Kommentar zum 1. Mai: Welche Arbeit wollen wir?

1.5.2019, 11:01 Uhr
Unsere Gesellschaft könnte sich zum Beispiel darauf verständigen, nicht mehr menschliche Arbeit zu besteuern (und so zu verteuern), sondern die Arbeit von Maschinen, findet NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

© Julian Stratenschulte/dpa Unsere Gesellschaft könnte sich zum Beispiel darauf verständigen, nicht mehr menschliche Arbeit zu besteuern (und so zu verteuern), sondern die Arbeit von Maschinen, findet NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

Zum einen überschatten die Vorboten einer konjunkturellen Eintrübung den Arbeitsmarkt, die - das haben wir angesichts des vermeintlichen deutschen Dauer-Booms verlernt und verdrängt - auf jedes Hoch folgt.

Zum anderen, und das ist die folgenreichere Entwicklung, hat die Digitalisierung gerade erst begonnen, sämtliche Branchen umzukrempeln. Mit Folgen für die Beschäftigung. Wie die aussehen, das ist keineswegs unabänderlich oder eine Art Naturgesetz - auch wenn das Marktliberale gern so darstellen.

Nein: Es war und ist stets Sache der Politik, die Arbeitswelt möglichst menschenfreundlich und gerecht zu gestalten. Und zwar der Regierungs- wie der Tarifpolitik. Weder die Parteien noch Arbeitgeber wie Gewerkschaften haben bisher allerdings überzeugende Rezepte für die digitalen Zeiten präsentiert.

Antworten fehlen in der Regel

Ein Versäumnis, das die Vertrauenskrise der parlamentarischen Demokratie unnötig verschärft. Denn die Menschen merken ja, was sich da alles zu verändern beginnt. Welchen Job kann ein Rechner oder Roboter besser und billiger übernehmen? Wo entstehen neue Chancen für kreative, menschliche Köpfe? Kaum ein Betrieb, wo nicht solche Fragen auftauchen. Und wo Antworten in der Regel fehlen. Solche Antworten erwarten die Beschäftigten aber dringend: Leitplanken für die Digitalisierung.


Frühjahr bringt Bewegung in den deutschen Arbeitsmarkt


Unsere Gesellschaft könnte sich zum Beispiel darauf verständigen, nicht mehr menschliche Arbeit zu besteuern (und so zu verteuern), sondern die Arbeit von Maschinen und, mehr als bisher, die Gewinne der Finanzbranche oder/und auch die Belastung von Umwelt und Klima. Vorschläge dafür gibt es.

 

Das wäre zum einen ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme, die zu sehr auf dem Faktor menschliche Arbeit basieren. Wir könnten zum anderen dann die dramatisch unterbezahlten sozialen Berufe endlich angemessener entlohnen; digitale Technik kann, etwa in der Pflege, Unterstützung bieten und Zeit für menschliche Zuwendung.

Lernen als Chance

Wir müssen klären, wo und unter welchen Bedingungen gearbeitet werden kann und soll, Stichwort Homeoffice. Wir brauchen eine Schul- und Bildungspolitik, die Menschen den Wechsel in neue, andere Berufe ebenso erleichtert wie das lebenslange Lernen, das für zu viele noch klingt wie eine Bedrohung, obwohl es eine Chance sein muss.

"Europa - jetzt aber richtig" lautet das Motto des DGB zum 1. Mai. Angesichts der sozialen Schieflagen auf dem Kontinent gewiss eine Herausforderung. Die darf aber nicht von all den unerledigten Hausaufgaben bei der Gestaltung der neuen, durchaus offenen Arbeitswelt von morgen ablenken.

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