Diskussionsrunde in Neustadt: Signal zur Energiewende

18.7.2017, 19:00 Uhr
Diskussionsrunde in Neustadt: Signal zur Energiewende

© Harald Munzinger

 Viele Grüne aus Stadt und Kreis Fürth  waren zur Diskussionsrunde nach Neustadt gekommen. Der Entwicklungspolitiker Kekeritz hatte dazu den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag und deren Umweltexperte Oliver Krischer eingeladen, den er zu den besten Rednern im Parlament zählte. Und als energischen Widersacher der Minister schätzte. Kekeritz geißelte die Maut als Verwaltungsmonster, das mehr koste als einbringe, sowie als einen "weiteren Angriff auf das instabile Europa". Auch mit dem Abgasskandal hatte er Verkehrsminister Dobrindt im Visier. Er sprach von einer Art "Korruption ohne auch nur einen Cent", wenn man an bestehenden Gesetzen vorbei die Augen zugunsten der Autoindustrie verschließe.

Der Bundesregierung warf er in Bezug auf den Steinkohleimport vor, nicht nur klimaschädlich zu handeln, sondern auch Menschenrechte zu verletzten. Die einzige positive Feststellung traf er beim Blick auf die Entwicklung der erneuerbaren Energien im Landkreis und dessen Energiekonzept. Seine Anerkennung galt der Bilanz mit 109 Prozent erneuerbaren Energie und damit 370.000 Tonnen eingespartem CO2, wähnte "das Potenzial aber noch viel höher" ein.

Energiewende in der Bevölkerung verankern

Klare Aussagen zur Energiewende müssten in der Bevölkerung verankert werden und seien für alle Lebensbereiche zu sehen. Die Politik müsse dafür eine positive Stimmung schaffen, was Kekeritz von Gabriel bis Seehofer vermisste. Sein Fraktionskollege Krischer begrüßte den beschlossenen Atomausstieg, für den die Grünen in den 70er und 80er Jahren als Pioniere ausgelacht worden seien. Doch sei dieser noch nicht abgeschlossen, um Deutschland herum die Atomkraft ein ebenso brisantes Thema wie die Endlagersuche. Deutschland mache in Europa keinen Druck und sorge mit der gleichzeitigen Produktion von Brennelementen für einen Anachronismus.

Wie aus der Atomenergie müsse man "systematisch und strukturiert" auch aus der Kohle aussteigen, mit der Nordrheinwestfalen noch 70 Prozent des Stromes erzeuge, wolle man das Pariser Klimaabkommen erfüllen, so der Grünen-Politiker, der die Rechnung aufmachte, dass jede erneuerbare Energie im Vergleich spottgünstig und die Atomkraft wirtschaftlich gescheitert sei. Oliver Krischer zeigte mit den Wetterextremen und der Flucht vor Dürrekatastrophen die Folge der Klimaerwärmung auf und sah die Weltgemeinschaft in der moralisch-ethischen Verantwortung, etwas dagegen zu tun.

Wertvolles Wissen nicht abwandern lassen

Weltweit werde mehr Geld in erneuerbare Energien investiert, als in Kohle und Gas zusammen. Deutschland müsste mit dem Knowhow seiner Ingenieure an der Spitze stehe, verhindere stattdessen etwa mit Seehofers 10H-Regelungen für den erschwerten Ausbau der Windkraft oder bürokratischen Hürden positive Entwicklungen, Die Grünen warnten vor der Gefahr, dass wertvolles Wissen abwandere, auch im Bereich der Elektromobilität.

Vom Ziel von einer Million E-Fahrzeugen bis 2020 sei man mit heute gerademal 25.000 meilenweit entfernt, betreibe vielmehr eine Verkehrspolitik der 60er Jahre, so MdB Krischer, der jegliche ernsthafte Bemühungen der Regierung für nachhaltige E-Mobilität auch im öffentlichen Verkehr vermisste. Stattdessen stritten sich Ministerien um Zuständigkeiten, werde im Zusammenhang mit den Problemen der Diesel- und Verbrennungsmotoren "getrickst und getäuscht". In der Diskussion um die dringend notwendige Wende in der Automobilindustrie zeige sich mancher Manager aufgeschlossener, als verantwortliche Politiker. Es gelte Riesenchancen für das Land zu nutzen und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen, damit nicht statt von hiesigen Bändern eines Tages die modernen Autos aus China von den Schiffen rollten.

Erfolgsmodell Fürther Mieterstrom

Mehr Rückhalt und weniger Hindernisse mahnten die beiden grünen Bundespolitiker auch für den "Mieterstrom" an, dessen Fürther Modell der Geschäftsführer der "infra new energy GmbH", Dr. Clemens Bloß vorstellte und dabei gesetzliche Regelungen beklagte, die vieles komplizierter machten. Für lokale Lösungen empfahl er den Dialog mit den Stadtwerken. MdB Krischer, der das vor der Veranstaltung besichtigte Fürther Erfolgsmodell würdigte, erklärte, dass die Grünen seit Jahren Mieterstrom über Photovoltaikanlagen auf den Häusern forderten, was allerdings „mit schikanösen Methoden erschwert werde. Das EEG (Eneuerbare Energien Einspeisgesetz) apostrophierte er als Bürokratiemonster und wollte die Stromsteuer abgeschafft, dafür die CO2-Belastung besteuert wissen. Den Menschen müsse die Freiheit gegeben werden, eigene Wege zu gehe, wozu auch der Mieterstrom gehöre.

In einer lebhaften Diskussion zeigten sich die beiden Bundestagsabgeordneten offen auch für Wasserstofftechnologien und befürworteten die dezentrale Energieversorgung. Erneuerbare gehörten überall ausgebaut – auch in Seehoferland Oberbayern – brachen sie für die "Bürgerenergie" eine Lanze. Egal, wie die Energie erzeugt werde, müsse dies bis 2030 klimaneutral erfolgen, forderten Krischer und Kekeritz. Bei rasanter Entwicklung auch auf diesem Sektor zeigten sie sich zuversichtlich, dass in zwei/drei Jahren Speicher kostengünstig produziert würden, und wähnten jede Straßenlampe als potenzielle Ladesäule für E-Mobile, was über Apps angerechnet werden könne.

Gelöst sahen sie auch Recyclingfragen bei Akkus und hatten eine simple Erklärung, warum sie ihre Politik nicht besser vermitteln könnten. Die Regierung sei eine starke Macht und eine kleine Oppositionspartei nicht eben im Fokus der Medien.

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