Die Zeit des Misstrauens ist längst vorbei

30.10.2013, 11:45 Uhr
Die Zeit des Misstrauens ist längst vorbei

© Hans-Joachim Winckler

Der Mann der ersten Stunde ist auch der Mann der 50. Stunde. „Aus dem Boden gestampft haben wir damals gar nichts, das hat sich entwickelt“, sagt Klaus Peter Schriegel. Der Diplomingenieur und 1. Vorsitzende des Kirchenmusikvereins weiß zu berichten von turbulenten Zeiten, von Organisten, die einander lieb hatten wie Pest und Cholera; Ökumene, heute ein selbstverständliches Identitätsmerkmal der Kirchenmusiktage, war in den sechziger Jahren eine Tretmine. Doch Schriegel und sein Kompagnon Walter Teufel blieben unbeirrt.

Im Orgelunterricht in St. Paul hatten sie sich 1957 kennen und schätzen gelernt. Nach dem Beitritt in die Gesellschaft der Orgelfreunde Nürnberg und nach dem Münchner Studium beschloss das Duo: Festtage für geistliche Musik können nicht nur die nebenan, sondern wir auch. In St. Paul begann alles, bald hatte die Gesellschaft mehr Fürther als Nürnberger Mitglieder; bald auch hatte Schriegel einen Fuß in der Tür des Hauses Schickedanz, was den nicht ganz preiswerten Bau der Walcker-Hauptorgel in der Südstadtkirche deutlich erleichterte. Der musikalische Sound stimmte also — den ersten ökumenischen Festgottesdienst aber sollte es erst 1969 geben. Man muss Schriegel beim Erzählen erleben, er erinnert sich wie einer, der stets zu sagen scheint: Kinder, ich könnte ein Buch füllen.

Untertitel-Idee: „Eine Erfolgsgeschichte.“ Die programmatische Öffnung vom deutschen Barock hin zu Frankreich, Osteuropa, Italien und zur Gegenwart erfolgte in den neunziger Jahren, und für die lang ersehnte personelle Kontinuität bürgen die Kantorinnen Sirka SchwartzUppendieck (Auferstehung) und Ingeborg Schilffarth (St. Michael) als künstlerische Leiterinnen. Ort des Festgottesdienstes ist am Sonntag um 17 Uhr das evangelische Gotteshaus St. Paul, ans Mozart-Werk (Krönungsmesse, Te Deum) machen sich die katholischen Stadtkantoren Dieter Neuhof am Continuo (Unsere Liebe Frau), Andreas König (St. Heinrich) und Matthias Hofknecht (Christkönig) dirigierenderweise. Zum Jubiläumsempfang gibt es einen Zeitstrahl und Häppchen nach 60er-Jahre-Rezepturen.

Als Lichtkünstler präsentiert sich Neuhof beim Concerto illuminato genannten Heimspiel (Zu Unserer Lieben Frau, Königstraße 139, 8. November, 19.30 Uhr, 10/8 Euro) mit zeitgenössischen Werken für Vibrafon, Orgel und Klavier. Die Kirche wird abgedunkelt sein. Themenvorschläge der Zuhörer sind erwünscht, wenn Bambergs Domorganist Markus Willinger im Orgelkonzert zum 9. November (St. Heinrich, Kaiserstraße 113, 19.30 Uhr, Eintritt frei) hinlangt — zudem gibt es g-Moll-Werke der Herren Buxtehude, Brahms und Bach.

Mit romantischer Literatur und neuen Werken Werner Heiders beginnt Schwartz-Uppendieck am 10. November (15 Uhr, Eintritt frei) in Auferstehung ihren Orgelspaziergang, der eine Stunde später zur Eisenbarth-Orgel von Unserer Lieben Frau führt; dort spielt Neuhof Musik des Klassizismus. Das 14. Fürther Komponistinnenkonzert wartet unter anderem mit der Uraufführung des Oratoriums „Debora“ von Barbara Heller am 17. November (Auferstehung, 18 Uhr, 15/8 Euro, ZAC-Rabatt) auf. Um 17 Uhr beginnt ein Einführungsgespräch zum Thema „Debora — Recht und Gerechtigkeit“. Zauberhafte Klänge für den Nachwuchs am 18. November (Unsere Liebe Frau, 10 Uhr, 2 Euro): Im Orgelkonzert für Kinder naht Prokofjews Klassiker „Peter und der Wolf“. Zum Kinderbibeltag (Gemeindehaus St. Paul, Dr.-Martin-Luther-Platz 1, 10.30 Uhr, Eintritt frei) erklingt das Singspiel „Das Drei-Farben-Land“ mit den Kinderchören der Tagesstätten Fichtenstraße, Sonnenstraße und des Horts St. Paul.

Zwei dicke Brecher des geistlichen Repertoires bilden Höhe- und Schlusspunkt des Festivals: Im Stadttheater trauen sich die Jungen Fürther Streichhölzer am 10. November (18 Uhr, 8-22 Euro) unter Bernd Müller und mit einer Solistenschar, die die prominente Sopranistin Cornelia Götz anführt, an Giuseppe Verdis pompöse Messa da Requiem — meditativ eingeleitet von Paul Hindemiths Trauermusik für Streichorchester mit Solobratsche; erstmals zu Kirchenmusiktags-Ehren kommen Kantorei und Vokalensemble Langenzenn.

Volkstümlicher Abschluss: Felix Mendelssohns „Elias“ servieren Schilffarth, die Stadtkantorei und das um Blechbläser erweiterte Kammerorchester KlangLust in zwei Aufführungen in St. Michael (23. November um 19.30 Uhr, 24. November um 17 Uhr, 22/14 Euro). Als Begleitausstellung zu „Elias“ ist seit dem Wochenende in St. Michael die Schau „Tolerancism“ mit Arbeiten von Schülern des Erlanger Christian-Ernst-Gymnasiums zu sehen, geöffnet ist täglich.

„Wir wollen uns im Wortsinn entrüsten“, so Dramaturg Michael Herrschel über das Motto dieser Kirchenmusiktage. Was heißt Pazifismus in der Musik? Esther muss den Tod verkünden, der kriegerische „Elias“ fungiert gleichsam als Korrektiv, die Messa entstammt der Feder eines Kirchenkritikers. Die Rüstung ablegen — 50 Jahre nach den Anfängen voller konfessioneller Misstrauensvoten nicht die unklügste Idee.

Karten an den Abendkassen oder im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 7798728).

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