Schwere Zeiten für die Betriebsrente

1.8.2012, 12:22 Uhr
Schwere Zeiten für die Betriebsrente

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Rund 190 Milliarden Euro haben die etwa 150 Pensionskassen, Direktversicherer und Pensionsfonds für ihre 17 Millionen Kunden angelegt. Fast 90 Prozent in Anleihen, die vor zehn Jahren bis zu fünf Prozent Zinsen brachten. Auslaufende Papiere müssen ersetzt werden — doch die Bedingungen haben sich verschlechtert. Heute gibt es noch 1,2 Prozent. Zieht man den Inflationsausgleich ab, machen die Versicherer mit den einst lukrativen Bundesanleihen sogar Verluste.

Bernd Raffelhüschen, Finanzwissenschaftler der Universität Freiburg und Verfechter der privaten Vorsorge, warnt daher: „Die niedrigen Zinsen stellen viele Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vor ernste Schwierigkeiten.“ Hochrechnungen belegen eine dramatische Entwicklung: Sollte die Phase der Niedrigzinsen weiter anhalten, könnten von 1000 Euro, die ein Rentner heute erwarten kann, in fünf Jahren 650 Euro übrig bleiben.

Der Grund: In der Krise fliehen Investoren und Anleger in die Papiere der wenigen starken europäischen Volkswirtschaften, vor allem Deutschlands. Der Finanzminister kann sich Geld zum Nulltarif beschaffen. In dieser Situation würden die Träger der Betriebsrente normalerweise auf Aktien ausweichen, um für ihre Versicherten weiterhin ansehnliche Renditen zu erwirtschaften.

Doch diese Variante wird durch neue Pläne der Europäischen Kommission verbaut. Die will erreichen, dass Aktien mit zusätzlichem Eigenkapital abgesichert werden müssen. Für die Betriebsrenten-Versicherer würde das bedeuten, dass sie zusätzliche 40 bis 50 Milliarden Euro brauchen, die sie nicht ausschütten dürfen, sondern hinterlegen müssen.

Raffelhüschen sieht die Versicherer daher in einem Dilemma: „Der Staat zwingt Großanleger regelrecht dazu, weiter Anleihen zu kaufen. So wird die Nachfrage künstlich gesteigert, und in der Folge fallen die Renditen noch weiter.“

Kritiker wenden allerdings ein, dass da nicht ein „Sozialexperte“ — wie Raffelhüschen öfter bezeichnet wird — klagt, sondern ein gut bezahlter Lobbyist. Denn der Ökonom gehört neben Bert Rürup und Walter Riester zu denjenigen, die seit Jahren am heftigsten gegen die gesetzliche Rentenversicherung trommeln. Was wiederum etwas damit zu tun haben mag, dass Raffelhüschen eng mit der deutschen Versicherungswirtschaft verbandelt ist.

Er sitzt im Aufsichtsrat der Ergo- Versicherungsgruppe, ist wissenschaftlicher Beirat der Victoria Versicherung und tourt als Vortragsreisender für den Finanzdienstleister MLP durch die Lande. Alles Unternehmen, denen die strengeren Kapitalvorschriften der EU natürlich nicht gefallen.

Riskante Anlage

Vor allem aber wird Raffelhüschen nicht müde, die gesetzliche Rentenversicherung schlechtzureden und stattdessen das Produkt seiner Auftraggeber zu empfehlen — die private, kapitalgedeckte Altersvorsorge. Doch die verkauft sich nicht gut, wenn das angelegte Geld so wenig Zinsen abwirft wie derzeit. Vielen Sparern dürfte zudem erst jetzt bewusst werden, dass die private Anlage deutlich riskanter ist als das gesetzliche Umlageverfahren.

Die viel gelobte Riester-Rente etwa lohnt sich oft nur deshalb, weil der Staat sie mit Milliarden bezuschusst — ähnlich wie die Betriebsrente, die mit hohen Steuervorteilen gefördert wird. Doch das lässt Raffelhüschen lieber unerwähnt.

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