Nürnberger Land hofft: Straßenausbaubeiträge vor Aus?

4.2.2018, 18:12 Uhr
Nürnberger Land hofft: Straßenausbaubeiträge vor Aus?

© Anne Cichon

"Sie ist einfach ungerecht", ist die klare Antwort von Holger Riedelbauch, stellvertretender Vorsitzender der Freien Wähler Röthenbach, auf die Frage, warum die Satzung, abgeschafft werden sollte. Diese regelt Verbesserungen und Erneuerungen von Straßen. Die Kosten dafür werden anteilig auf die Anwohner umgelegt. Genau das findet Riedelbauch aber ungerecht, denn Straßen werden nicht nur von Anliegern genutzt.

Teilweise müssten betroffene Anlieger fünfstellige Beträge für den Straßenausbau zahlen, fügt er hinzu. Für jemanden, der seine Immobilie erst gekauft oder saniert hat, können solch hohe Summen womöglich sogar existenzbedrohend sein, meint der FW-Politiker.

Unterschriften gegen Strabs

Die Freien Wähler Röthenbach unterstützen deshalb ihren Landesverband bei der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren. Bei einem ersten Infostand kamen knapp über 200 Unterschriften zusammen, berichtet Riedelbauch. Am Samstag, 10. Februar, gibt es vor der Postfiliale in Röthenbach von 10 bis 12 Uhr wieder einen Infostand. Außerdem liegen in der Pegnitz-Apotheke in Röthenbach Unterschriftenlisten aus. Diese können aber auch auf der Homepage heruntergeladen werden.

Auch die Freien Wähler Lauf sammeln am 10. Februar Unterschriften. Deren Infostand steht von 10 bis 12 Uhr auf dem Marktplatz auf Höhe des "Wilden Mann".

Wer Unterschriften sammeln möchte, sollte dies aber nicht in den Rathäusern tun, rät die Kommunalaufsicht im Landkreis Nürnberger Land. Diese überwacht, dass Gemeinden sich gesetzmäßig verhalten. Rathäuser seien zur Neutralität verpflicht. Es dürfe nicht der Anschein entstehen, dass es eine Parteilichkeit gibt.

Einzelfälle müssen rechtlich geprüft werden

Was passiert nun mit ausstehenden Fällen? Muss noch abgerechnet werden oder nicht? Man warte auf eine Lösung des Freistaats für die Übergangszeit, so die Kommunalaufsicht. Dennoch habe sich die geltende Rechtslage bislang noch nicht geändert. Man müsse daher jeden Einzelfall genau prüfen. Schnaittach rechnet ab

Für Schnaittachs Bürgermeister Frank Pitterlein ist klar: "Die Rechtslage hat sich nicht geändert. Deshalb habe ich eine juristische Verpflichtung, die Beiträge auch abzurechnen." Das betrifft vor allem das neu gestaltete Umfeld der Kirche in Kirchröttenbach, darunter den Kirchenvorplatz. Für den zweiten Abschnitt der Maßnahme muss noch gezahlt werden.

Pitterlein findet es zudem falsch, die Gemeinden darin zu bestärken, noch ausstehende Beiträge nicht mehr abzurechnen. Dennoch sei er für eine neue, bürgerfreundliche Lösung immer offen. Es müsse aber auch geklärt sein, dass es nach einer möglichen Abschaffung der Beiträge einen finanziellen Ausgleich gibt.

Situation ist völlig unklar

Im Herbst steht die Erneuerung der Haidlinger Straße in Osternohe an. Nun hofft Pitterlein, dass der Marktgemeinde das Projekt "nicht auf die Füße fällt". Wenn es keine finanzielle Lösung gibt, könnte Schnaittach auf 200.000 bis 300.000 Euro sitzen bleiben, schätzt Pitterlein. Deshalb wolle er vorerst auch keine weiteren Maßnahmen in Angriff nehmen.

In Rückersdorf war die Sanierung der Bergstraße zwischen den Einmündungen Hirschenrangen und Obere Bergstraße geplant. Bei dieser Maßnahme wollte die Gemeinde erstmals nach der Straßenausbaubeitragssatzung abrechnen. Inzwischen wollten betroffene Bürger wissen, ob die Sanierung noch nach der Satzung abgerechnet wird, so Bürgermeister Manfred Hofmann. "Die Situation ist momentan völlig unklar. Und so lange das so ist, sollten wir weitere Entwicklungen abwarten", meint er. Deshalb wolle er die Gemeinderäte in der nächsten Sitzung darüber abstimmen lassen, die Instandsetzung der Berg­straße zu verschieben.

70.000 Euro wollte die Gemeinde in diesem Fall auf die Anwohner umlegen. Bis 2021 wären es insgesamt sogar 400.000 Euro, die die Kommune von den Bürgern für Straßensanierungen bekommen würde. "Das ist für so eine kleine Gemeinde wie unsere sehr viel Geld. Deshalb hoffe ich, dass es eine vollständige Kompensation gibt, falls das Gesetz geändert wird. So hat es Markus Söder ja versprochen", betont Hofmann. Ohne einen Ausgleich gehe es nämlich nicht, meint das Gemeindeoberhaupt mit Nachdruck. "Sonst können die Straßen nicht saniert werden."

Keine "Luxusvarianten"

Auch Simmelsdorfs Bürgermeister Perry Gumann befürchtet, dass es bei einer Abschaffung der Strabs keinen angemessenen Ausgleich gibt. Deshalb sei er davon nicht überzeugt. In seiner Gemeinde gibt es die Satzung seit über 30 Jahren. Allerdings sei nur selten danach abgerechnet worden. Die Gemeinde habe ihre Bürger nicht unnötig belasten wollen und habe deshalb auf "Luxusvarianten" verzichtet.

Kurios ist auch die Situation in Lauf: Dort wurde die Strabs 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2011 eingeführt, weiß Benjamin Wallner, der Geschäftsstellenleiter der Stadt Lauf. Mit wechselnder Mehrheit sei die Satzung dann 2013 rückwirkend zum 1. Januar 2011 vom Stadtrat wieder abgeschafft worden. Somit sei die Strabs in der Kreisstadt, genau genommen, keinen einzigen Tag in Kraft gewesen, so Wallner.

"Wir hängen total in der Luft. Die Gemeinde genauso wie die Bürger", sagt Neunkirchens Bürgermeisterin Martina Baumann. Im vergangenen Jahr sei der Rollhofer Weg in Neunkirchen neu gemacht worden. Im Sommer müsse die Maßnahme abgerechnet werden, so die Bürgermeisterin. Die Anwohner dort hätten bereits vorsorglich Widerspruch dagegen eingelegt. Es sei ja noch völlig unklar, bis zu welchem Stichtag die Bürger noch zahlen müssten, fügt sie hinzu.

Was ist die Strabs?

Die Straßenausbaubeitragssatzung (kurz: Strabs) regelt Maßnahmen zur Verbesserung oder Erneuerung von Straßen einer Kommune. Die rechtliche Grundlage bildet das Bayerische Kommunalabgabengesetz. Die Satzung sieht außerdem vor, dass die Kosten für eine Straßensanierung anteilig auf die direkten Anwohner umgelegt werden müssen.

Bis zum 1. April 2016 mussten Kommunen diese Beiträge in einer Einmalzahlung abrechnen, was zum Teil zu sehr hohen Kosten bei den Anwohnern führte. Seit der Gesetzesänderung können Kommunen nun kleinere, wiederkehrende Ausbaubeiträge von den Bürgern verlangen, die zudem nicht nur von den direkten Anwohnern der jeweils betroffenen Straße, sondern von allen Bürgern innerhalb eines festen Bezirks erhoben werden. Sie bilden dann eine Art Solidargemeinschaft, was den Einzelnen entlastet.

Straßenausbaubeiträge sind nicht zu verwechseln mit Erschließungsbeiträgen, die für die erstmalige Herstellung einer Straße erhoben werden. Straßenausbaubeiträge fallen erst dann an, wenn eine bestehende Straße saniert werden muss. Kosten für kleinere Ausbesserungen, sprich den reinen Straßenunterhalt, übernimmt zudem die Kommune. Sie werden nicht auf die Bürger umgelegt.

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