Das Familien-SUV im Fahrbericht

Nissan X-Trail e-Power: Fährt mit Strom, tankt aber Sprit

Ulla Ellmer

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18.12.2023, 18:22 Uhr
Ungewöhnliche Hybridtechnik: Der X-Trail e-Power wird von einem Elektromotor angetrieben. Dennoch ist er auf einen Verbrenner an Bord angewiesen.

© Hersteller Ungewöhnliche Hybridtechnik: Der X-Trail e-Power wird von einem Elektromotor angetrieben. Dennoch ist er auf einen Verbrenner an Bord angewiesen.

Wie er aussieht:

Stattlich. Der X-Trail ist das Topmodell von Nissan, da darf er schon ein wuchtiges, wenn auch nicht aggressives Statement setzen. Die Bezeichnung „SUV“ trifft es in seinem Fall eigentlich gar nicht so recht, „Geländewagen“ passt schon eher, als solcher hat der X-Trail schließlich auch angefangen, als er im Jahr 2001 in erster Generation auf den Markt gekommen ist. Mit 4,68 Metern Länge bewegt sich der Japaner im Konkurrenzumfeld von Kia Sorento, Hyundai Tucson, Toyota RAV4, Mazda CX-60 oder Honda CR-V.

Wie der kleine Bruder Qashqai basiert der X-Trail auf der sogenannten CMF-C-Plattform der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi. Der Vollständigkeit halber seien auch weitere Verwandte erwähnt, beispielsweise zählen die Renault-Modelle Austral und Espace zum Familienkreis.

Wie er eingerichtet ist:

Wir haben uns wohlgefühlt im X-Trail. Das lag nicht nur an den bequemen Sitzen, an der mit Geschmack getroffenen Materialauswahl und an der sorgsamen Verarbeitung. Sondern auch am Bedienkonzept: Auf digitalen Fortschritt verzichtet der Japaner keineswegs, es gibt ein Head-up-Display, ein vielfach bespielbares Fahrerinstrumentarium und einen bis zu 12,3 Zoll großen Hauptbildschirm, in dem sich Navi, Fahrzeugeinstellungen und Multimediales reaktionsfreudig und klar durchstrukturiert zusammenfinden. Mit Google Assistant und Amazon Alexa fahren routinierte Sprachassistenten mit, die Smartphone-Anbindung gelingt indes nur via CarPlay kabellos, nicht aber via Android Auto.

Doch nicht für alles hat der Zentralmonitor die Bedienhoheit. Das, was mit der Klimatisierung zu tun hat, wurde einer separaten Einheit mit klassischen Schaltern und Knöpfen überantwortet, auch die Sitz- und Lenkradheizung. Das mag nicht megacool sein, aber praktisch. Das gleiche gilt für die Lautstärkeregelung, die ebenfalls über einen hochgeschätzten Drehregler erfolgen kann.

Der X-Trail hält im Cockpit die Balance zwischen einer digitalen und analogen Bedienwelt.

Der X-Trail hält im Cockpit die Balance zwischen einer digitalen und analogen Bedienwelt. © Hersteller

Annehmlichkeiten wie das klangstarke Bose-Premium-Soundsystem, das Panoramaschiebedach und die Sonnenschutzrollos für die zweite Reihe gehören im von uns gefahrenen Topmodell „Tekna+“ zur Serienausstattung, sie tragen um ein weiteres dazu bei, dass man sich auch längerfristig gern im X-Trail aufhält. Leider führt im Tekna+ kein Weg an Ledersitzen vorbei, für die wachsende Klientel vegetarisch oder gar vegan lebender Menschen mag das ein Ausschlusskriterium sein.

Wie viel Platz er hat:

Den räumlichen Verhältnissen gebricht es nicht an Opulenz, dem Alltag mit Kindern oder der Urlaubsreise mit Freunden dürfte der X-Trail problemlos gewachsen sein. Zumal Nissan den Raum versiert variiert: Die im Verhältnis 1/3 zu 2/3 geteilte Rücksitzbank lässt sich um 22 Zentimeter längs verschieben, die Lehnen sind neigungsverstellbar und mit einer praktischen Durchreiche ausgestattet. Gegen 800 Euro Aufpreis hält eine dritte Sitzreihe mit zwei wegklappbaren Extra-Plätzen Einzug. Unter der komfortablen Armlehne zwischen den Vordersitzen versteckt sich ein großes Staufach, die Ablage an den Türinnenseiten kapituliert selbst vor größeren Wassergebinden nicht, und auch sonst stehen genügend Möglichkeiten zur Verfügung, um den üblichen Krimskrams sauber aus dem Weg räumen zu können.

Die dritte Sitzreihe kostet 800 Euro Aufpreis.

Die dritte Sitzreihe kostet 800 Euro Aufpreis. © Hersteller

Beim Fünfsitzer passen 575 Liter in den Kofferraum. Das Maximum von 1396 Litern entsteht, wenn das Fond-Sofa ganz nach vorne gerückt, die Rücksitzlehne zur ebenen Ladefläche umgeklappt und auch der flache Staubereich unterm doppelten Ladeboden genutzt wird. Die Heckklappe schwingt ausstattungsabhängig elektrisch auf, und die hinteren Türen öffnen fast im rechten Winkel. Wer Kleinkinder anzuschnallen oder einen größeres Frachtstück auf die Rückbank zu verladen hat, wird das zu schätzen wissen.

Was ihn antreibt:

Der X-Trail e-Power fährt immer elektrisch, ohne ein Elektroauto zu sein. Das kennt man schon vom kleineren Qashqai e-Power (unseren Fahrbericht lesen Sie hier) und funktioniert so: Die Räder werden stets von einem 140 kW/204 PS starken E-Motor angetrieben, der aber einen Verbrenner für die Stromerzeugung braucht. Diesen Part des Generators spielt ein 1,5-l-Dreizylinder-Benziner mit 116 kW/158 PS. Je nach Fahrsituation fließt der produzierte Strom über einen Wechselrichter in eine kleine 2,1-kWh-Pufferbatterie, direkt an den E-Motor oder an beide Adressaten. Bei der von uns gefahrenen Allradversion e-4orce wird außerdem eine weitere E-Maschine (100 kW/136 PS) an der Hinterachse tätig, was gemäß Hybrid-Arithmetik zu einer Systemleistung von 157 kW/214 PS führt.

Das Allradmodell "e-4orce" bietet unter anderem ein spezielles Fahrprogramm für Schnee.

Das Allradmodell "e-4orce" bietet unter anderem ein spezielles Fahrprogramm für Schnee. © Hersteller

Von dem seriellen Hybridsystem erhofft sich Nissan ein drehmomentstarkes, elektrisches Fahrgefühl ohne Zaudern bei der Gasannahme. Gleichzeitig soll die Effizienz stimmen, weil der Verbrenner immer im optimalen Drehzahlbereich betrieben wird.

Die Sache mit der Sparsamkeit ist deshalb wichtig, weil die e-Power-Technologie den Diesel ersetzen soll, der bei großen SUVs und Geländewagen traditionell gesetzt gewesen ist. Da der Strom an Bord erzeugt und nicht – wie bei einem Plug-in-Hybrid - über ein Ladekabel zugeführt wird, bekommt der Qashqai e-Power aber kein E-Kennzeichen. Auch die vorteilhafte 0,5-Prozent-Dienstwagenbesteuerung kann er nicht in Anspruch nehmen.

Noch ein Wort zum Allradantrieb: Neben der höheren Traktionsstärke bietet er einen weiteren Vorteil. Im Vergleich zum Fronttriebler steigt die Anhängelast von mageren 670 Kilogramm (sowohl ungebremst als auch gebremst) auf 750 bis 1800 Kilogramm. Noch mehr nimmt der alternativ zum e-Power angebotene 1,5-l-Mildhybrid auf den Haken, gebremst schafft er 750 Kilogramm, ungebremst deren 2000.

Wie er sich fährt:

Die nicht unkomplizierten technischen Vorgänge laufen diskret und unauffällig im Hintergrund ab, die beiden Motoren arbeiten sauber zusammen, der Antrieb fühlt sich der Kultiviertheit verpflichtet. Fahrt nimmt der X-Trail im leisen EV-Modus auf, und auch wenn sich der Verbrenner zuschaltet, wird es nicht laut. Erst unter stärkerer Beanspruchung erhebt der Dreizylinder vernehmlicher, aber nicht störend oder gar jaulend die Stimme.

Schön reaktionsstark erfolgt die Kraftentfaltung, linear und kraftvoll ebenso. In 7,0 Sekunden spurtet der X-Trail von 0 auf 100 km/h, Schluss ist bei 180 km/h, das reicht, finden wir.

Dass Fahrbahnunebenheiten und Querfugen bei niedrigem Tempo eher unnachgiebig pariert werden, mag im Falle unseres Testwagens auf die breiten 20-Zoll-Reifen zurückzuführen gewesen sein. Auf zügigere Fahrt gebracht, fängt der X-Trail Störstellen deutlich sanfter ein und wird zum fähigen Reisewagen, wobei Konkurrenten mit Adaptivdämpfern schon im Vorteil sind. Die Lenkung liefert eine ausreichend detaillierte Rückmeldung und arbeitet präzise genug, um das Nissan-Flaggschiff neutral um Kurven zu zirkeln.

Über den E-Shifter für die Fahrstufen lässt sich auch ein B-Modus für verstärkte Rekuperation einlegen, der Druck auf die „e-Pedal“-Taste intensiviert den Effekt noch. Zudem gibt es einen EV-Button für gezielt elektrisches Fahren ohne Verbrennerbeteiligung, die aber nur selten und bis höchstens 50 km/h Erfolg hat, die geringe Batteriekapazität lässt nicht mehr zu. Eine weitere Taste in auffälligem Blau aktiviert den sogenannten ProPilot, einen Adaptivtempomaten mit automatischer Spurhaltefunktion, der in seiner aufwendigeren Ausführung mit der Verkehrsschilderkennung und den Daten des Navigationssystems zusammenarbeitet. In letzterem Fall kommt es aber, dass das System auch Autobahnkurven für so bedenklich hält, dass es das Tempo stark reduziert.

Wie viel er verbraucht:

Am wenigsten in der Stadt, wo der X-Trail erstens langsam unterwegs ist und zweitens emsig rekuperieren kann. Nur bei Fahrten mit überwiegendem Innerorts-Anteil haben wir es geschafft, den Spritkonsum unter sechs Liter pro 100 Kilometer zu drücken. Ansonsten ging es rauf in Richtung der Sieben. Und schnellere Autobahnfahrten – wir reden von 150 km/h – schlugen mit mindestens 9,5 Litern, gelegentlich sogar mit 10 Litern zu Buche. Als Schnitt haben wir 7,2 l/100 km notiert. Ja, der Allrad-X-Trail ist ein knapp zwei Tonnen schweres Teil. Trotzdem hätten wir uns von der e-Power-Technik mehr Sparsamkeit erwartet.

Was er bietet:

Den X-Trail e-Power gibt es in fünf Ausstattungsvarianten. Die einfachste – Visia – ist allerdings nur für den Fronttriebler zu haben. Mitgeliefert werden unter anderem 18-Zoll-Leichtmetallfelgen, Audiosystem, Klimaanlage, das kleine 7-Zoll-Fahrerinformationssystem und eine Vielzahl von Fahrassistenten, vom Adaptivtempomat über den Fernlichtassistenten bis hin zum hinteren Querverkehrswarnung und der Verkehrszeichenerkennung.

Gut bei Kräften: Die Systemleistung beträgt 214 PS.

Gut bei Kräften: Die Systemleistung beträgt 214 PS. © Hersteller

Wer das Allrad-Modell 4orce bestellt, muss mindestens das zweite Level „Acenta“ konfigurieren, welches beispielsweise das 8-Zoll-Infotainment, die Connect-Services mit Google Assistant und Amazon Alexa, eine Rückfahrkamera und die Zweizonen-Klimaautomatik draufpackt.

Die vernünftigste Wahl ist wahrscheinlich der „N-Connecta“, unter anderem mit 12,3-Zoll-Touchscreen samt Navi, beheizbaren Vorder- und Rücksitzen, Lenkradheizung sowie Dreizonen-Klimaautomatik.

Das Topmodell heißt „Tekna+“, ihm geht so gut wie gar nichts mehr ab, weder der ProPilot mit Navi-Link noch das Head-up-Display, die elektrisch und sensorgesteuert öffnende Heckklappe, die Voll-LED-Scheinwerfer mit adaptivem Fernlichtassistenten oder die Einparkautomatik. Auch Ledersitze, Bose Premium-Soundsystem und Panorama-Glasschiebedach zählen zum Lieferumfang.

Was er kostet:

Ab 45.900 Euro. Wer auf den Allradantrieb verzichtet, spart 3500 Euro.

Was wir meinen:

Der Nissan Qashqai e-Power e-4orce hat uns in vielerlei Hinsicht überzeugt. Er ist attraktiv anzusehen, bietet viel variablen Platz und ein durchdachtes Bedienkonzept, macht verarbeitungstechnisch was her und bringt alle Voraussetzungen für komfortables Langstrecken-Reisen mit. Der serielle e-Power-Hybrid ist eine spannende Technik, die gut funktioniert, aber beim Verbrauch nicht so punkten kann wie erhofft. Daher mag es eine Überlegung wert sein, lieber den Mildhybrid zu wählen, der zwar weniger leistet, aber auch 6500 Euro günstiger kommt.


Datenblatt: Nissan X-Trail e-Power e-4orce

Antrieb: Serieller Hybrid, kein Getriebe, Allradantrieb

VERBRENNUNGSMOTOR:

Motorart: Turbo-Ottomotor

Hubraum 1477 - 1497 ccm

Zylinder 3

Leistung 116 kW/158 PS bei 4600 U/min

max. Drehmoment 250 Nm bei 2400 - 4400 U/min

ELEKTROMOTOR Vorderachse:

Leistung 150 kW/204 PS

Drehmoment 330 Nm

ELEKTROMOTOR Hinterachse:

Leistung 100 kW/136 PS

Drehmoment 195 Nm

HYBRIDANTRIEB

Systemleistung 157 kW/214 PS

Systemdrehmoment 525 Nm

Batteriekapazität 2,1 kWh

Höchstgeschwindigkeit 180 km/h

Beschleunigung 0 - 100 km/h 7,0 sec

Normverbrauch WLTP 6,7 – 6,3 l S/100 km

Testverbrauch 7,2 l/100 km

CO2-Emission 152 - 143 g/km

Schadstoffnorm Euro 6d-ISC-FCM

Länge 4,68 m

Breite 1,84 ohne, 2,07 m mit Außenspiegeln

Höhe 1,72 m

Radstand 2,71 m

Sitzplätze 5 oder 7

Gepäckraum 575 – 1396 l (Fünfsitzer), 177 – 1298 l (Siebensitzer)

Tankinhalt 55 l

Leergewicht 1908 - 1994 kg

zulässiges Gesamtgewicht 2345 kg

Zuladung 351 – 437 kg

Anhängelast 750 kg (gebremst), 1800 kg (ungebremst)

Stützlast 100 kg

Dachlast 100 kg

Reifengröße 235/60 R18 (Ausstattung Visia, Acenta, N-Connecta)

Versicherungs-Typklassen 20 (KH), 26 (VK), 26 (TK)

Preis ab 57.690 Euro

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