23. Februar 1945: Der Tag, an dem in Treuchtlingen die Bomben fielen

23.2.2021, 06:01 Uhr
23. Februar 1945: Der Tag, an dem in Treuchtlingen die Bomben fielen

© Foto: TK-Archiv

Es ist ein Menschenleben her, doch erinnern sich Zeitzeugen, als wäre es gestern gewesen: Am heutigen Dienstag jährt sich zum 76. Mal der verheerende Bombenangriff auf Treuchtlingen vom 23. Februar 1945. Fast 600 Menschen verlieren dabei ihr Leben, ein Drittel der Stadt versinkt in Trümmern. Für unsere Zeitung ist der Tag seit jeher Anlass, an die schrecklichen Folgen des Nazi-Terrors zu erinnern.

300 Soldaten auf Fronturlaub

"Clarion" (Signalhorn) nennt die US Army Air Force die Operation, mit der sie in den letzten Kriegswochen Infrastruktur und Nachschub Nazi-Deutschlands endgültig ausschalten will. Die Bahnhöfe in Würzburg, München und Nürnberg sind bereits zerstört, das rund 5000 Einwohner zählende, vom Krieg noch weitgehend verschonte Treuchtlingen ist dagegen noch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Unrechtsregimes.


Zum Thema: Treuchtlinger Zeitzeugen erinnern an den 23. Februar 1945


Der 23. Februar ist ein kalter, sonniger Freitag. Fast alle Bahnhofsgleise sind mit Zügen belegt. Einer davon, rund 30 Wagen lang, ist mit Munition beladen. Bei Gefahr soll er im Tunnel zwischen Pappenheim und Solnhofen geparkt werden. Ein zweiter Zug mit der Kennung SF 2046 bringt gerade mehr als 300 Soldaten auf Fronturlaub in die Stadt.

Nachdem schon morgens ein Aufklärungsflugzeug Kondensstreifen in den Himmel gezeichnet hat, schießen kurz nach Eintreffen der beiden Züge zwei Tiefflieger über die Bahnanlagen und nehmen die Gleisarbeiter ins Visier. Der Munitionszug verlässt daraufhin gerade noch rechtzeitig den Bahnhof – der Treuchtlinger Fahrdienstleiter Erwin Dischinger rettet damit vermutlich Hunderte Menschenleben.

Jedes dritte Haus wird zerstört

23. Februar 1945: Der Tag, an dem in Treuchtlingen die Bomben fielen

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Um 11.15 Uhr folgt die erste Angriffswelle. Zwölf US-Bomber legen das Gebiet um die Kästleinsmühle in Schutt und Asche. Flugabwehr gibt es keine, die Kanonen auf dem Patrich, dem Galgenbuck, in den Altmühlwiesen und der Eulenhofstraße (wo Flugzeugmotoren lagern) wurden vor Monaten abgezogen. Die zweite Welle trifft das Hauptziel, den Bahnhof und die Stadtwerke, die dritte die Stadtmitte bis zum Gasthof "Zur Krone".

75 Tonnen Spreng- und Brandbomben

Insgesamt werfen die Amerikaner mit 61 Flugzeugen rund 175 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab. 281 Häuser werden zerstört, ein Drittel des örtlichen Wohnraums. Hauptgründe für die große Opferzahl (belegt sind 586 Tote) sind der komplett zerstörte Fronturlauberzug sowie ein Volltreffer auf die Bahnsteigunterführung. In diese haben sich viele Menschen geflüchtet, die keinen Keller oder Bunker erreichen konnten. Bis heute erinnert dort eine Gedenktafel an die Opfer, von denen die meisten auf der Kriegsgräberstätte am Nagelberg beigesetzt sind. Die letzten Toten werden noch ein Jahr später geborgen, auf Überreste der Züge stoßen Bahnarbeiter bis heute.

23. Februar 1945: Der Tag, an dem in Treuchtlingen die Bomben fielen

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Nach diesem "schwarzen Freitag" machen sich Soldaten, Kriegsgefangene, Reichsarbeitsdienst und Volkssturm noch einmal fieberhaft daran, die Bahnanlagen wieder instandzusetzen. Keine zwei Monate später vollenden die Amerikaner jedoch ihr Werk: Am 11. April werfen 48 Maschinen weitere rund 500 Bomben über dem nun nahezu leeren Treuchtlinger Bahnhof ab, zerstörten Betriebs- und Gaswerk, jüdischen Friedhof und Teile der Burg. Weitere Luftangriffe treffen am 23. Februar Weißenburg und Ellingen, am 5. März Pleinfeld, am 15. April Solnhofen und am 16. April Gunzenhausen.

Um 11.15 Uhr läuten am 23. Februar alle Kirchenglocken der Altmühlstadt in Erinnerung an die Verstorbenen.

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