen. Abu Zubaydah etwa, Al Kaidas Logistikchef, sperren die Agenten in eine dunkle Kiste voller Insekten – das Ausnutzen solcher Phobien wird zur Praxis.

Manches Mal überlassen die Agenten die Folter Staaten wie Syrien. Laut UN-Antifolterkonvention ist es zwar verboten, Menschen in Länder zu bringen, in denen ihnen Folter droht. Doch die Konvention, heißt es in einem der vielen Rechtsgutachten, gelte nur für Kriegsgefangene, nicht aber für die „unrechtmäßigen Kombattanten“ der Al Kaida.

Bis nach Abu Ghraib

Nachrichten von angeblichen Verhörerfolgen der CIA erreichen schließlich die US-Kräfte am Stützpunkt Guantanamo, wo seit dem 11. September Terrorverdächtige festgehalten werden. Auch sie wollen die Techniken anwenden — und erhalten grünes Licht. Ebenso die Soldaten, die nach der Entmachtung Saddam Husseins im irakischen Gefängnis Abu Ghraib eingesetzt sind.

In Abu Ghraib eskaliert die Situation. G.I.s bedrohen Gefangene mit Hunden, machen Fotos von ihnen in demütigenden Posen. Fotos, die 2004 um die Welt gehen. Die Bush-Administration spricht von Entgleisungen Einzelner. Später heißt es in einem Senatsbericht: Die Übergriffe sind direkte Folge von Entscheidungen der Regierung.

Dick Cheney verteidigt die Verhörmethoden bis heute. Das Programm sei „vollkommen gerechtfertigt“, so der 73-Jährige zur New York Times. Sein Zeuge: die Geschichte. Nach 9/11 seien Angriffe mit Massenvernichtungswaffen ja ausgeblieben.

Keine Kommentare