Trotz Gewaltandrohung: Über 100.000 protestieren gegen Lukaschenko

25.10.2020, 17:27 Uhr
Mehr als 100.000 Menschen haben ungeachtet eines massiven Polizei- und Militäraufgebots den elften Sonntag in Folge in Belarus gegen Machthaber Lukaschenko protestiert. 

© Uncredited, dpa Mehr als 100.000 Menschen haben ungeachtet eines massiven Polizei- und Militäraufgebots den elften Sonntag in Folge in Belarus gegen Machthaber Lukaschenko protestiert. 

Die Menschen strömten aus verschiedenen Richtungen im Zentrum von Minsk zur "Stele", einem Platz zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Dort sei schon kein Platz mehr, der Protestzug bewege sich deshalb weiter, berichtete der Oppositionskanal Strana dlja Schisni (zu Deutsch: Ein Land zum Leben) in einer Live-Sendung am Sonntag.

Das Menschenrechtszentrum Wesna berichtete von mehr als 40 Festnahmen in verschiedenen Städten des Landes, wo es ebenfalls Proteste gab. In der Stadt Lida bestätigten die Behörden den Einsatz von Tränengas.

Staatsmedien zeigen die Bilder mit den Massen gegen Lukaschenko nicht. Viele Menschen trugen die historische weiß-rot-weiße Fahne und skandierten: "Lange lebe Belarus!" Hundertschaften von Polizei und Militär hatten das Zentrum der Hauptstadt Minsk abgeriegelt. Bewaffnete Uniformierte in Sturmhauben bezogen unter anderem am Prospekt der Sieger und am Unabhängigkeitsprospekt Stellung, um die neue Sonntagsdemonstration zu verhindern.

Behörden drosselten das Internet

Die Behörden sperrten sämtliche Metrostationen im Zentrum, um den Zustrom von Menschen aus den Stadtteilen zu verhindern. Sie schalteten auch das mobile Hochgeschwindigkeitsinternet ab, um zu verhindern, dass sich die Menschen zu Protesten verabreden können.

"Heute ist ein besonderer Tag", sagte die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU in einer Live-Schalte. Am Sonntag sollte ihr Volks-Ultimatum an Lukaschenko auslaufen. Die Demokratiebewegung fordert ein Ende der Polizeigewalt, die Freilassung aller politischen Gefangenen und den Rücktritt Lukaschenkos sowie eine Neuwahl. Zwar sind einige Oppositionelle aus dem Gefängnis entlassen worden, mehr Entgegenkommen ist aber nicht in Sicht. Deshalb rief Tichanowskaja mit Nachdruck dazu auf, sich an diesem Montag an einem landesweiten Generalstreik zu beteiligen oder einfach zuhause zu bleiben.

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August kommt es in der Ex-Sowjetrepublik zu Protesten, weil sich Lukaschenko nach 26 Jahren an der Macht mit rund 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Den Sieg beansprucht die Demokratiebewegung für Tichanowskaja. Die EU unterstützt Lukaschenkos Gegner und erkennt ihn nicht mehr als Präsidenten an. Unterstützung hat der 66-Jährige aus Russland.

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