Ukraine-Krieg

Söder bringt längere Laufzeit für Bayerns Atomkraftwerk ins Spiel

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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2.3.2022, 18:00 Uhr
Markus Söder sieht Bayern als "Schutzland der Bundeswehr". 

© Matthias Balk, dpa Markus Söder sieht Bayern als "Schutzland der Bundeswehr". 

Es ist eine klare Ansage an Berlin, die Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder formuliert. Er stehe bei der Reform der Bundeswehr an der Seite der deutschen Regierung, sagt er, und er trage auch das 100-Milliarden-Paket mit. "Aber das muss auch tatsächlich so umgesetzt werden. Das muss Fresh Money sein, ohne irgendwelche Tricks."

Nicht verwässern

Söder befürchtet, dass die SPD-Linke und die Koalitionspartner in der Ampelkoalition das Paket aufweichen und mit Tricks die Summe drücken könnten, die die Bundesrepublik auf Geheiß von Kanzler Olaf Scholz aufbringen soll. Der CSU-Politiker ist überzeugt, dass es jeden Cent brauchen werde. "Bayern ist das Schutzland der Bundeswehr", sagt er, die "seit Jahren unter einer peinlichen Mängelliste" leide. Allerdings stellte Söders Union selbst von 2005 bis 2021 die Verteidigungsminister, darunter mit Karl-Theodor zu Guttenberg auch ein CSU-Politiker.

Geht es nach Söder, wird die Bundeswehr schnell aufgerüstet und modernisiert. Er verlangt neue Kampfjets, neue Hubschrauber, bewaffnete Drohnen, neue Satellitensysteme "zum Weltraumschutz" und neue Abwehrsysteme am Boden. Der Bund, sagt Söder, müsse "den Auftrag für die Bündnis- und Landesverteidigung" neu formulieren. Und Bayern werde dafür einen "ganz konkreten Vorschlag" ausarbeiten.

Folgen auf Jahre hinaus

Dass der Krieg in der Ukraine und seine Folgen nur von kurzer Dauer sein werden, glaubt der Nürnberger nicht. Niemand könne das im Moment vorhersagen, sagt Söder. Doch für ihn ist klar, dass die Republik beispielsweise ihre Energieversorgung komplett neu aufstellen muss, "und das nicht nur für ein halbes Jahr, sondern auf Dauer".

Für die Energiewende bedeutet das, dass "nicht mehr der Klimaschutz zentral" sei, sondern "die Versorgungssicherheit" und mit ihr die Unabhängigkeit von Russland. Söder bringt eine längere Laufzeit für die noch im Netz verbliebenen drei deutschen Atommeiler ins Gespräch. Laut bayerischem Umweltministerium sei das möglich, sagt Söder, der den Atomreaktoren den Vorzug gibt vor Kohlekraftwerken, zumindest für "drei bis fünf Jahre". "Wir sind keine Anhänger der Kernenergie mehr", sagt der CSU-Politiker. Aber die Atomkraftwerke seien sicher, ihr Weiterbetrieb stabilisiere die Energieversorgung und verbinde "die Sicherheit mit dem Klimaschutz".

Produktionsstopp droht

Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger plädiert für Kohle und Atom, und er fordert, dass das Land seine erneuerbaren Energiequellen ausbauen müsse. "Wir müssen alle Optionen vorurteilsfrei prüfen", sagt Aiwanger, der zugleich warnt, etliche bayerische Firmen müssten in den kommenden Tagen ihre Produktion drosseln oder stoppen, weil sie auf Zulieferer aus der Ukraine und aus Russland angewiesen seien. Laut Aiwanger zeichnet sich zudem ab, dass Tausende von LKW-Fahrern aus der Ukraine und Belarus ausfallen werden, mit ebenfalls weitreichenden Folgen.

Verzweifelte Menschen fliehen aus der Ukraine. Bayern bereitet sich auf ihre Aufnahme vor.

Verzweifelte Menschen fliehen aus der Ukraine. Bayern bereitet sich auf ihre Aufnahme vor. © Anna Szilagyi, dpa

Aiwanger und seine Freien Wähler plädieren angesichts der Weltlage für eine allgemeine Dienstpflicht junger Menschen, die ein Jahr wahlweise in sozialen Berufen etwa der Pflege arbeiten oder bei der Bundeswehr ihr Dienstjahr absolvieren können. Es könnte eine neue Konfliktlinie in der bayerischen Koalition werden, denn Söder lehnt das ab. "Alle, die mit einer Impfpflicht ihre Probleme haben", sagt er an die Adresse Aiwangers, "müssten sie hier erst recht haben." Für Söder scheitert die Dienstpflicht schon daran, dass dafür das Grundgesetz geändert werden müsste. Er hält aber auch nichts davon, wenn Dienstleistende die Pflegekräfte ersetzen sollen. "Wir wollen diesen Bereich ja gerade professionalisieren", sagt der bayerische Ministerpräsident, der statt einer generellen Dienstpflicht mehr finanzielle Anreize für den Soldatenberuf als den richtigen Weg sieht.

Kapazitäten schaffen

Unterdessen bereitet sich Bayern darauf vor, dass bis zu 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine hier landen könnten. "Wir richten uns auf verschiedene Szenarien ein", sagt Innenminister Joachim Herrmann. Sollten weniger Flüchtlinge kommen, "ist das kein Schaden. Aber es wäre schlecht, wenn wir nicht ausreichend Kapazitäten vorhalten." Die bestehen teils mit den Asylunterkünften und den Übergangswohnheimen, können über Containerbauten neu geschaffen und notfalls auch in Sporthallen oder leerstehenden Gebäuden eingerichtet werden.

Prinzipiell können geflüchtete Ukrainer auch privat unterkommen. Sie sind vom ersten Tag an legal im Land und frei; sie müssen ihren Aufenthaltsstatus nicht erst bestätigt bekommen, wie das bei Asylsuchenden der Fall ist. Herrmann erinnert deshalb daran, dass in Bayern rund 30.000 Ukrainer leben und arbeiten, Tausende weitere bereits mit deutschem Pass. "Das ist ein großes Potenzial, das helfen kann", sagt der Innenminister.

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