Bahn

Protest und Zustimmung: Streit um ICE-Instandhaltungswerk

25.5.2021, 10:50 Uhr
Protest und Zustimmung: Streit um ICE-Instandhaltungswerk

Ist das das Ende aller Demonstrationen gegen das ICE-Werk in der Region oder geht das Hauen und Stechen jetzt erst recht los? Während am Samstagmorgen zeitgleich in Feucht und in Altenfurt die Gegner einer derartigen Einrichtung der Bahn vehement aus Natur- und Bevölkerungsschutzgründen ihre Ablehnung kund tun, darunter zahlreiche Bürgervertreter, können gleichzeitig Tausende in der aktuellen Ausgabe des Schwabacher Tagblatts lesen, dass der Marktgemeinderat von Wendelstein einem Bau auf dem Muna-Gelände zustimmt.

Und während Feuchts Bürgermeister Jörg Kotzur (parteilos) auf dem Sparkassenplatz eine flammende Rede gegen den Standort im Reichswald hält, findet sein Wendelsteiner Kollege Werner Langhans (CSU), die Muna sei "nicht so ungeeignet", Voraussetzung sei, dass das Gelände, das seit dem Zweiten Weltkrieg mit Kampfstoffen verseucht ist, komplett von Munition befreit werde. Der Markt Feucht sei sicherlich auch an der Räumung des Muna-Areals interessiert, glaubt Dr. Jörg Ruthrof (Freie Wähler), bevor der Marktgemeinderat sich einstimmig für den Standort Muna ausspricht.

Ist der Markt Feucht, dessen Gebiet das für die Öffentlichkeit gesperrte Muna-Gebiet ebenfalls berührt, definitiv nicht. Das konnte man eindrucksvoll auf der vom Bund Naturschutz organisierten Demo erleben, wo sich Organisationen und Bürger gegen die Zerstörung der Natur wandten. Insbesondere die BI "Ja zum Reichswald" sowie das Bündnis "Kein ICE-Werk im Reichswald" waren stark vertreten, Marktgemeinderäte aller Couleur, kleine Kinder mit Protestbannern verbrachten mehr als eine Stunde auf der Kundgebung, die von Sophie Wurm, der ersten Vorsitzenden der Feuchter BN-Ortsgruppe, moderiert wurde und lauschten den Argumenten der Sprecher.

Kotzur ruft zu Protest auf

Jörg Kotzur sprach den Regionalplan für die Region Nürnberg an, der die verschiedenen Interessen der Bürger aufeinander abstimmt, und das Bayerische Landesplanungsgesetz, das in seiner Umsetzung verbindlich ist. Darin ist festgelegt, dass Naturgüter sparsam und schonend in Anspruch genommen und das Gleichgewicht des Naturhaushalts nicht nachteilig verändert werden dürfe. Bei einem Standort in oder südlich der Muna für das Instandhaltungswerk würden zahlreiche dieser Grundsätze verletzt, die aber doch gesetzlich festgelegt sind, so Kotzur, der diese Prinzipien ausführlich zitierte. Abschließend rief er die Bevölkerung zum Protest auf: "Lassen Sie uns für unsere Natur, unseren Wald kämpfen!"


Gewerkschaft: Protest gegen ICE-Werk in Nürnberg bremst Verkehrswende


Weit holte Tom Konopka, der Regionalreferent des BN für Mittel- und Oberfranken, als Hauptredner aus. Er blickte zurück auf Erfolge, die BN-Bewegungen in der Vergangenheit schon erzielten, wenn es wie auch jetzt wieder um die Bedrohung des Reichswalds ging. Dass dieser Forst als Bannwald eingestuft wird, zeige, dass er nach dem Waldgesetz einer hohen Schutzfunktion unterliege, die bewahrt werden müsse. Natürlich spielte die Funktion des Waldes im Zusammenhang mit der Klimaveränderung in seiner Ansprache eine große Rolle, vom Waldsterben 2.0 sprach er angesichts der Erderwärmung, die den Wald als natürlich Klimaanlage und zum Binden von CO2 bedrohe.

Kritik an Scheuer und König

Er wies aber auch auf das Dilemma hin, in dem man sich befinde angesichts der angestrebten Verkehrswende, die man ja brauche. ICE-Werk ja, aber nicht im Reichswald, lautete sein Credo. Während er die Fridays for Future-Bewegung lobte, bekamen andere ihr Fett weg. So habe Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König über die Bahn-Pläne gejubelt und gemeint, es müssten halt ein paar Bäume fallen. Mehr noch schießt er sich aber auf den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ein. Solange der autoindustriefreundliche Politiker Minister sei, sollten weiterhin Autobahnen ausgebaut und Natur zerstört werden.

Doch man werde sich wehren, versicherte er in seiner engagierten Rede. "Die Bürgerbewegung Rettet den Reichswald ist immer noch da", rief er den Zuhörern zu, die seine Worte wiederholt mit Beifall unterstrichen, und versprach entschlossen: "Die Bahn wird sich hier die Zähne ausbeißen."
Als Alternative zu Waldrodungen forderte er, nach Industrie- und anderen Brachen zu suchen, und zwar in ganz Süddeutschland, denn wenn die Bahn mit ihrem Ansinnen, auf oder neben dem Muna-Gelände Wald zu roden, Erfolg hätte, dann würde das einen Flächenbrand auslösen. "Das wäre das Ende des Reichswalds westlich von Feucht", ist er sich sicher und fasste es noch einmal zusammen: "Es reicht. Wir brauchen den Wald."

Unterstützung aus Wendelstein

In die gleiche Kerbe schlug Stefan Pieger, der erste Vorsitzende des Wendelsteiner Bund Naturschutz. "Wir stehen fest an Ihrer Seite, wenn es darum geht den Wald zu verteidigen", versprach er. Bei den Naturschützern habe man schon in den 80er Jahren begriffen, wie wichtig der Wald für das Klimagleichgewicht ist. Er sprach von den leeren Versprechungen, dass das ICE-Werk keine negativen Auswirkungen auf Wald und Vogelschutzgebiet hätte. Das dürfe man aber nicht glauben, denn diese Aussagen stützten sich auf Gutachten, die von den entsprechenden Personen gut bezahlt würden.


Nach Proteststurm: Aus für Ticketschalter an Niederbayerns Bahnhöfen verschoben


Auf den Beschluss des Wendelsteiner Marktgemeinderats ging Pieger mit keinem Wort ein. Am Rande der Demonstration nannte er ihn im Gespräch mit dem Boten allerdings "eine Katastrophe". Die Markträte glaubten, die Entmunitionierung sei so einfach durchzuführen, was tatsächlich aber ein sehr langwieriger und komplizierter Prozess sei. Dies deckt sich mit der Einschätzung von Harald Danzl, dem Pressesprecher des Bündnisses "Kein ICE-Werk im Reichswald". Es sei noch gar nicht klar, ob eine Beseitigung der Munition und Schadstoffe überhaupt möglich sei. Außerdem könne dies die Bahn ja nicht selber machen, sondern es wären sehr viele Bundesministerien beteiligt und der Wald könnte bei dieser Maßnahme auch nicht geschont werden. Abschließend lud Danzl zu einer weiteren Demonstration auf dem Sparkassenplatz am 19. Juni um 10 Uhr auf, die unter dem Motto "Stromtrasse P 53, Raumordnungsverfahren und Handlungsmöglichkeiten für Bürger" steht.

Proteste auch in Altenfurt

Auch in Altenfurt prägten Banner und Protesttransparente – nicht nur – am Samstagmorgen das Ortsbild. Knapp 300 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung, obwohl nicht für sie geworben worden war. Organisator Markus Fleischmann stellte ein großes Aufgebot an ICE-Werk-Gegnern, darunter Heide Frobel, die BN-Vorsitzende des Nürnberger Landes. Fleischmann kritisierte neben der Bahn, die seiner Meinung nach immer noch den Standort Altenfurt-Fischbach präferiere und für die Bürgerbeteiligung eine hohle Phrase sei, auch den Nürnberger Stadtrat, der es an Unterstützung fehlen lasse, obwohl Mitglieder des Rats der Bürgerbewegung zugesichert hätten, dass sie den Standort für ungeeignet hielten. Auch Fleischmann gab die zukünftige Richtung vor und argumentierte: "Wir müssen den Druck weiter erhöhen! Wir brauchen weitere Demonstrationen!"


Protest gegen ICE-Werk: "Verkehrswende nicht mit der Kettensäge"


Verwandte Themen


16 Kommentare