16. September 1970: Messezentrum zwischen Ost und West

16.9.2020, 07:00 Uhr
16. September 1970: Messezentrum zwischen Ost und West

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So revolutionierend sogar, daß die Stadt in den nächsten Jahrzehnten zu einer Messe-Drehscheibe in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ost und West werden kann (so Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni), falls die Ostpolitik der Bundesregierung ihre Früchte trägt.

Die Kosten: 129,5 Millionen Mark, immer gemessen an den heute üblichen Baupreisen.

Zwei Tage lang saß die Jury aus Bau- und Messefachleuten sowie aus Kommunalpolitik in der „Norishalle“ zusammen, ehe gestern um 16 Uhr die Entscheidung verkündet wurde. Der Entwurf der „Plan“, Gesellschaft für Regional-, Architektur- und Ingenieurplanung mbH (Geschäftsleitung: Ernst Denk, Herbert Groethuysen und Dr. Wolfgang Uebe) hatte den Vorzug bekommen.

Die Gründe, die das Preisgericht veranlaßte, die Landeshauptstädter vor den Einheimischen fast einstimmig auf den ersten Platz zu setzen, sind vielfältig. Vor allem bestach der Gedanke, vom rechteckigen Grundriß abzugehen, der bisher bei Messebauten gang und gäbe war. Die Münchner wählten stattdessen ein Dreieck, an das sich die Messefachleute freilich erst noch gewöhnen müssen. Denn diese Form hat auf der ganzen Welt kein Beispiel.

Der dreieckige Raster ermöglicht es nicht nur, die einzelnen Hallen schön fürs Auge anzuordnen. Er eröffnet auch innenarchitektonische Möglichkeiten, etwa bei der Gestaltung der Messestände. Das Preisgericht war außerdem davon beeindruckt, daß die Dächer als fünfte Seite der Gebäude von den Münchnern in die Architektur mit einbezogen wurden. Was das bedeutet, werden die Nürnberger spätestens dann erkennen, wenn sie vom „Silberberg“ herab das Areal überblicken.

Dazu kommen die Verkehrslösungen für die Fußgänger, die entweder am Fuß des „Silberberges“ vom U-Bahnhof Neuselsbrunn zum Stadion hinüberpilgern können, oder auf aufgeständerten Wegen quer durch das Messegelände, Ein letzter wichtiger Gesichtspunkt: die Planer vereinten die elegante Lösung mit einem annehmbaren Preis. Mit ihrer Summe lagen sie auf dem vierten Platz. Für die knapp 130 Millionen Mark bekommt die Stadt im ersten Bauabschnitt eine achteckige Mehrzweckhalle mit 13 500 Quadratmeter Nutzfläche. Sie liegt direkt am U-Bahnhof Neuselsbrunn und erlebt ihre Feuertaufe bei den olympischen Vorrundenspielen im Hallenhandball im Juli 1972. Bis dorthin muß auch das Verwaltungs- und Servicezentrum fertig-gestellt sein.

Weitere 20.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und das Hauptrestaurant folgen bis zum September, wenn die Rhein-Main-Donau-Ausstellung ihre Tore öffnet. Kommen dann Anfang 1973 die Aussteller und Einkäufer zur Internationalen Spielwarenmesse, wird der gesamte erste Bauabschnitt mit 66 000 Quadratmetern stehen, viel mehr Platz als auf dem alten Gelände, auf dem die Messegäste (einschließlich der Leichtbauhallen) mit 47.000 Quadratmetern vorlieb nehmen mußten.

In den Preis eingeschlossen sind außer der Mehrzweckhalle und acht ebenerdigen Messegebäuden weitere vier Hallen (24 000 Quadratmeter), die in den folgenden Bauabschnitten an der Südseite angehängt werden. Dann kann sich Nürnberg eines im Grünen gelegenen Messegeländes rühmen, mit dem keine Konkurrenz befürchtet zu werden braucht. Denn der Vorteil, daß es mit dem Auto und mit Massen-Verkehrsmitteln gut erreicht werden kann, ist schon bei der Standortwahl gepriesen worden.

Offen bleibt zur Stunde nur die Finanzierung. Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni hofft, daß der Bund wenigstens Bürgschaften leistet und das Land Bayern wegen der knappen Termine bald Farbe bekennt und zu Zusagen über seine Beteiligung bereit ist.

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