SPD-Vorsitzenden-Duo: Erste Bilanz nach 12 Monaten

4.12.2020, 14:19 Uhr

Viel hat sich nicht bewegt. Zumindest dann nicht, wenn man auf die Zahlen blickt. Als Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Dezember 2019 zur neuen Bundesspitze der SPD gewählt wurden, da lag ihre Partei in den Umfragen bei 13 Prozent. Nun, nach einem Jahr im Amt, meldet das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap 15 Prozent für die Sozialdemokraten.

Eine freundliche Interpretation könnte lauten: Immerhin wurde der Abwärtstrend gestoppt. Weniger angenehm ist der andere Blickwinkel: Die SPD liegt weit hinter der Union (36 Prozent) und Grünen (21) und dürfte sich schwer tun, ihren Kandidaten Olaf Scholz im kommenden Jahr zum Bundeskanzler zu machen. Selbst wenn das alle Verantwortlichen weiterhin tapfer verkünden.

Die Wahl des Duos Esken/Borjans durch den Parteitag am 6.Dezember 2019 war nur noch eine Formalie gewesen. Die wahre Entscheidung war einige Tage vorher gefallen, nach der Auszählung des Mitgliederentscheides. Da hatten die komplett unbekannte Bundestagsabgeordnete und der auch nur etwas besser bekannte frühere Finanzminister von NRW das favorisierte Gespann Olaf Scholz und Klara Geywitz hinter sich gelassen. Ein echter Schock für die Etablierten innerhalb der SPD.

Ausstieg aus der GroKo war schnell kein Thema mehr

Es waren zwei Versprechen gewesen, mit denen die Neuen die Basis auf ihre Seite gezogen hatten. Erstens: Sie würden die bei vielen Mitgliedern unbeliebte GroKo auf den Prüfstand stellen. Zweitens: Sie würden der Partei selbst wieder mehr Gehör verschaffen, die bisher meistens über ihre Ministerriege in der Bundesregierung wahrgenommen worden sei.

Die Sache mit einem möglichen Ausstieg aus der GroKo hatte sich schnell erledigt. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans handelten Angela Merkel und der Union einige Zugeständnisse ab, zum Beispiel im Bereich Digitalisierung von Schulen und mit einem Konjunkturpaket. Damit könne man weiter in der Regierung bleiben, hieß es. Deswegen wird die GroKo nun auch bis zum Herbst kommenden Jahres halten.

Beim anderen Punkt gestehen selbst Kritiker dem Führungsduo einige Erfolge zu. Die beiden kümmern sich intensiv um die Basis, haben neue Beteiligungsformate erfunden. Von Unruhen, inbesondere des linken Parteiflügels, ist seitdem nicht mehr viel zu hören. Gleichzeitig schafften es Esken/Borjans, zu einem sehr frühen Zeitpunkt den ihnen unterlegenen Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten zu installieren. Dahinter stand die Einsicht, dass der amtierende Vizekanzler wohl der einzige Sozialdemokat ist, der Stimmen in der begehrten Mitte der Wählerschaft sammeln kann.

Die neue Chefetage streitet nicht miteinander

Wer Saskia Esken in diesen Tagen trifft. der begegnet einer Frau, die mit sich im Reinen scheint. Im ersten Jahr ist es zu keinen größeren Pannen gekommen. Die 59-Jährige, bis dahin ohne nennenswerte Führungserfahrung, sitzt inzwischen wie selbstverständlich mit den Großen der Politik von Angela Merkel bis Markus Söder an einem Tisch. Von nennenswerten Differenzen mit dem Co-Vorsitzenden Walter-Borjans ist nichts zu hören, auch das trug zur Beruhigung innerhalb der SPD bei. Lediglich in den Anfangswochen sorgten die beiden für Unklarheiten, weil sie mit Vorschlägen etwa einem Tempolimit und einer Steuer auf Bodenspekulationen an die Öffentlichkeit gingen, die parteiintern nicht abgesprochen waren.

So richtig gut einzuschätzen ist da Wirken des Führungsduos vor allem aus einem Grund nicht. Und der heißt Corona. Alle Politikroutinen haben sich seit März verändert, Entscheidungen werden nicht mehr auf Koalitionsgipfeln getroffen, sondern in der Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsident(inn)en. Die Parteien selbst und ihre Vorsitzenden sind in den Hintergrund getreten. Den Mitgliedern der GroKo scheinen bei der gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie auch die Streitthemen etwas ausgegangen zu sein.

Am meisten dürfte es Saskia Esken ärgern, dass sie sich vor einem Jahr dazu hatte verleiten lassen, eine konkrete Zahl für die angestrebten Umfragewerte im Dezember 2020 zu nennen. Damals sagte sie, "Zustimmungswerte für die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr" seien ihr Ziel. Damals hatte sie die eiserne Politikerregel offensichtlich noch nicht verinnerlicht, die da lautet: Lege Dich niemals und unter keinen Umständen öffentlich auf Prozentzahlen von Umfragen und Wahlen fest.

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