Erhardt-Hommage begeisterte in Neustadt

30.10.2017, 19:18 Uhr
Erhardt-Hommage begeisterte in Neustadt

© Harald Munzinger

Heinz Erhardt erheitert wie eh und je, sorgt unbeschadet von einer überbordenden Comedianwelle mit seinem trockenen Humor für feuchte Augen, aus denen auch bei der Hommage an eines der größten Talente der Unterhaltungskunst in Neustadt die Lachtränen kullerten. Wenn einer den Komiker, Musiker, Kabarettisten, Komponist, Schauspieler und Dichter in seinem ganz speziellen Habitus authentisch "verschmitzt" auf die Bühnen bringen kann, ist es Patrick L. Schmitz vom Bamberger E.T.A. Hoffmann-Theater, wovon er schon bei der Eröffnung der Buchhandlung Dorn in Neustadt vor knapp sieben Jahren reizende Kostproben gegeben hatte. Seitdem bemühten sich Stella Cramer und Christian Finzel um einen Erhardt-Abend im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Lust auf Literatur", für die 2015 der "Deutsche Buchhandelspreis" nach Neustadt gegangen war.

Nun machte Heinz Erhardt – denn er stand ja auf der Bühne des großen "Sonnensaales" – "Lust auf Literatur" ganz eigenwilliger Art, begleitet, genauer gesagt "betastet", von dem Pianisten und in Neustadt schon mehrfach als Klangkünstler bewunderten Franz Tröger. Ein "todernster" Partner für allerlei Albereien um das Sein und Nichtsein (von Kottelet) und die alltäglichen Belange auf einem mit Füßen getretenen Planeten, auf dem offenbar nur die Guten sterben. Da steckte neben "viel Schmarrn" - den sich die große Zuhörerschar bitteschön "mal anhören" sollte, schließlich gleicht ja das Theater einer Behörde, "wo einer was tut, die anderen zuschauen" – viel Hintersinn in den rasch aufeinander folgenden Pointen der "um die Ecke gedachten" Zwei- und Vierzeiler sowie kurzen Episoden. Erhardt – schon früh mit nasser Windel vom Wunsch beseelt, "Dichter zu werden" – verstand sich, wie kein anderer zu seiner Zeit und auf seine Weise, bis heute auf wunderbare Wortspiele und – "was bin ich für ein Schelm" - verdrehte Redewendungen.

Vom Scheitel bis zur flotten Sohle

Da mischen sich Nonsens und Satire, muntere Unterhaltung und Spitzfindigkeiten, mit einem Schuss schwarzen Humor muss ein Buchstabenspiel gelegentlich zum Reim helfen. Vom "breiten Scheitel" und der Hornbrille bis zum "etwas verstreuten" Vortrag ließ Patrick Schmitz den Abend zu einem Wiederhören und -sehen mit Heinz Erhardt werden, der nicht nur plappernd philosophierte und raffiniert das Spiegelbild seiner Zeit(genossen) skizzierte, sondern auch artistisches Talent bewies. Der wortspielende Künstler wirbelte über die Bühne und vollzog dabei neben Gedanken- auch wahrhaft sportliche Sprünge. Begleitet von Lachsalven und Beifallsstürmen des Publikums, dem er ebenso wenig Zeit zu Verschnaufpausen gab wie sich selbst. Wie ein Ruhepol daneben der Pianist Franz Tröger mit gelegentlichen Seitengriffen zur Rassel oder Klingel, der den bei E.T.A.-Gastspielen "unvermeidlichen Kanon" zum zeitlosen Sehnen Erharts nach einer Zeit ohne Steuern und Schützengräben, auf der Zugfahrt nach Neustadt komponierte.

Erhardt-Hommage begeisterte in Neustadt

© Harald Munzinger

Gelegentlich wird dem Derwisch ein Gedankenball zugeworfen, der mit dem Namen "Aganemnon" seine besungene liebe Not hatte, die Melodie ebenso zu einem Ohrwurm geworden war, wie Erhardts Geschichten von der Made hinter eines Baumes Rinde oder vom Nass- und Trockenhorn sowie des Rätsels Lösung zu Beststellern geworden waren, warum die Zitronen sauer wurden. Er hätte zweifellos ebenso viel Spaß an seinem in Gesten und Mimik leibhaftigen Double gehabt, wie ein hellauf begeistertes Publikum, dessen schallendes Lachen ebenso wie tosender Beifall die gelungene Hommage an Heinz Erhardt würdigte.

Weitere "Lust auf Literatur"-Termine

Weiter "Lust auf Literatur" macht die Buchhandlung Dorn am 8. November ab 19.30 Uhr im Wirtshaus am Freilandmuseum in Bad Windsheim mit den Autoren Killen McNeill, Bernd Flessner und Johannes Wilkes, die aus ihren Beiträgen im neu erschienen "Tatort Franken 7" lesen. Am 10. November ist der Poetry Slam Champion 2016 und Deutscher Kabarettmeister 2014 Philipp Scharrenberg mit seinem neuen Programm "Germanistik ist heilbar" ab 19:30 Uhr im Wirtshaus "Scharfes Eck" in Neustadt zu Gast und am bundesweiten Vorlesetag (17. November) kommt der Schauspieler Gerald Leiß (Theater Ansbach) um 19 Uhr in die "Bühne im Torhaus" und liest aus dem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und anderen Preisen ausgezeichneten Klassiker der Jugendliteratur "Krabat" von Otfried Preußler. In der Neustädter Buchhandlung werden am 23. November ab 19 Uhr bei Lebkuchen die schönsten Kinder- und Bilderbücher des Jahres vorgestellt (Eintritt frei) und am 30. November wird dort der 200. Geburtstag von Theodor Storm gefeiert. Dazu kommt der Schauspieler und Sprecher Andreas Ulich aus Bamberg nach Neustadt. Begleitet von der Pianistin Claudia Schubert aus Gerhardshofen liest er ab 19.30 Uhr die Künstlernovelle "Ein stiller Musikant" (Kartenauskünfte jeweils in den Dornbuchhandlungen Neustadt und Bad Windsheim).

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