Kanzlerin über Beinahe-Lockdown: "Harte und belastende Maßnahmen"

28.10.2020, 18:58 Uhr

Bodo Ramelow soll derjenige gewesen sein, der am schwersten zu überzeugen war. Überraschend war das nicht, denn der thüringische Ministerpräsident ist schon seit Monaten einer der größten Skeptiker, wenn es um die Verschärfung der Corona-Maßnahmen geht. Und diese Linie hat er offensichtlich auch bei der jüngsten Videokonferenz mit der Bundeskanzlerin und seinen 15 Kolleg(inn)en aus den Bundesländern beibehalten. Es gab dann aber am Ende trotzdem ein gemeinsames Ergebnis.

Schon im Vorfeld der Besprechung hatte Ramelow angekündigt, dass er einen Beinahe-Lockdown mit dem Herunterfahren von Gastronomie, Sport und Kultur nicht so ohne weiteres zustimmen werde. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hatte den Begriff des "nationalen Gesundheitsnotstandes" ins Spiel gebracht. Er war der Meinung, dass die Einschränkungen von den Ländern besser vertreten werden könnten und letztlich auch "gerichtsfester" seien, wenn man angesichts der steigenden Infektionszahlen mit einem solchen Notstand argumentiert, der ein eher einheitliches bundesweites Handeln erlaube.


Kommentar zum Lockdown light: Ein sehr riskantes Experiment


Rechtlich ist der Begriff nicht ganz unkompliziert, denn den "nationalen Gesundheitsnotstand" gibt es in der Form nicht, sondern nur die sogenannten Notstandsgesetze. Sie erlauben es dem Bund, im Falle einer äußeren oder inneren Krise Anweisungen zu geben, die in die Grundrechte der Menschen eingreifen. Angela Merkel verwendete bei ihrer Pressekonferenz die Formulierung der "akuten nationalen Gesundheitsnotlage".

Virologe Streek zweifelt an einem Lockdown

Während die 17 Regierungschefs virtuell tagten, wogte im Rest der Republik der Streit hin und her. Einige wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderten noch deutlich härtere Maßnahmen (Kontrollmöglichkeiten des Staates sogar in Privatwohnungen). Andere wie der Virologe Hendrik Streek warnten, sich zu sehr an die bloßen Infektionszahlen zu klammern und warnten vor einem Beinahe-Lockdown. Entscheidender sei es, die Risikogruppen besser zu schützen.

"Wir haben uns diese Maßnahmen sehr gut überlegt", stellte die Kanzlerin bei ihrer Pressekonferenz fest. Sie wandte sich ausdrücklich auch an die Betriebe, zum Beispiel der Gastronomie, die sehr viel in Hygienemaßnahmen investiert hätten. Das sei sehr wertvoll und werde auch nach den Einschränkungen im Dezember wieder wichtig sein.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte gleich nach der Sitzung persönlich gefärbt: "Das ist mir sehr schwer gefallen, heute diesen Beschluss zu tragen." Aber wenn man jetzt nicht handle, werde man viele Menschenleben verlieren. Schon jetzt betrage die Auslastung der Intensivbetten in der deutschen Hauptstadt über zehn Prozent und die Zahlenstiegen momentan nach Auskunft der Kliniken rasant.

Söder: "Das ist eine Vier-Wochen-Therapie"

"Das ist ein Tag, an den wir uns alle noch lange erinnern werden", stellte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fest. Es sei schon bemerkenswert, dass sich alle deutschen Forschungsgemeinschaften zusammengeschlossen und auf den Ernst der Lage hingewiesen hätten. Die bevorstehenden vier Wochen des Beinahe-Lockdowns seien "bitter", das wisse er. Aber man komme nicht darum herum, wenn man das Schlimmste vermeiden wolle. Söder: "Wie verordnen eine Vier-Wochen-Therapie und wir hoffen, dass diese Dosis richtig ist."

In zwei Wochen wollen die Regierungschefs darüber beraten, wie sich die Pandemie-Lage entwickelt hat. Wichtigstes Ziel: Die unkontrollierte Ausbreitung des Virus soll bis dahin schon erkennbar eingedämmt sein - unter anderem durch eine bessere Nachverfolgung der Infektionsketten.

Die Parlamente sollen nun deutlich besser einbezogen werden. Thüringen behielt sich ausdrücklich vor, den Landtag über die Frage abstimmen zu lassen. Und auch der bayerische Landtag soll sich am Freitag damit befassen.

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