"Mein Europa" vermittelt

21.3.2019, 12:11 Uhr

© Holzmann

Sebastian Scharfe beleuchtete die politisch/juristische Perspektive der Europäischen Einigung. Sein Partner Roland Eichelsdörfer betrachtete die wirtschaftspolitisch/ökonomische Perspektive. Die beiden jungen, aber schon seit sechs Jahren für die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) in der Fortbildung engagierten Studenten, vermittelten im Wechselspiel den Jugendlichen Berufsschülern theoretisches Grundlagenwissen. Nachmittags galt es in Rollenspielen dieses erlangte Wissen neu umzusetzen und anzuwenden. HSS-Seminarleiter Peter Weber hatte den Kontakt zur Berufsschule hergestellt.

Ein Tag in der Europäischen Union

Sebastian Scharfe stellte anfangs seinen ganz normalen Arbeitstag vor. Schnell erkannten die Zuhörer, dass die EU angefangen vom Wecken, Duschen und Frühstücken, S- Bahn-Fahren immer ihre Finger im Spiel hat. Selbst Handyaufladen mit 1/5 Ökostrom und Wegfall des Datenroamings gehen auf die EU zurück. Der europaweite Notruf 112, der am 11. Februar einen eigenen Erinnerungstag bekommen hat, hilft Leben retten. Besonders interessant sind die Erasmusprogramme für Studenten und Auszubildende. "Geschätzte 70 Prozent unseres Alltags haben mehr oder weniger mit EU-Regelungen zu tun", wurde festgestellt.

Die Sehnsucht nach Frieden, Sicherheit und Freiheit war nach dem schrecklichen 2. Weltkrieg der Motor der Einigung. Die Vision von Winston Churchill von den vereinigten Staaten Europas wurde praktisch Wirklichkeit. Neben den Grundwerten wurde schnell erkannt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Schlüssel für einen dauerhaften Frieden sein kann. Über die Montanunion, EWG, Binnenmarkt und Einführung des Euros ging es rasch erfolgreich im Einigungsprozess vorwärts. Mit inzwischen 28 Mitgliedern ist die Integration über viele Jahre eine einzige Erfolgsgeschichte. Diese Entwicklung war sehr wichtig, reicht aber heute alleine nicht mehr aus. Daran ändert auch der Friedensnobelpreis für Europa nur wenig.

Europa scheint inzwischen in einer schlimmen Krise zu stecken. Nach der Finanz- und Bankenkrise, dem Streit in der Flüchtlings- und Migrationsfrage, nun der Brexit. Zusätzlich machen sich in vielen EU-Staaten anti-europäische und nationale Strömungen breit. "Aber es lohnt sich, weiter auf gemeinsame europäische Werte zu besinnen. Gerade die Europawahl im Mai ist eine große Chance und Verantwortung für die Wertegemeinschaft in der EU", wurde von den Referenten betont.

Gelegenheit zum Mitmachen

Wie schwierig europäische Einigungsprozesse in der Praxis sein können, vermittelte der handlungsorientierte zweite Teil. Die Schüler bekamen Gelegenheit über Themen zu diskutieren, mit denen sich auch das Europäische Parlament beschäftigt. Sie konnten auswählen aus der breiten Themenpalette von Brexit über Wahlen zum Europaparlament bis hin zur Flüchtlingspolitik. Schließlich entschieden sich die Jugendlichen für den Umwelt- und Klimaschutz. Nach einem Input durch die Referenten erarbeiteten fünf Gruppen im Rollenspiel Positionen und Argumente zur Entsorgung von veralteten Autos in Europa. Die Gruppe der Umweltschützer macht richtig Druck auf das Europaparlament, um die Auto-Flut und Luftverschmutzung zu stoppen.

Die Union der Autohersteller warnte vor Gewinnrückgang und Arbeitsplatzverlusten und beteuerte die hohen Entwicklungskosten für E-Mobilität. Natürlich stehe man zum Umweltschutz, aber ohne sich konkret festzulegen. Es wurde sogar bezweifelt, dass man europäische Regelungen brauche und das Problem vielleicht besser in eigener Regie im Land gelöst werden sollte. Die Gruppe der Autobesitzer versuchte eine Kostenbeteiligung zu vermeiden und auf den Staat oder die Autohersteller abzuwälzen.

Die EU-Politiker hatten es schwer und versuchten einen Kompromiss auszuhandeln. Vielleicht lag es am Geschick der Schülergruppe oder an ihren Erfahrungen in den arabischen Herkunftsstaaten Iran, Irak und Syrien, dass überraschend schnell ein Deal ausgehandelt werden konnte. Gleichwohl wurde dabei sehr lebhaft diskutiert und gestritten. Die Politikergruppe warb am Ende für eine 60/30/10 Regelung bei der Kostenübernahme für die Entsorgung der Altautos. 60 Prozent Autoindustrie, 30 Prozent Staatszuschüsse und 10 Prozent Verbraucherbeteiligung fand schließlich auch allgemeine Zustimmung im Plenum.

Spielerisch konnten die Teilnehmer so erfahren, wie Europa bei zukunftswichtigen Entscheidungen wirklich funktioniert. Referenten und Berufsschullehrer Siegfried Holzmann bewerteten das Seminar sehr positiv: "Das Verständnis für komplexe politische Prozesse in Europa wurde gefördert. Die beiden jungen Referenten waren sehr erfrischend und für unsere jungen Asylbewerber eine Bereicherung des Unterrichtsalltags." 

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