SPD in Sugenheim stolz auf "100 Jahre Bayern"

29.6.2018, 15:37 Uhr
SPD in Sugenheim stolz auf

© Harald Munzinger

Kreisvorsitzender Markus Simon hatte ihn in Sugenheim einberufen, um einerseits in politisch schwieriger Zeit die Wurzeln der Demokratie zu beschwören und "100 Jahre Freistaat Bayern" zu feiern, zugleich aber auch die Herausforderungen zu diskutieren, denen sich die SPD zu stellen hat, denen 25 Vertreter von neun Ortsverbänden nur zu gerne die alte Stärke wünschten.

Gerhard Gröner befasste sich mit Kurt Eisner

Ehrenkreisvorsitzender Gerhard Gröner befasste sich als Hobbyhistoriker akribisch mit dem Journalisten und Revolutionär Kurt Eisner, der in der Nacht vom 7. auf 8. November 1918 die Republik als Freistaat - also frei von der Monarchie- ausgerufen hatte und von der Räteversammlung zum ersten bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden war. Der Streiter für eine soziale Politik, der unter anderem das erste Frauenwahlrecht, den Achtstundentag und eine Arbeitslosenversicherung einführte, hatte es allerdings mit seinen Zielen im eigenen Lager schwer und mit seinen außen- und friedenspolitischen Vorstellungen konservative und stark rechts stehende Gruppen gegen sich.

Am 21. Februar 1919 wurde Eisner auf dem Weg zum Bayerischen Landtag, um dort nach einer Wahlniederlage seiner Partei den Rücktritt als Ministerpräsident zu erklären, von einem Studenten aus dem Umfeld der gegen die Revolution agierenden deutsch-völkischen und antisemitischen Thule-Gesellschaft ermordet. Mit ihm sei die Idee des Zweikammersystems zu Grabe getragen worden, die unter etwas anderen Vorzeichen erst mit dem Senat wieder aufgekommen sei, führte Gröner aus und zitierte aus Heinrich Manns Trauerrede: "Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Idee, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht, als die fünfzig Jahre vorher". Sein Glaube an die Kraft des Gedankens, sich in Wirklichkeit zu verwandeln, habe selbst Ungläubige ergriffen.

Rechtsnationalen Anfängen wehren

Die demokratischen und sozialen Fundamente des neuen Freistaates "waren teils jahrzehntelange programmatische Forderungen der bayerischen Sozialdemokratie seit ihrer Gründung, die von Konservativen und Liberalen immer wieder abgelehnt worden", stellte MdL Harry Scheuenstuhl im zweiten von der Versammlung ebenfalls als "äußerst bemerkenswert" gewürdigten Referat fest. Alles, was sich damit für das Volk als Souverän verändert habe, sei Grund zum Feiern, so der Abgeordnete nach Schilderung der Gräuel des folgenden Naziregimes mit der Mahnung, als Sozialdemokraten die Parolen der rechtsnationalen Bewegung zu entlarven und "solchen Anfängen zu wehren".

Scheuenstuhl streifte Errungenschaften der Sozialdemokratie auch in Bezug auf die Wahlrechtsreform mit der Direktwahl der Bürgermeister oder auf die von der SPD seit ihrer Gründung geforderten Volksgesetzgebung mit Einführung von Volksbegehren und – entscheiden, die in der Bamberger Verfassung von 1919 verankert seien. "Aus dieser sozialdemokratischen Verantwortung heraus, müssen wir uns die Frage stellen, wie wir unsere Zukunft gestalten", erklärte der Abgeordnete Scheuenstuhl und eröffnete eine engagierte Diskussion, wobei mit SPD-Ministerpräsident Wilhelm Hoegner und dem Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg der "bezahlbare Wohnraum" ein Stichwort sein sollte.

Bevölkerung zahlt Bayern LB-Desaster

Allein in den Jahren 1950/51 seien in Bayern rund 27.000 Sozialwohnungen entstanden, was Scheuenstuhl als "sozialen Wohnungsbau" definierte, "nicht die vom jetzigen Ministerpräsidenten vorgeschlagenen 4000 Wohnungen". Zumal Söder selbst mit dem Verkauf der Sozialwohnungen der Bayern LB zur Verschärfung auf dem bayerischen Wohnungsmarkt gesorgt habe und die Bevölkerung aus diesem Desaster noch immer stündlich 3200 Euro Zinsen zahle.

Auch wenn christliche Gemeinschaftsschulen, Umwelt- und Naturschutz, Rundfunkfreiheit oder gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern in sozialdemokratischen Initiativen wurzelte, hätten sich, so MdL Harry Scheuenstuhl, die Sozialdemokraten nie angemaßt, die besseren Menschen sein zu wollen, seien aber immer auf der richtigen Seite gewesen, wenn es um die Sorgen und Nöte der einfachen Menschen, um Freiheit und Bürgerrechte oder den Frieden gegangen sei. Das Eintreten für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sowie gegen Hass, Rassismus und Kriegstreiberei, schlicht den Humanismus, gehöre zur DNA der SPD, so Scheuenstuhl. Sie könne auf die bayerische und deutsche Demokratie stolz sein und sei gefordert, diese zu verteidigen. Zum Zeichen dafür und den vor 100 Jahren von einem Sozialdemokraten ausgerufenen Freistaat Bayern wird der Abgeordnete zehn Apfelbäume pflanzen, wozu sich Kommunen noch bewerben können.

Überzeugende Argumente gegen Sprechblasen

Warum es der SPD nicht gelinge, wieder zu alter Stärke zu gelangen und ihre Positionen besser durchzusetzen, wurde in einer engagierten geführten Debatte auf den Verlust einstiger Meinungsführerschaft mit zahlreichen SPD-Zeitungen und dem "verschlafenen" Einstieg in die neuen Medien begründet. Ferner büßten die Volksparteien an Ansehen ein, gewännen "Spezialparteien" an Beachtung. Immer mehr Menschen seien von komplizierten Demokratien enttäuscht und es schwer, geschichtliche Wahrheiten gegen Falschmeldungen, überzeugende Argumente gegen Sprechblasen durchzusetzen.

Dass die Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern sei, in ihr Salz und Pfeffer fehle, wurde erklärt, Glaubwürdigkeit und der mangelnde Zugang der einfachen Bevölkerung zur Partei beklagt. Dass sich deren Politiker zu sehr von der Basis entfernten, gar nicht mehr wüssten, "was unten los ist" wies Scheuenstuhl ebenso vehement zurück, wie mangelndes Durchsetzungsvermögen der SPD für einen höheren Mindestlohn. Da wurde es zwischendurch laut im Nebenzimmer des Ehegrund-Gasthofes. Bei seiner nächsten Veranstaltung verleiht der Kreisverband am 13. Juli in Bad Windsheim den Bürgerpreis an ehrenamtliche Rettungsdienste.

"Strabs"-Wegfall "Riesensauerei"

Sugenheims Zweiter Bürgermeister Werner Wiederer ging auf die aktuellen Belange der drittgrößten Flächengemeinde im Landkreis mit elf Ortsteilen und 3200 Einwohnern, einer guten Arbeitsmarktsituation und zufriedenstellender Gewerbesteuer ein, die "mit Charme und Lebenswert Teil der Mehrregion", mit vier Schlössern, Frankens Bratwurstkönig, Weinprinzessin und Deutscher Zuckerrübenkönigin bestens repräsentiert sei. Die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung kommentierte Wiederer angesichts großer Straßenprojekte als "Riesensauerei". Zudem kritisierte er scharf Landkäufe fernab des Ballungsraumes als Ausgleichsflächen der Städte, die zwar von Naturschützern als Biotope bejubelt würden, den Bauern aber als Äcker und Wiesen fehlten. 

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