Sanifair & Co.

Öffentliche Toiletten: Warum man in Deutschland für den Klobesuch oft zahlen muss

Julia Ruhnau

nordbayern.de

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15.8.2017, 15:49 Uhr
Für öffentliche Toiletten, wie hier am Südfriedhof, gelten in Deutschland keine einheitlichen Regeln.

© Hagen Gerullis Für öffentliche Toiletten, wie hier am Südfriedhof, gelten in Deutschland keine einheitlichen Regeln.

Unterwegs mit voller Blase am Nürnberger Hauptbahnhof. Wer den WC-Schildern folgt, landet in der Galerie, Mitte. Schilder verraten: Hier pinkelt man bei Sanifair, Kostenpunkt ein Euro. 50 Cent kann man sich per Wertbon in einem der teilnehmenden Läden wieder zurückkaufen. Wer keinen Euro parat hat oder ausgeben möchte, kann sich entweder in einem der Schnellrestaurants an der Dame vorbeimogeln, die den WC-Eingang bewacht. Oder in der Sportsbar im Obergeschoss darum bitten, dass einem die Mitarbeiter hinter der Theke per Summer die verschlossene Klotüre öffnen.

Bezahlschranken und Gestank

Wer in der Öffentlichkeit ein drängendes Bedürfnis verspürt, muss mit Hindernissen rechnen. Verschlossene Türen, Bezahlschranken, unappetitlicher Schmutz und Gestank sind einige davon. Außerdem scheint das Netz an öffentlichen Toiletten immer genau dort löchrig zu sein, wo man gerade muss. In der Nürnberger Altstadt gibt es zum Beispiel zehn öffentliche Toiletten, die allerdings nur von 7 bis 22 Uhr geöffnet sind. Und wer in der nächsten Grünanlage seine Notdurft verrichtet, muss mit einem Bußgeld rechnen, wenn er erwischt wird. Gar nicht so einfach also, sich außerhalb der eigenen vier Wände zu erleichtern.

Kein einheitliches Gesetz

Sucht man nach Verantwortlichen für die schwierige WC-Situation, lernt man: In Deutschland, dem Land der DIN-Normen und Verwaltungsvorschriften, gibt es kein einheitliches Gesetz zum Aufstellen von Toiletten. Stattdessen regeln unterschiedlichste Verordnungen das Geschäft mit dem Geschäft. Ein Überblick.

Öffentliche Toiletten:

Es mag zunächst einmal überraschen, ist aber Tatsache: Es gibt keine Vorschrift, die festlegt, wo öffentliche Toiletten stehen müssen. Es gibt nicht einmal eine, die überhaupt öffentliche Toiletten vorschreibt. Was es gibt, ist die bayerische Gemeindeordnung. Die erlaubt Städten und Kommunen, für "der Gesundheit dienende Einrichtungen" eigene Regeln festzulegen. Also, Klos zu bauen und zu verwalten. Und für Ordnungswidrigkeiten Bußgelder zu erheben, nämlich bis zu 2500 Euro. Nürnberg hat deshalb so bürokratisch klangvolle Dokumente wie die Toilettenbenutzungssatzung und die zugehörige Gebührenordnung. Dort ist festgeschrieben, wie öffentliche WCs zu benutzen sind und dass sie etwas kosten dürfen.

"Nürnberg hat insgesamt 32 öffentliche Toiletten", zählt Ulrike Goeken-Haidl vom Service Öffentlicher Raum (Sör) auf. Die meisten sind kostenfrei, für andere werden 50 Cent fällig, zum Beispiel für das WC am Hauptmarkt. "Diese Anlagen sind häufig von Vandalismus betroffen", erklärt Goeken-Haidl. Über das Entgelt holt sich Sör, in dessen Zuständigkeitsbereich die Klos in Nürnberg fallen, die entstehenden Kosten teilweise bei den Nutzern zurück.

Gaststätten:

Seit der Föderalismusreform 2006 ist das Gaststättenrecht Ländersache. Manche Länder, zum Beispiel Niedersachsen, schreiben dort fest, dass von Gästen für die Nutzung der Toiletten kein Entgelt verlangt werden darf, Bayern hat keine entsprechende Passage im Gesetz. Und Hessen hatte mehrere Jahre gar keine Toilettenpflicht für Gaststätten. Wann ein Restaurant oder eine Kneipe überhaupt WCs bereithalten muss, hängt von der Größe des Gastraumes ab und davon, ob Alkohol ausgeschenkt wird.

Auch die jeweilige Bauordnung spielt eine Rolle. In der Bar mit Zapfanlage und Cocktailangebot und vielen Sitzplätzen gibt es daher meistens Klos, in der kleinen Handwerksbäckerei mit Café eher nicht - auch wenn Kaffee ähnlich harntreibend ist wie Bier. Der Alkohol ist ausschlaggebend für die Toilettenpflicht. Für WC-Besucher von außerhalb, die nichts konsumieren, gelten die Gesetze sowieso nicht. "Das dürfte von der unternehmerischen Freiheit gedeckt sein", erklärt der Nürnberger Verwaltungsrechtler Rainer Roth die Grundlage des Umgangs von Gastwirten mit externen Pinklern. Wer schnell mal das Klo im nächsten Café benutzen will, kann also nicht darauf bestehen, das kostenlos tun zu dürfen.

Bahnhof, Flughafen und Co:

Bei den Sanifair-Anlagen auf deutschen Autobahnraststätten und Bahnhöfen kostet der Klogang 70 Cent und mehr - und das vollkommen legal.

Bei den Sanifair-Anlagen auf deutschen Autobahnraststätten und Bahnhöfen kostet der Klogang 70 Cent und mehr - und das vollkommen legal. © dpa

An hoch frequentierten Orten mit vielen Menschen gibt es auch viele Klos, sollte man meinen. Am Nürnberger Hauptbahnhof herrscht eher ein Unterangebot, und ein teures mit dazu. Ein Bahnsprecher erklärt dazu, die DB sei "nicht zur Vorhaltung öffentlicher Toiletten in den Bahnhöfen verpflichtet". Es gebe aber durchaus ein Problem mit Wildpinklern. Die Reinigung, für die unter anderem Dampfstrahler zum Einsatz kommen, verursache hohe Kosten. Man wolle den Kunden das Reisen aber "in jeder Beziehung angenehm und problemlos gestalten", versichert die Bahn trotzdem.

Das will auch der Nürnberger Flughafen. "Entspannt abheben", lautet seit einiger Zeit der Slogan des Albrecht Dürer Airports. Das Toilettenkonzept habe man diesem Ziel untergeordnet, erklärt Pressesprecher Jan Beinßen. "Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass die Toiletten kostenfrei bleiben müssen." Im nichtöffentlich Bereich, also an den Gates, sei es außerdem vorgeschrieben, den Kunden ungehinderten Zugang zum WC zu gewähren, erläutert Beinßen weiter. Für die Reinigung gebe man jährlich einen niedrigen sechsstelligen Betrag aus.

Wenn das am Flughafen klappt, warum dann nicht auch am Bahnhof — oder der Autobahnraststätte? Seit der Privatisierung der Autobahnen hat dort die Gesellschaft Tank & Rast mit ihrer Tochter Sanifair ein Quasi-Monopol auf die Sanitäranlagen und mit 70 Cent pro Gast und Klogang eine stetige Einkommensquelle. Und das vollkommen legal. Denn das Gaststättenrecht, das immerhin teilweise kostenlose Toiletten vorschreibt, greift hier nicht.

Die Politik:

Raststätten und Tankstellen sind "Nebenbetriebe von Bundesautobahnen", wie es in einer Begründung zu einem Antrag der Linken vom Juli 2016 heißt. Dort fordern die Abgeordneten für alle öffentlich zugänglichen Rastanlagen und Bahnhöfe kostenlose Toiletten. Für die Raststätten müsste dafür ein entsprechender Passus in die Konzessionsverträge mit den Betreibern enthalten sein, fordert die Linke in dem Papier. Die Bahntochter "DB Station & Service", die dem Bund gehört, könnte wiederum mit einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift entgeltfreie WCs festschreiben. Bisher gibt es beides nicht. "Es hat noch nie jemand so richtig nachgefragt", erklärt Linken-Politiker Thomas Lutze, einer der Antragsteller, sein Engagement für das Thema Klos. Der Grünen-Tourismuspolitiker Markus Tressel findet ebenfalls: Neben zahlungspflichtigen Toiletten auf Rastplätzen sollte es "immer auch kostenfreie Alternativen geben, bei denen ein hygienischer Mindeststandard gewährleistet ist". Notfalls müsse das der Bund vorschreiben.

Bisher bleiben nur Behelfslösungen, auch auf kommunaler Ebene. Die Aktion "Nette Toilette" zum Beispiel, bei der Gastwirte Menschen mit voller Blase kostenlos ihre Klos zur Verfügung stellen. Das Konzept sorgte in Nürnberg immer wieder für Diskussionen, einige Gastwirte sind wenig begeistert von der Idee, in regelmäßigen Abständen Scharen von Touristen durch ihre Gaststuben trampeln zu sehen. Stattdessen wird auf Informationen gesetzt: Flyer mit den Standorten der öffentlichen Klos, verteilt zum Beispiel bei Großveranstaltungen wie dem Bardentreffen, sollen Bedürftige und Bedürfnisanstalt zusammenbringen.

Klomangel durch Bombenhagel

Das Problem ist übrigens kein Neues. Nach dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs war die Abortlage prekär. Nur zwei von damals 15 öffentlichen "Bedürfnisanstalten" waren nach dem Krieg noch funktionsfähig. So steht es im Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg, anno 1949.

Von weiteren 62 sogenannten "Pißorten", wie es im damaligen Beamtensprech hieß, waren zwei Drittel zerstört. Einige der historischen Toiletten werden heute anders genutzt, zum Beispiel am Rande der Hallerwiese. Im Inneren eines alten Gemäuers gibt es jetzt Getränke und Snacks zu kaufen — der "Schnepperschütz" ist ein beliebter Feierabendtreff. Früher wurden dort andere Bedürfnisse befriedigt: Der Bau war ehemals ein Klohäußchen.

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