Keine Radikalisierung: Verband zeigt Verständnis für Bauern-Proteste

9.3.2020, 15:50 Uhr
Bayerns Bauern machen seit Monaten mobil. Im Januar zum Beispiel rollten rund 5000 Traktoren durch Nürnberg, etwa die Hälfte davon parkte dann bei der zentralen Kundgebung vor der Kongresshalle.

© Stefan Hippel Bayerns Bauern machen seit Monaten mobil. Im Januar zum Beispiel rollten rund 5000 Traktoren durch Nürnberg, etwa die Hälfte davon parkte dann bei der zentralen Kundgebung vor der Kongresshalle.

BBV-Präsident Walter Heidl nimmt die Landwirte auch gegen den Verdacht der politischen Radikalisierung in Schutz. Die Proteste der vergangenen Wochen und Monate hätten deutlich gemacht, dass sich auf den Höfen „ein riesiger Berg an Problemen“ aufgetürmt habe, sagte Heidl. „Doch statt Lösungen werden von Seiten der Politik immer neue Vorschriften und widersinnige Regelungen auf den Weg gebracht.“


Hier gibt's den Liveticker zur Bauern-Demo in Nürnberg zum Nachlesen


Heidl verteidigt in diesem Zusammenhang die Verantwortlichen von "Land schafft Verbindung" (LsV), die sich zum Beispiel bei der großen Demonstration in Nürnberg vor einigen Wochen öffentlich distanziert hatten von der AfD. "Böse Zungen könnten auch sagen, dass versucht wird, diese Proteste in eine fragwürdige Ecke zu stellen. Und spätestens da müssen wir höllisch aufpassen, denn das kann sich die Politik nicht leisten", warnt der Funktionär.

BBV-Vizepräsident Günther Felßner gibt zu bedenken, dass man bei solchen Großveranstaltungen immer auch die Relation sehen müsse. "Bei einer Protestaktion mit über 5000 Bauern und rund 5000 Bulldogs waren genau zwei Plakate dabei, die schlicht nicht akzeptabel waren", erklärt der mittelfränkische Funktionär. Diese Pakate mussten entfernt werden, und Sebastian Dickow, der bayerische LsV-Sprecher, habe sich sofort davon distanziert. "Ich bin schon bei mehreren Demonstrationen mitgefahren und habe von dieser angeblichen Radikalisierung nichts gespürt", betont Felßner


Kommentar zu Bauernprotesten: Manche Probleme sind hausgemacht


Eine Gefahr, dass "Land schafft Verbindung" dem BBV mittelfristig den Rang als Sprachrohr der bayerischen Landwirte ablaufen könnte, sieht Walter Heidl nicht. Der Bauernverband mache die breite politische Arbeit in den verschiedensten Themenbereichen, und "Land schafft Verbindung" sehe er als wichtige Ergänzung dazu.

"Land schafft Verbindung" habe es geschafft, dass die junge Generation der Landwirte mehr Interesse an den politischen Prozessen zeigen, ergänzt Günther Felßner. "Vorher hattest du die kaum wahrgenommen im Diskurs. Jetzt sind die Jungen da, die eine politische Meinung haben. Und die äußern sie und für die marschieren sie."

Verärgerung wird immer größer

Laut Heidl haben die Landwirte momentan das Gefühl, dass sie von der Politik hingehalten würden. "Je länger nichts passiert, umso größer wird die Verärgerung", warnt er. Dass dann mit Nachdruck Lösungen eingefordert würden, dafür habe er großes Verständnis.

Das größte Reizthema in der Landwirtschaft ist zurzeit die neue Düngeverordnung, bei der nach Heidls Darstellung mit irreführenden Nitrat-Messwerten gearbeitet wird. Den bayerischen Badegewässern werde zum Beispiel jeden Sommer eine hervorragende Wasserqualität bescheinigt, 97 Prozent des Rohwassers lägen unter dem Grenzwert der EU-Grundwasserrichtlinie von 50 Milligramm pro Liter. Die Ursachen für stellenweise erhöhte Nitratwerte seien geologischer Natur und abhängig von den Niederschlagsmengen.

Die Führungsspitze des BBV kritisiert auch, dass den Landwirten die gesamten Hausaufgaben in Sachen Artenschutz aufgebürdet worden seien. "Durch das Volksbegehren wurden außer einigen Einschränkungen zur Reduzierung der Lichtverschmutzung nur Auflagen für die Bauern formuliert", moniert Walter Heidl. Er sei an Söders Rundem Tisch zum neuen Artenschutzgesetz dabei gewesen, und da seien sich alle einig gewesen: Artenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bei Maßnahmen, die auch andere Bevölkerungsgruppen treffen würden, belasse es man auch ein Jahr nach dem Volksbegehren trotzdem bei Appellen - "und das ist nicht fair".

Verbraucher ebenfalls in der Pflicht

Zum Beispiel seien Gärten, in denen hinten der Mähroboter seine Runden drehe und vorne nur Schotter liege, nach Heidls Ansicht ein Sinnbild des Problems. "Es muss sich mehr bewegen. Nicht nur bei der Flächenversiegelung, sondern auch bei der steigenden Belastung durch Mobilfunk oder den Verkehr", fordert der BBV-Funktionär

Bei einem der zentralen Punkte des neuen bayerischen Naturschutzgesetzes, dem festgeschriebenen Ziel von 30 Prozent Biolandbau im Freistaat bis 2030, sehen Heidl und Felßner deshalb auch den Verbraucher in der Pflicht. "Dieses Ziel ist ganz einfach zu erreichen, wenn der Verbraucher sein Einkaufsverhalten entsprechend ändert. Wenn der 30 Prozent Bioware kauft, die wohlgemerkt in Bayern erzeugt wurde, dann liefern ihm die Bauern das auch", sagt Heidl. Das Potenzial dafür wäre seiner Ansicht nach da: "18,4 Prozent der eintragungsberechtigten Bürger in Bayern haben für das Volksbegehren unterschrieben. Ich weiß nur nicht, ob alle, die unterschrieben haben, sich auch im Supermarkt entsprechend verhalten."

Dieser Artikel wurde am 09.03.2020 um 15.51 Uhr aktualisiert.