Venezuela-Krise: Schluss mit Empörung - es braucht Regeln

31.1.2019, 18:40 Uhr
Venezuela-Krise: Schluss mit Empörung - es braucht Regeln

© Kamila Stepienle Pictorium/dpa

Wenn Donald Trump sich zum Vorkämpfer der Demokratie aufschwingt, ist Skepsis angebracht. Zuhause regiert der Präsident vornehmlich mit Dekreten. Von parlamentarischen Abstimmungen hält er erkennbar nicht viel. Dass die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit zurückerobert haben und er jetzt eigentlich auf sie eingehen müsste, dass will er irgendwie nicht wahrnehmen. Aber in Venezuela will er nun die Flagge der Freiheit hochhalten. Via Twitter - wie auch sonst - signalisierte Trump "starke Unterstützung für den Kampf Venezuelas zur Wiedergewinnung seiner Demokratie".

Gewiss, die gegenwärtige Regierung unter Staatschef Nicolás Maduro ist eine Strafe für sein Volk. Was unter seinem charismatischen Vorgänger Hugo Chávez 1999 die Vision eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" begonnen hatte, ist zu einer mitleidslosen Diktatur verkommen. Als die Chavisten bei den Wahlen 2015 eine krachende Niederlage erlitten, wurde das oppositionell beherrschte Parlament entmachtet. Die Justiz wurde ebenso gleichgeschaltet wie die Medien.

"Shithole country", aber mit Öl

So weit, so schlecht. Doch kann es Aufgabe der USA oder der Europäer sein, einen Regimewechsel durchzusetzen? Man wird Trump nicht zu nahe treten mit der Behauptung, dass auch Venezuela für ihn zu dem "shithole countries" (Dreckslochländer) zählt, aus denen unwillkommene Flüchtlinge in die USA strömen. Der US-Präsident würde sich um dieses Land nicht scheren, gäbe es da nicht einen wichtigen Faktor: Öl.

Auch die Europäer, die nun nach der Selbstproklamation von Oppositionsführer Juan Guiadó zum Interimspräsidenten für einen Machtwechsel eintreten, haben sich bisher nicht die Mühe gemacht, dafür eine völkerrechtliche Begründung zu finden. Es braucht aber Regeln.

Es ist erschütternd zu sehen, wie sehr wir uns alle daran gewöhnt haben, dass auf der internationalen Bühne eine neue Willkür Platz gegriffen hat. Angefangen hat das, als US- Präsident George W. Bush die Irak-Invasion befahl und dafür eine "Koalition der Willigen" ins Leben rief. Der Weltsicherheitsrat hatte eine Autorisierung blockiert – auch das von den UN entsandte Inspektorenteam um den Schweden Hans Blix hatte keinerlei Belege für Chemie- oder Atomwaffen im Irak gefunden, die Washington als Begründung für den Einmarsch dienten. Seit diesem Sündenfall sind alle internationalen Regeln zerbröselt. Das ist nirgends besser zu sehen als in Syrien, wo auswärtige Mächte einen Stellvertreterkrieg austragen.

Die Unterstützung demokratischer Kräfte in Venezuela ist sicher zu begrüßen – und notwendig. Doch es ist eine ganz andere Frage, ob damit die Forderung nach einem Regimewechsel begründet werden darf. Die Krise in Venezuela hat längst nicht nur große Teile der einheimischen Bevölkerung ins Elend gestürzt. Sie hat auch auf Nachbarländer übergegriffen. Seit 2014 sind rund zweieinhalb Millionen Menschen nach Kolumbien oder Brasilien geflohen. Die Krise muss also gelöst werden.

Moralische Empörung reicht jedoch als Grundlage nicht aus. Es braucht Regeln. Dass die USA, die seit Jahren Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela verhängt haben, da als "Vermittler" auftreten, ist völlig ausgeschlossen. Die Europäer können ihre Vermittlung anbieten, haben aber bisher keinen Auftrag. Klugerweise haben sich aber Mexiko und Uruguay in dem Konflikt bisher neutral verhalten. Sie haben sich nicht dem Aufruf der von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angeschlossen, die schon Minuten nach Guiadós Selbstausrufung ihre Unterstützung verkündet haben. Die EU jedenfalls sollte sich nicht auf Trumps Kurs begeben. Sie sollten die Regelhaftigkeit des internationalen Rechts wieder stärken. Wie sonst wollten sie bei anderen Themen, etwa dem von Trump aufgekündigten Klimavertrag oder dem Iran-Abkommen, auf die Einhaltung der Regeln pochen?

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