"Ich sah auf dem Handy, wie mein Haus absoff"

6.6.2016, 12:10 Uhr

© Bastian Lauer

Ruhig, direkt an der Zenn. Ein Traum, der jetzt einsturzge­fährdet ist. Er überlegt, das Häuschen aufzugeben. Doch da ist diese ganze Hilfsbereitschaft, der er sich nicht er­wehren kann. Ein Besuch.

Ein Dutzend Autos parkt den Geh­steig der Uffenheimer Straße zu. Di­rekt vor dem Anwesen mit der Haus­nummer 19 steht ein großer Traktor mit Anhänger. Im 30-Sekunden-Takt kippen Helfer Schutt auf den Wagen. Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt. Leute wuseln durch den schmalen Weg, der neben einem Müllberg vor­bei ins Haus führt. Einige haben sich vorher nie gesehen. Alle wollen ein­fach nur helfen.

Seit Montag geht es bei Johannes Treuheit so zu. Auslöser war wohl das Interview, das er vor den Fern­sehkameras des Bayerischen Rund­funks gegeben hatte, spekuliert er. Sein Schicksal be­rührte – Freunde, nur entfernt Be­kannte, Wildfrem­de. "Die Leute sind ins Auto gestiegen und einfach herge­fahren. Am Montag standen plötzlich Bekannte in der Einfahrt, die habe ich seit drei Jahren nicht mehr gese­hen." Er macht große Augen, als er das erzählt. Er lächelt. "Momentan überwiegt der Dank an all diese Leu­te ganz klar die Trauer, dass mein Haus abgesoffen ist."

Treuheits Telefon stehe seit Montag nicht mehr still. Seine Freundin Mi­riam Weynerowski, eine Obernzenne­rin, hat es ihm längst abgenommen. "Sie ist jetzt meine Sekretärin", sagt er. Mit jenem Telefon, über das er jetzt so viel Unterstützung erfährt, fing der ganze Albtraum des 34-Jäh­rigen, der ursprünglich aus Trauts­kirchen stammt, aber auch an.

Er saß am Sonntagabend im Auto, als auf der Autobahn 7 der Verkehr stockte: Stau wegen des Unwetters. Zur Ablenkung spielte er an seinem Mobiltelefon herum. Über die sozia­len Netzwerke stieß er schnell auf schreckliche Bilder und Videos aus Obernzenn: "Ich hab’ auf dem Handy gesehen, wie mein Haus absäuft. Ich hab’ gedacht, ich bin im falschen Film." Aus Richtung Urphertshofen kam die erste große Welle übers Feld geschwappt. Sein Haus traf es als ers­tes. Eine sechsstellige Summe, viel Zeit und Arbeitskraft steckten in dem Traum vom Eigenheim.

© Bastian Lauer

Jetzt war alles kaputt: "Ich hab’ geheult wie ein Schlosshund." Selbst als er um halb elf in Obern­zenn ankam, konnte er nicht zum Haus. Das ganze Dorf war abge­sperrt, die Hauptstraßen nicht pas­sierbar. Erst irgendwann nachts war es soweit: "Ich bin dann stundenlang ums Haus getigert, um zu sehen, was los ist. Aber, und ich weiß das klingt kitschig: Meine größte Sorge war nicht mal das Haus, sondern ob mein Kater noch lebt." Fritz hatte sich in die Scheune geret­tet, die auch auf dem Grundstück steht. Und in der einen Meter hoch das Wasser stand. Darin war Bauma­terial für die nächsten Umbauten am Eigenheim gelagert. Auch alles Schrott. Dass Fritz lebt: ein kleines Wunder.

Montagmittag war die braune Brü­he so weit zurückgegangen, dass Treuheit sich ins Haus traute. Die Schäden waren verheerend. Es war klar: alles raus und gleich das ganze Haus entkernen, Böden rausreißen, Wände aufmachen. Doch es gab Pro­bleme. "Es ist gleich mal eine halbe Wand in den Raum reingefallen", er­zählt er. Statisch sei das noch kein Problem gewesen, doch in der nächs­ten Wand waren die Stützbalken verfault. Als er am Dienstag an der Außenseite zur Zenn hin einen Riss entdeckte, schal­tete er das Technische Hilfswerk aus Neustadt ein. Ein Trupp stützte die Hauswand mit einer Holzkonstruk­tion ab.

Der Riss ist älter, wie mittlerweile klar ist. Doch am Mittwoch kam das Bad. "Das ist ganz neu gewesen. Da steckt viel Geld drin", sagt Treuheit. Steckte. Keine einzige Fliese ist mehr übrig, alle Armaturen haben die Hel­fer entfernt. Und viel schlimmer: "Die Hauswand dahinter hat sich ein Stück bewegt." Ein Statiker hat dem 34-Jährigen mittlerweile schlechte Nachrichten überbracht. "Ich muss so viel Geld reinstecken, dass ich mich bis in die Rente rein verschulden würde."

In der eigenen kleinen Welt

Ob er das wirklich will, weiß der junge Mann nicht. Was gerade alles passiert, überfordert ihn: "Ich habe die ersten Tage nur in meiner kleinen Welt Uffenheimer Straße 19 gelebt. Ich habe nicht mal mitbekommen, was vorne Am Plärrer los war." Weg­schmeißen oder nicht? Wo hinräu­men? Wie kann ich helfen? Mit sol­chen Fragen beschäftigte er sich hun­dertfach. Und er bekam von allen Seiten Möbel angeboten, und sogar Geld zugesteckt. "Ich weiß doch gar nicht, wohin damit", sagt er kopf­schüttelnd und überwältigt zugleich. Wieder diese großen Augen.

Geschlafen hat Treuheit seit der Katastrophe übergangsweise bei sei­ner Freundin, im Laufe dieser Woche will er eine Wohnung in Markt Erl­bach beziehen, die seinem Onkel ge­hört. Das Ende des Traums vom Eigenheim? "Ak­tuell habe ich klei­ne Hoffnungen, aber ich bin sehr sprunghaft momen­tan", sagt er. Dann nimmt ihn mal wieder seine Freundin in den Arm. Es hat sehr stark zu regnen begon­nen. Sagt er zu ihr: "Sehr schön. Es wird Zeit, dass es mal wieder reg­net." Sein Haus hat Johannes Treu­heit verloren. Seinen Humor nicht.

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