Frei nach Tolstoi: Eine russische Passionslegende

17.3.2015, 20:08 Uhr

Ein Kaufmann wird zu Unrecht beschuldigt, einen Kollegen ermordet zu haben. Alle Beteuerungen seiner Unschuld, alles Jammern seiner Frau helfen nichts.

Die Bittschriften an den Zaren bleiben unbeantwortet. Der Mann muss die Peitsche schmecken und 26 Jahre in Sibirien Zwangsarbeit leisten. Aber er verbittert nicht, stumpft nicht ab, sondern schöpft Kraft aus seinem Glauben und gewinnt so die Zuneigung seiner Schicksalsgenossen, aber auch des Wachpersonals.

Da bringt die Polizei einen weiteren Insassen ins Lager und es stellt sich heraus: Dieser ist der wahre Mörder! Nur beweisen kann der unschuldig verurteilte nichts. Schließlich ertappt er ihn beim Graben eines Fluchtstollens.

Der Mörder droht ihm mit dem Tod, wenn er ihn verriete. Doch die Sache fliegt auch so auf. Die Sicherheitskräfte entdecken die Grabung, lassen die Häftlinge antreten und fordern unter Drohungen und Versprechungen, den Namen des Täters preiszugeben. Die Sträflinge schweigen aber beharrlich, auch der Unschuldige schweigt, denn er will seinen Kameraden nicht dem sicheren Tod ausliefern.

In der folgenden Nacht besucht der Mörder seinen Beschützer und bittet tränenreich um Verzeihung, indem er ihn an Christus erinnert, der am Kreuz die Schuld aller Menschen sühnte und seinen Mördern vergab. Anderntags gesteht er seine Mordtat öffentlich und der andere wird begnadigt, stirbt freilich, bevor er die Heimat wiedersehen kann.

Wie hätten wir uns an der Stelle des unschuldig Verurteilten verhalten? Wären wir verzweifelt, hätten uns in Rachefantasien ergangen? Woher hätten wir die innere Stärke hergenommen, dieses furchtbare Schicksal zu ertragen? Er folgte dem Beispiel Jesu, denn er trug seine Last mit Geduld und Demut vor Gott, überwandt das Böse mit Gutem.

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