Schmähgedicht: Regierung prüft Strafverlangen zu Böhmermann

11.4.2016, 13:45 Uhr
Schmähgedicht: Regierung prüft Strafverlangen zu Böhmermann

© Henning Kaiser (dpa)

Die Bundesregierung will den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann prüfen. Dies werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dazu sollte es noch am Montag erste Gespräche auf Ebene der fachlich Zuständigen im Auswärtigen Amt, Justizministerium und Kanzleramt geben.

Schmähgedicht: Regierung prüft Strafverlangen zu Böhmermann

© Michael Kappeler/Archiv (dpa)

Die türkische Regierung wehrt sich gegen ein Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik", das Böhmermann am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow "Neo Magazin Royale" präsentiert hatte. Der 35-Jährige beleidigte dabei bewusst den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, um - wie Böhmermann selbst sagte - die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter und verbotener Satire deutlich zu machen.

Seibert betonte, die Freiheit der Kunst und die Pressefreiheit seien für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weder nach innen noch nach außen verhandelbar. Dies gelte unabhängig davon, ob sie etwas für geschmacklos halte und davon, dass die EU mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zusammenarbeite.

Sendung wird fortgesetzt

Die Staatsanwaltschaft Mainz, die schon wegen mehrerer Anzeigen gegen Böhmermann sowie gegen ZDF-Verantwortliche ermittelt, wurde nach eigenen Angaben bislang nicht über das Strafverlangen der Türkei informiert. «Hier liegt noch nichts vor, und ich bin auch von keiner amtlichen Seite diesbezüglich unterrichtet», teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen der Türkei auch eine entsprechende Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.

Das ZDF will Böhmermann trotz des Ärgers die Treue halten. Dessen "Neo Magazin Royale" stehe nicht zur Disposition, teilte der Sender auf Anfrage mit. "Die Sendung wird wie bisher fortgeführt." Die Late-Night-Show werde am Donnerstagabend in der Mediathek und auf ZDFneo sowie am Freitag im ZDF zu sehen sein. Das strittige Schmähgedicht hatte das ZDF jedoch nach der Sendung vom 31. März aus seiner Online-Mediathek entfernt.

Böhmermann war bereits am Freitagabend der Grimme-Preisverleihung im westfälischen Marl ferngeblieben. Dort wurde er für seine Satire um den Stinkefinger des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ausgezeichnet ("Varoufake"). Vom Deutschen Volkshochschul-Verband als Preisstifter erhielt der 35-Jährige zusätzlich die "Besondere Ehrung" für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt. Dass die Grimme-Preisverleihung zeitlich mit der Debatte um das Erdogan-Gedicht zusammenfiel, war Zufall.