Der Borkenkäfer lässt in Treuchtlingen die Nadeln rieseln

5.8.2017, 06:09 Uhr
Der Borkenkäfer lässt in Treuchtlingen die Nadeln rieseln

© Viola Bernlocher

"Wir sind kurz davor, von einer Katastrophe zu sprechen", gesteht Fabian Röhnisch, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Franken-Süd. Für private und kommunale Waldbesitzer übernimmt der Verein die Waldpflege und Holzvermarktung und hat so einen guten Überblick über die Lage. Besonders im südlichen Landkreis sei es schlimm, auf dem Hahnenkamm, in Auernheim, Hechlingen, auch der Treuchtlinger Stadtwald sei betroffen. Ebenso Pappenheim, Zimmern und Göhren, ergänzt der Geschäftsführer der anderen FBG (Pappenheim), Eckhard Freist. In Langenaltheim geht es noch, auch auf dem Jura schwärmt der Käfer nicht so sehr.  

Auch das hat Gründe. Der Borkenkäfer fühlt sich dort wohl, wo er leichtes Spiel hat. Das ist überall da, wo die Bäume schon von vornherein geschwächt sind. Fichten sind eigentlich im Hochgebirge und der Taiga heimisch. In unserer Klimazone sind sie streng genommen Einwanderer, die schon vor Jahrhunderten gepflanzt wurden, um schnell nachwachsende Rohstoffe zu produzieren. Das ging Jahrhunderte lang gut, aber durch den Klimawandel hat die Fichte inzwischen zu kämpfen.

An Standorten, wo der Boden schlechter ist und nicht so viel Wasser speichern kann, wie etwa in den dicken Lettenschichten auf dem Jura, machen trockene Sommer den Bäumen zu schaffen. "2015 und 2016 waren Extremjahre", berichtet Markus Bernholt, Förster bei der Bayerischen Forstverwaltung und zuständig für Treuchtlingen.

Denn normalerweise kann ein gesunder Baum den Eindringling in seiner Borke mit einem  Harztropfen umschließen und abtöten – ein durstiger Baum aber tut sich schwer.

Hinzu kommt, dass der Borkenkäfer die Wärme liebt. Wenn die Winter nicht kalt sind, kann er gut überleben und in einem warmen Frühjahr flott ausfliegen, ab 15 Grad schwärmt er – so auch in diesem Jahr. Bereits im April sind die ersten Käfer in die zum Monitoring aufgestellten Fallen getappt.

Hat der schwärmende Käfer eine Fichte gefunden, bohrt er sich in die Rinde. Dabei produziert er aber Bohrmehl. Wer gründlich sucht, kann so Käferbäume gut identifizieren. Förs­ter Markus Bernholt hat einen geübten Blick. Im Treuchtlinger Stadtwald deutet er schnell auf das Moos am Fuße einer Fichte, wo das Bohrmehl deutlich sichtbar liegt. Auch an der Rinde sieht man dort deutlich, wo der Käfer sich eingebohrt hat, noch kleine Späne.

Mit einer Machete schabt Bernholt die Rinde ab und wirklich, im hellen Holz der Fichte sind zwei schwarze Löcher, in denen je ein Käfer sitzt und im hellen Tageslicht zappelt. Wenn die Tiere sich eingebohrt haben, legen sie im Baum eine „Rammelkammer“ an. Dort paaren sich die nur rund 5 Millimeter großen Insekten und bohren dann Gänge in die Rinde, in denen die Larven abgelegt werden. Das ist es auch, was den Baum so nachhaltig schädigt, dass er abstirbt. In seiner Borke werden über den Stamm die Nährstoffe zwischen Wurzeln und Krone transportiert. Durch die Gänge des Käfers werden aber die Nährstoffbahnen im Baum gekappt und er stirbt – selbst wenn er genügend Wasser hat. Einen befallenen Baum kann man deshalb recht schnell daran erkennen, dass sich seine Krone rötlich-braun verfärbt.

Buchdrucker sehr aktiv

Im Treuchtlinger Stadtwald findet Bernholt das Bohrmehl fast an jeder Fichte. Einige Bäume sind bereits gefällt und liegen auf dem Boden. Bernholt schabt mit der Machete eine Borkenscholle von den gefällten Stämmen. Jetzt zeigt sich deutlich, welchen Schaden der Käfer anrichtet. Gänge ziehen sich nach oben und unten, an ihren Enden sitzen in kleinen Kammern die weißen Käferlarven. Ein typisches Befallsbild des Buchdru­ckers, neben ihm gibt es auch noch den Kupferstecher.

Nach rund fünf Wochen in der Rinde schwärmt die neue Borkenkäfer-Generation aus, um sich ihrerseits ein Nest zu bauen. Schafft man es, die befallenen Bäume vorher zu fällen und aus dem Wald zu entfernen, kann man mit etwas Glück auch den Käfer eindämmen.

Doch nach dem Schwärmen der Käfer-Kinder bleibt auch die Eltern-Generation nicht untätig. Sie produziert eine Geschwisterbrut, die nach fünf Wochen wieder schwärmt und neue Bäume befällt.

Dritte Käfer-Generation befürchtet

Förster Bernholt befürchtet für diesen Sommer das Schlimmste: "Es könnte passieren, dass wir in diesem Jahr eine dritte Käfer-Generation bekommen", sagt er. Wenn der Sommer lange dauert und es bis in den Herbst hinein warm bleibt, ist auch eine vierte Generation nicht mehr auszuschließen. Das gab es bisher noch nie. Schon jetzt zieht er die Parallele zu den schlimmen Käferjahren 2005 und 2006. Auch damals war der Sommer 2003 ein Wüstensommer. "Es dauert zwei Jahre, bis sich das aufschaukelt und sich die Population entwickelt", erklärt Fabian Röhnisch von der FBG Franken-Süd.

Bei Rehlingen in einem Waldstück an der B2 sind gerade Vater und Sohn Renner aus Rehlingen mit ihrem Harvester am Werk. Sie haben bereits eine kleine Lichtung ausgesägt, so viele Bäume waren befallen. Am Waldboden liegen sie, bis Renner senior sie mit dem Greifarm des Harvesters packt, in die Maschine spannt, dort entastet und in transportfähige Stücke sägt. Den Vormittag über haben sie vor allem kleine Bäume umgemacht, mit einem Stammdurchmesser bis zu 25 Zentimetern. "Reif" sind die Bäume aber erst ab einem Stammdurchmesser von rund 50 Zentimetern, erklärt Bernholt.

Viel Ertrag werden sie nicht bringen. Der Preis für einen Festmeter Fichte beträgt derzeit um die 85 Euro, für Käferbäume muss man aber noch einmal 15 Euro Abschlag in Kauf nehmen. Hinzu kommt, dass das Käferholz bald den Markt fluten wird und die Preise so in den Keller treibt.

Urlaub in den Sägewerken

Auf die Renners wartet noch viel Arbeit. Die Forstbetriebsgemeinschaften, die für die Eigentümer die Waldpflege organisieren, haben fast täglich neue Aufträge. Die Bäume rechtzeitig aus dem Wald zu entfernen ist momentan ein echtes Problem. Denn selbst wenn das Holz rechtzeitig geschlagen wird, muss es auch verarbeitet werden und viele Sägewerke haben derzeit Sommerurlaub.

"Grundsätzlich ist jeder Waldbesitzer für seinen Wald selbst verantwortlich", sagt Ludwig Schmidbauer, Abteilungsleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Gunzenhausen. Entfernen Waldbesitzer Käferbäume nicht fristgerecht, könnte das Landratsamt als Ordnungsbehörde auch ein Bußgeld verhängen und einen Forstunternehmer beauftragen, die Bäume zu fällen – auf Kosten des Waldbesitzers.

So natürlich Wald und Wiesen Spaziergängern oftmals scheinen – sie sind es nicht. Wir leben in einer Kulturlandschaft, die vom Menschen urbar gemacht wurde, wodurch sich vielerorts aber auch das ausgeklügelte Ökosystem so verschoben hat, dass es ohne den regulierenden Eingriff des Menschen nicht mehr funktioniert.

Schon lange propagieren die Bayerischen Staatsforsten und die Bayerische Forstverwaltung daher den nachhaltigen Waldumbau hin zu einem Mischwald mit einem Laubbaum-Anteil von mindestens 30 Prozent. Die durch den Käfer entstandenen Lücken müssen bald wieder aufgeforstet werden. Dann allerdings mit besser geeigneteren Arten. Dazu zählen die Buche, die Douglasie, die Lärche, aber auch heimische Exoten wie die Elsbeere. Bis es soweit ist, muss Förster Bernholt aber noch eine Weile auf Bohrmehl­suche gehen. 

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