Letzter Konter misslingt: Bach verliert Corona-Gefecht

25.3.2020, 06:47 Uhr
Licht an, Olympia 2020 aus! Die Corona-Pandemie verdunkelt auch die Arbeitswelt von Thomas Bach, dem fränkischen IOC-Präsidenten.

© AFP Licht an, Olympia 2020 aus! Die Corona-Pandemie verdunkelt auch die Arbeitswelt von Thomas Bach, dem fränkischen IOC-Präsidenten.

Diesmal hätte auch ein außergewöhnlich guter Arretstoß nichts mehr geholfen. Auch keine Battuta, ja nicht einmal eine Parade mit Riposte. Das Gefecht war verloren, auch wenn der Sportfunktionär Thomas Bach, der promovierte Jurist Thomas Bach, der Politikwissenschaftler Thomas Bach, der Wirtschaftslobbyist Thomas Bach und der Fechter Thomas Bach noch einmal alles versuchten, um eine Wende herbeizuführen. Der Gegner, , war selbst für ihn zu mächtig.

Ein Franke unter Druck - kein Problem, eigentlich

Thomas Bach weiß, wie es sich anfühlt, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Beim Fechten kommt das ja ständig vor. Der Gegner drängt einen bis ans Ende der Planche, noch einen Schritt weiter, und der Gegner bekommt den nächsten Punkt gut geschrieben. Es braucht dann eine gute Riposte, wie sie ihren Konter beim Fechten nennen, um sich noch aus so einer Situation befreien zu können. Eine Disziplin, die der 66 Jahre alte Bach hervorragend beherrscht. Eigentlich.

In Würzburg geboren, aufgewachsen in der Fechter-Hochburg Tauberbischofsheim und heimisch geworden in Buch bei Weisendorf im Landkreis Erlangen-Höchstadt, hat Bach einen steilen Aufstieg an die Spitze der mächtigsten Sportorganisation der Welt hingelegt. Er war Direktor für Internationale Beziehungen bei Adidas, er saß in diversen Aufsichtsräten und versuchte als Berater Siemens in der arabischen Welt populär zu machen. Als aktiver Sportler war er bereits 1976 in der Spitze angekommen. Bei den Olympischen Spielen in Montreal holte der Florettfechter mit der Mannschaft Gold. Im Leben von Thomas Bach schien es nur eine Richtung zu geben, Niederlagen hatten keinen Platz in seiner Biografie.

Bis Dienstag. In einer Telefonkonferenz einigten sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) und Japans Premierminister Shinzo Abe darauf, die Spiele von Tokio zu verschieben - "auf ein Datum nach 2020, aber nicht später als Sommer 2021, um die Gesundheit der Athleten und allen, die an den Olympischen Spielen beteiligt sind, sicherzustellen".

"Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz..."

Bis zuletzt hatte Bach dafür gekämpft, diesem Aspekt keine allzu große Bedeutung zu schenken. So musste das zumindest auf all diejenigen wirken, die in diesen Tagen den Prognosen von Virologen glauben. Während weltweit nahezu alle Wettkämpfe ausgesetzt sind, erbaten sich Bach und das IOC am Wochenende noch einmal vier Wochen Bedenkzeit, um die Entwicklung der Corona-Krise zu beobachten. In einer E-Mail wandte sich Bach an die Athleten. "Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen", schrieb Bach – und dass dieses Vorgehen möglicherweise viele Fragen offen lasse.

 

Bei dieser Einschätzung lag Bach richtig. Wie, zum Beispiel, fragten die Athleten, sollten sie sich auf den möglichen Höhepunkt ihrer Karriere vorbereiten, wenn Schwimmbäder und Laufbahnen gesperrt sind? Wie sollten sie sich überhaupt für Tokio qualifizieren, wenn die entsprechenden Weltcups abgesagt sind? Warum sollten sich Menschen aus aller Welt an einem Ort versammeln, wenn in diesen Tagen eine Regierung nach der nächsten Ausgangssperren verhängt? Wer garantiert faire Wettkämpfe, wenn Dopingkontrollen ausgesetzt sind?

Chronische Unlust an Transparenz und das Moskau-Trauma

All diese Fragen blieben lange unbeantwortet. Es drängte sich der Verdacht nicht nur auf, dass es den Funktionären vielleicht nicht in erster Linie um die Gesundheit aller Beteiligten, um sportliche Bestleistungen und um spektakuläre Wettkämpfe vor vollen Tribünen ging. 2008 hatte Bach, damals Vizepräsident des IOC, von Journalisten die "Verschlossene Auster" verliehen bekommen, der Grund: chronische Unlust an Transparenz. Daran hat sich seitdem nichts geändert.

Als Athlet verpasste Bach 1980 die Spiele von Moskau, weil sie der Westen boykottierte. "Es brennt noch heute", sagte er einmal dazu, dass er von der Politik um diese Gelegenheit gebracht wurde. Es erklärt vielleicht ein bisschen, warum er so lange am Termin im Sommer festhielt, warum er glaubt, dass nichts und niemand über dem Sport stehen sollte. Diesmal wurde der Druck aber zu groß und nicht einmal er konnte das IOC vor dem längst überfälligen Schritt bewahren. Die Absagen von einzelnen Sportlern oder ganzen Verbänden häuften sich, am Montag dachte die japanische Regierung sehr laut darüber nach, die Spiele um ein Jahr zu verschieben, am Dienstag war "der irrende Durchfechter" (Welt) "zurück auf dem Planeten Erde" (Tagesspiegel) angekommen.

Maskottchen, Tassen und ein "Leuchtfeuer der Hoffnung"

Obwohl die Wohnungen im Olympischen Dorf bereits an Privatleute verkauft sind, obwohl das Maskottchen Miraitowa zusammen mit der Jahreszahl 2020 vermutlich schon Tausende T-Shirts und Kaffeetassen ziert, obwohl dem IOC die fest eingeplanten Millioneneinkünfte in diesem Jahr wegbrechen, mussten die Verantwortlichen anerkennen, dass selbst die Olympischen Spiele nicht größer sind als das Leben und der aktuell von Corona geprägte Alltag.

Wobei sich Thomas Bach auch am Dienstag größte Mühe gab, diese Erkenntnis zu verstecken. Zusammen mit Abe betonte er, dass die Spiele in Tokio in diesen schwierigen Zeiten "als Leuchtfeuer der Hoffnung für die Welt stehen und die olympische Flamme zum Licht am Ende des Tunnels werden könnte, in dem sich die Welt derzeit befindet".Seinem Selbstbewusstsein scheint Thomas Bachs erste große Niederlage nicht geschadet zu haben.

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