Verteidigungsminister zu Guttenberg zurückgetreten

1.3.2011, 10:39 Uhr
Verteidigungsminister zu Guttenberg zurückgetreten

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Verteidigungsminister zu Guttenberg zurückgetreten

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  „Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten“, sagte er. „Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.“

Der Verteidigungsminister machte deutlich, dass er sich mit seinem Rücktritt schwer getan habe. Dies sei „unbefriedigend, aber allzu menschlich“. Man gebe nicht leicht ein Amt auf, „an dem das Herzblut hängt“.

"Dramatische Verschiebung"

Guttenberg kritisierte eine „enorme Wucht der medialen Betrachtung“ seiner Person. Der Tod und die Verwundung von Soldaten rückten in den Hintergrund. Dies sei eine „dramatische Verschiebung“.

Guttenberg will sich schnell staatsanwaltlichen Ermittlungen zu den Plagiats-Vorwürfen stellen. Er habe Respekt vor all jenen, die die Vorgänge strafrechtlich überprüft sehen wollen. »Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität, sollte dies noch erforderlich sein, zeitnah geführt werden können.»

Kein Mitleid erwartet

Guttenberg sagte, die mediale Betrachtung seiner Person und die Qualität der Auseinandersetzung sei nicht ohne Auswirkung auf ihn und seine Familie geblieben. Die Mechanismen könnten zerstörerisch sein. Er erwarte aber kein Mitleid. Am vergangenen Mittwoch hatte die Universität Bayreuth entschieden, Guttenberg wegen gravierender handwerklicher Fehler den Doktortitel abzuerkennen.

Die Kritik an dem 39-Jährigen war in den vergangenen Tagen auch aus den eigenen Reihen immer größer geworden. Erst am Montag hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) demonstrativ hinter Guttenberg gestellt. Im Bundeskabinett war als erste Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) mit den Worten auf Distanz gegangen, sie schäme sich für Guttenberg.

Kehrtwendung des Doktorvaters

Eine Kehrtwendung vollzog auch Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle: Er distanzierte sich öffentlich wegen schwerer Mängel von der Arbeit seines Doktoranden. Mehr als 30 000 Menschen, darunter viele Akademiker hatten in einem offenen Brief an Merkel gegen das Verhalten der Regierung protestiert.

Guttenberg sagte am Dienstag, er ziehe die Konsequenz, die er auch von anderen verlangt habe. Er stehe zu seinen Schwächen und Fehlern. Es sei eine Frage des Anstandes gewesen, zunächst die drei in Afghanistan gestorbenen Soldaten zu Grabe zu tragen. Merkel hatte zuvor ihren Rundgang auf der Computer-Messe Cebit in Hannover überraschend unterbrochen und längere Zeit telefoniert. Dem Vernehmen nach stimmte sich die Kanzlerin auch mit FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer ab.

Seehofers Schutz wirkte nicht

Seehofer hatte wiederholt Guttenberg in Schutz genommen und erklärt, die Partei stehe geschlossen zu ihrem Minister. In der vergangenen Woche hatte Guttenberg im Bundestag Fehler eingeräumt, aber Vorwürfe absichtlicher Täuschung und Zuhilfenahme eines Ghostwriters zurückgewiesen. Fremde Hilfe habe er bei der 2007 abgeschlossenen Arbeit nicht in Anspruch genommen, beteuerte er da noch.

Der Minister hatte zugleich auf seine Mehrfachbelastung durch Beruf, wissenschaftliche Arbeit und Familie verwiesen: »Ich war sicher so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt.» Dies sei ihm nicht gelungen.

Fehlerfreie Arbeit nötig

Für das fordernde Amt des Verteidigungsministers brauche man ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit. Er habe die größte Reform in der Geschichte der Bundeswehr angestoßen, betonte Guttenberg. 

Guttenberg hatte in seiner Doktorarbeit zu großen Teilen fremde Texte verwendet, ohne dies anzugeben. Er räumte schwere Fehler ein, bestritt aber einen Vorsatz. Die Universität Bayreuth erkannte seinen Doktortitel ab.  Merkel hatte noch am Montag an Guttenberg festgehalten. Die Kritik an Guttenberg war auch aus den eigenen Reihen in den vergangenen Tagen immer massiver geworden.

Er wolle mit seinem Rücktritt „politischen Schaden“ abwenden, sagte Guttenberg.  „Es ist das der schmerzlichste Schritt meines Lebens.“  Es sei ihm nicht mehr möglich, den in ihn „gesetzten Erwartungen gerecht zu werden“, sagte der Minister weiter.

Ramsauer will nicht Nachfolger werden

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lehnt es ab, die Amtsnachfolge des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) anzutreten. “Das mute ich meiner Familie nicht zu“, sagte Ramsauer. Seine Familie habe ihn dringend gebeten, unter keinen Umständen eine derartige drastische Erschwerung der Lebensumstände hinzunehmen. “Meine Kinder sind zu klein, um jetzt nur noch in gepanzerten Wagen herumzufahren“, erläuterte der stellvertretende CSU-Vorsitzende.

Die CSU hat bestürzt und betroffen auf den Rücktritt reagiert. CSU-Chef Horst Seehofer verließ am Dienstagvormittag überraschend eine Sitzung des bayerischen Kabinetts und kam mit der Nachricht vom Rücktritt zurück, wie Teilnehmer anschließend berichteten. Er habe betroffen gewirkt, hieß es.

Söder: "Er war ein hervorragender Verteidigungsminister"

Seehofer wollte sich um 13 Uhr persönlich äußern. Der bayerische Umweltminister Markus Söder sagte: »Wir haben es im Kabinett erfahren und waren alle geschockt. Ich bedauere das sehr. Er war ein hervorragender Verteidigungsminister.»

CSU-Landtagsfraktionsvize Karl Freller sagte, er bedaure Guttenbergs Rücktritt »zutiefst», und zwar auch aus sachlichen Überlegungen. Kein anderer werde die Bundeswehrreform wohl so umsetzen können wie Guttenberg. »Wo man ihn am dringendsten bräuchte, geht er», sagte Freller, der zugleich aber großes Verständnis für Guttenbergs Entscheidung zeigte. »Die Hetzjagd wurde übermächtig.»

Der Nürnberger Bundestagsabgeordnete Michael Frieser bedaeurt den Rücktritt seines Parteifreundes: "Ich nehme den Rücktritt mit großem Bedauern, aber auch mit viel Respekt und Sympathie für Karl-Theodor zu Guttenberg zur Kenntnis. Er hat trotz der erst kurzen Zeit als Bundesverteidigungsminister den Bürgern auf hervorragende Weise verdeutlicht, dass die Bundeswehr Teil unserer Gesellschaft ist, und das Schicksal der Soldaten in Afghanistan und anderswo in den Mittelpunkt gerückt."

Auf der anderen Seite, so Frieser weiter, müsse jeder "selbst für sich und mit Rücksicht auf die ihm Anvertrauten entscheiden, ob er angesichts der öffentlichen, besser veröffentlichten Debatte, seine Arbeit noch in den Mittelpunkt des Interesses rücken kann." Zu Guttenberg mache den Weg frei für die "wieder wirklich wichtigen Debatten dieser Tage".

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