Neue EU-Verordnung: Franken sorgen sich ums Schäufele

5.3.2018, 12:26 Uhr
Eine neue EU-Verordnung soll ab 11. April Verbraucher noch besser vor Acrylamid schützen. Gerät dadurch traditionell fränkisches Essen wie das Schäufele in Gefahr?

© Scherer Eine neue EU-Verordnung soll ab 11. April Verbraucher noch besser vor Acrylamid schützen. Gerät dadurch traditionell fränkisches Essen wie das Schäufele in Gefahr?

Ein fränkisches Schäufele mit blasser Kruste und dazu kein Kloß mehr mit brauner Soße? Für "Don Schäufele" alias Holger Meesmann ist das schlicht undenkbar. Der Vorsitzende des Nürnberger Vereins "Freunde des Fränkischen Schäufele" mit 63 Mitgliedern bleibt trotzdem gelassen und hält das Ganze für "einen wohl etwas verfrühten Aprilscherz". Denn konkrete Detail-Vorschriften gibt es sechs Wochen vor dem Start ohnehin noch nicht, was den künftig erlaubten Bräunungsgrad von Fleisch angeht. Klar ist nur, dass bei der Selbstherstellung von Pommes frites künftig strengere Richtlinien einzuhalten sind, wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA der NZ bestätigte.

Neue EU-Verordnung: Franken sorgen sich ums Schäufele

© Foto: Alex Diezinger

"Aber Pommes frites gibt es bei uns sowieso nicht. Wir haben nur fränkisches Essen", sagt Meesmann, der im richtigen Leben Architekt ist, wenn er nicht gerade als Vereinsvorsitzender agiert. Der Verein betreibt die Vereinsgaststätte "Schäufelewärtschaft" in der Schweiggerstraße, wo auch jeder andere Schäufele-Freund das fränkische Gericht essen soll und darf – zubereitet von einem professionellen Koch.

"Bei uns gibt es zum Schäufele, das braun und kross sein muss, Kloß", sagt Meesmann und spielt damit auf eine badische Variante des Gerichts an, die er hier in Franken aber nicht haben möchte. Dort gibt es gekochtes Schäufele, zu dem man "etwas glibbrigen Kartoffelsalat" serviere – ohne die typische knusprige Kruste, die das echte Schäufele ausmache.

"Don Schäufele" empfiehlt die Farbtabelle

Meesmann kann sich vorstellen, dass die EU-Bürokraten am blassen badischen Schäufele nichts auszusetzen hätten. Aber an die EU-Bürokraten hat der Architekt einen Vorschlag zur Güte: Sie sollten ihm anhand einer Farbkarte zeigen, welcher Bräunungsgrad erlaubt sei.

Der Vorsitzende des noch nicht eingetragenen Vereins – die Organisation nimmt sich selbst nicht ganz ernst – hat sich für die NZ Gedanken gemacht, welche Brauntöne aus der sogenannten RAL-Farbtabelle erlaubt sein könnten: "Ich würde sagen, zwischen RAL 8003 und RAL 8017 ist alles erlaubt." Die EU-Kontrolleure könnten die Farbskala ja mal an ein Schäufele halten. Falls der Braunton 8019 (graubraun) oder gar 8022 (schwarzbraun) erreiche, wäre für "Don Schäufele" aber auch ohne die Tabelle klar: "Dann ist die Sau umsonst gestorben", beziehungsweise dürfe das Schäufele keinem Gast mehr serviert werden, er könne es allenfalls noch selbst essen.

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© Foto: Horst Linke

Auch Christian Umhauer, einer der beiden Inhaber des Restaurants "Zum Schlössla" in Fürth, sieht die Dinge gelassen: "Unser Krustenschäufele wird bei 220 Grad Umluft im Ofen zubereitet. Da wird nichts frittiert, und bei dieser Temperatur entsteht kein Acrylamid", erklärt Umhauer, dessen Gastwirtschaft bei einer User-Umfrage auf nordbayern.de nach dem besten Schäufele in der Region den ersten Platz belegt hat. "Ich sehe keine Gefahr für den Bestand des Schäufele", meint auch er. Natürlich sei es wichtig, die Kunden zu schützen. Bei ihm gebe es Pommes frites höchstens für Kinder – die Pommes bezieht er fertig, sie werden in einer Haushaltsfritteuse bei niedriger Temperatur zubereitet.

Und wie sieht es mit Kartoffeln aus, die laut EU-Verordnung künftig bei einer Temperatur über sechs Grad gelagert werden müssten? "Kein Problem," sagt Umhauer, "Kartoffeln, die ich heute kaufe, sind morgen ver-arbeitet."

Auch er ist der Meinung, dass die EU-Bürokraten übertreiben. "Jeder weiß, dass Rauchen krebserregend ist, aber viele rauchen trotzdem. Und wenn ich einmal im Jahr im Freibad Pommes esse, brauche ich keine neue Vorschrift wegen des Acrylamids", sagt er. Wenn man das Handy neben dem Bett liegen habe, sei das viel schädlicher. Beim Essen gelte es, Maß zu halten, dann erledigten sich viele Bedenken von selbst, meint Umhauer.

"Die Schnauze voll"

So lässig kann Inge P. (Name von der Redaktion geändert) die Dinge nicht sehen. Die 48-jährige Inhaberin eines seit Generationen bestehenden Nürnberger Traditionsgasthauses ist der Meinung, nicht das Schäufele sei in Gefahr, sondern die kleinen und mittelständischen Gastwirte. Sie habe jedenfalls "die Schnauze voll von den EU-Vorschriften, von der Daseinsberechtigung, die die Politiker in Brüssel am grünen Tisch für sich erfinden" – und zwar so sehr, dass sie ernsthaft darüber nachdenke, aufzugeben. "Bevor ich mir eine Farbtabelle in die Küche hänge, höre ich auf", sagt sie. Seit 30 Jahren arbeite sie im Gasthaus, 12 bis 15 Stunden am Tag und zahle hohe Steuern. Aber ständig gebe es neue Vorschriften, stets zum Nachteil der Gastwirte. "Und das von Leuten, die wahrscheinlich ihr Leben lang noch nichts gekocht haben", empört sie sich.

Denn wie könne man sonst auf Ideen wie eine neue Acrylamid-Verordnung kommen, fragt die Gastwirtin. Was solle sie denn treuen Stammgästen sagen, die eigens mit den Worten bestellen: "Die Bratwürste bitte dunkel", oder "Ich möchte dunkle Pommes"? "Meine Patin ist 88, und sie hat ihr Leben lang dunkle Pommes geliebt", sagt Inge P.

Schon jetzt seien die Vorschriften "eine Katastrophe". Während sie noch vor rund drei Jahren sechs Karpfen in der Fritteuse zubereitet habe, könne sie jetzt nur noch zwei darin backen, sonst werde das Fett kalt. Früher seien 200 Grad kein Problem gewesen, jetzt sei 170 Grad das Limit.

Das Schlimme sei, dass all die Vorschriften, die jetzt schon gelten – wie etwa die HACCP-Hygienestandards – ihrer Beobachtung nach nur von den Deutschen eingehalten würden. "In Spanien oder Frankreich interessiert das niemanden."

"Niemand muss Angst haben"

Und wie sieht es mit den fränkischen Bauernbroten aus, die mit ihrer dunklen Kruste Käufer anlocken? Sind diese von der neuen Verordnung betroffen? Herbert Imhof, Inhaber der Bio-Bäckerei Imhof, hat sich schlau-gemacht und gibt Entwarnung: "Niemand muss Angst haben, dass er ab dem 11. April bei der Bäckerei Imhof nach 100 Jahren plötzlich keinen
altfränkischen Bauernlaib mehr bekommt." Denn: Im Mittelpunkt der neuen Verordnung stehen weiche Brote auf Weizenbasis. "Das ist für Deutschland und Österreich aber nicht relevant, da bei uns Mischbrote sowie Roggen- und Vollkornbrote dominieren. Ein altfränkisches Bauernbrot aus Natursauerteig besteht zu 90 Prozent aus Roggen und zu zehn aus Weizen", sagt Imhof.

Der altfränkische Laib, das meistverkaufte Brot bei Imhof, werde bei 260 Grad kurz heiß angebacken – damit die beliebte Kruste entsteht und nicht austrocknet – und dann bei 210 Grad für 90 Minuten ausgebacken, erklärt der Firmenchef. Ein Problem durch die neue Acrylamid-Verordnung entstehe dadurch nicht. Denn für diese Genussart mit Roggenmehl gebe es in der neuen Verordnung rohstoffbedingt höhere Richtwerte als für Weizenerzeugnisse. Während ein Weizenbrot als Richtwert 50 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm enthalten könne, seien es beim Roggenbrot 100 Mikrogramm. "Da sind wir auf jeden Fall darunter", so Imhof.

Richtwerte von 500 Mikrogramm für Pommes, 750 für Chips und Cracker und 400 bis 850 für Kaffee zeigen, dass die EU die Richtwerte für das Brot schon vergleichsweise niedrig angesetzt hat.

"Franken kaufen kein verbranntes Brot"

Monika Rauscher, stellvertretende Obermeisterin der Bäckerinnung Nürnberg, erklärt, dass Richtwerte keine Höchstwerte oder Grenzwerte seien. Ein Roggenbrot habe nun einmal schon aufgrund der Getreidesorte eine andere Grundfarbe und müsse im Übrigen auch länger gebacken werden als ein Weizenbrot. Während Letzteres 20 Minuten im Ofen sei, brauche Roggenbrot aus Sauerteig eine Stunde oder länger. "Die Richtwerte werden dadurch nicht überschritten", sagt auch sie.

Eine dunkle Farbe bedeute auf keinen Fall, dass das Brot verbrannt sei. "Franken kaufen kein verbranntes Brot", meint sie. "Acrylamid entsteht auch nicht, wenn man es normal bäckt, wie es Frankens Bäcker tun, sondern, wenn man es zu lange erhitzen würde.

"Weder unsere Bäckereibetriebe noch die Kunden haben also wegen der Verordnung irgendetwas zu befürchten. Ich sehe keinerlei Probleme für fränkisches Brot, was Acrylamid betrifft", sagt die Chefin der Nürnberger Bäckerei Bock. Weder jetzt noch nach dem 11. April. Und ganz nebenbei sei ein fränkisches Roggenbrot aufgrund des höheren Ballaststoffgehalts auch noch deutlich gesünder als Weizenbrot.

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