Ein Biologe über Windräder als Massenvernichter von Vögeln

26.8.2014, 06:00 Uhr
Ein Biologe über Windräder als Massenvernichter von Vögeln

© Harald Munzinger

Was aus der Ferne mit den roten Streifen so hübsch und mit dem langsamen Drehen so friedlich aussehe, habe aus der Nähe als "Industrie-Giganten, mitten in der schönsten Landschaft" eine ganz andere Perspektive und Dimension. Dr. Buer: "Turmspitzen und Rotoren verlieren sich in über 200 Meter Höhe, 50 Meter höher als der Kölner Dom. Und die Flügelspitzen rasen mit bis zu 400 km/h durch die Luft. Es ist wie beim Jumbojet hoch am Himmel". Wehe dem, der in so einen Häcksler gerate. Jeder Flügel sei schwer wie ein LKW. Sei einer vorbei, komme schon der nächste und nächste: "Das ist der wahre Kampf gegen Windmühlenflügel. Den verliert jeder Vogel und jede Fledermaus".

Das wüssten die Investoren und Betreiber ebenso wie die Genehmigungsbehörden. "Einfach wegsehen - wie bisher - macht sie Sache nur noch schlimmer. Mit Naturschutz hat das nichts mehr zu tun", mahnt der Experte mit drastischen Bildern. Zerhacke jemand einen Storch, komme er vor Gericht. Genehmige eine Behörde Windräder, von denen sie wisse, dass sie Störche zerhacke, komme sie nicht vor Gericht und die Investoren und Betreiber auch nicht. "Hier wird mit zweierlei Maß zu Gunsten von Geschäftemachern und zu Lasten der Natur gemessen", beklagt es der Diplombiologe.

Keine Empörung beim Naturschutzbund

Dr. Friedrich Buer, einst im Bund Naturschutz engagiert, wundert sich, dass sich die Spitzenfunktionäre der Naturschutzverbände nicht über das Massaker empörten. Nur zwei Vögel pro Windrad und Jahr kämen um, werde kommentiert - bei 25.000 Windrädern sind das schon 50.000 - und der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger werbe sogar gemeinsam mit dem Bundesverband Windenergie e.V. für Windräder. Erschlagend in satirischer Auslegung sein Argument, dass im Straßenverkehr noch mehr Vögel umkämen, oder das eines ehemaligen BUND-Funktionär, dass man Windräder nur da baue, wo es keine Vögel gebe.

Friedrich Buer stellt in einem Bericht fest, dass die Beteiligung der Kirchen am Geschäft mit den Windrädern "ganz sicher nicht die Bewahrung der Schöpfung" sei. Warnschilder an Bahnsteigen zeigten, was sogar vergleichsweise schwer gewichtigen Menschen drohe, die zu dicht an der Kante stünden: Sie werden vom Sog an den Zug gezogen. Die Rotorblätter rasten mit 100 bis 400 km/h vorbei und entsprechend brutal seien Sog und Turbulenzen."Schon ohne dass die Vögel die Rotorblätter berühren, zerreißt es ihnen die Lungen und sie fallen ohne äußere Verletzungen tot zu Boden", so der Diplombiologe.

Warum man die Opfer selten unter Windrädern finde, begründet er damit, dass je nach Windrichtung und Windstärke das Windrad seine Opfer auf eine hektargroße Kreisfläche verteile. Große Vögel seien eher zu finden, kleine höchstens zufällig, von Fledermäusen bleibe fast nichts übrig. Da die Windradopfer viele Liebhaber hätten, die nur auf die nächste "Fütterung" warteten, "verschwänden" die Opfer sehr schnell. Auch das sei in Fachkreisen bekannt. Trotzdem gebe es die Zufallsfunde, die eigentlich bei der seit 1990 eingerichteten zentralen Erfassungsstelle bei der Vogelwarte Brandenburg gemeldet werden müssten, was aber kaum bekannt sei.

Die Liste der Zufallsfunde sei dennoch inzwischen erschreckend lang. Von den 83 erfassten Arten - vom Alpensegler bis zur Zwergohreule - seien die meisten tagaktiv. Der Rotmilan stehe mit 55 Prozent an der Spitze der Zufallsfunde. Selbst so gewandte und rasante Flieger wie die Mauersegler erwischten die Rotoren. Bei den nachtaktiven Fledermäusen seien nach den Ausführungen von Dr. Buer "fast alle Arten betroffen. Die Opfer unter den oft nächtlich ziehenden Zugvögeln darf man auch nicht vergessen".

Wahre Opferzahlen unbekannt

Die wahren Opferzahlen unter Vögeln und Fledermäusen kenne niemand. Buer: "Das Michael Otto-Institut zählt jährlich 100.000 erschlagene Vögel. Die Dunkelziffer scheint mindestens zehnmal höher zu sein. Auf 200.000 erschlagene Fledermäuse im Jahr kommt das Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Seine Mitarbeiter finden im Durchschnitt zehn tote Fledermäuse pro Windrad, darunter Zugfledermäuse aus Osteuropa. Wir erschlagen also die Zugfledermäuse unserer Nachbarn und empören uns über die Vogelfänger Südeuropas, die unsere Zugvögel in den Kochtopf wandern lassen".

Besonders tragisch ist für den Diplombiologen das Schicksal des Rotmilans. "Er hat bei uns den Schwerpunkt seiner Verbreitung und verpflichtet uns deshalb zu seinem besonderen Schutz". Doch das Gegenteil geschehe: "Der Rotmilan ist auch ein Aasfresser und daher locken ihn Windräder an und zwar auch von weit her, so wie das Licht die Motten. Warum? Weil er Nahrung sucht und die liefern ihm die Windräder. Es ist wie bei den schon erwähnten Turmfalken. Warum sollte der Rotmilan unter Windrädern suchend herumfliegen, wenn dort nichts zu finden wäre?" Sein Preis allerdings sei hoch: Er wird selbst erschlagen! "Windenergieanlagen" seien also "Anlagen zur Ausrottung des Rotmilans" schließt Dr. Friedrich Buer seine Anklage.

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