E-Mobilität: Wie viel Weltrettung kann Treuchtlingen?

15.6.2019, 06:04 Uhr
E-Mobilität: Wie viel Weltrettung kann Treuchtlingen?

© Patrick Shaw

Schafft eine Kommune ein Elektroauto an, trägt der Staat derzeit drei Viertel der Mehrkosten gegenüber einem Benziner oder Diesel. Das passte gut, hatte doch der 14 Jahre alte Opel Combo des Treuchtlinger Bauamts voriges Jahr einen wirtschaftlichen Totalschaden. Da es den Zuschuss nur für mehrere Neuwagen gibt, wollte die Stadt zudem auch den 19 Jahre alten VW Golf der Kläranlage ersetzen.

Nach umfangreichen Berechnungen schlug die Verwaltung den Kauf zweier E-Autos vom Typ Renault Kangoo für insgesamt knapp 70 000 Euro vor, von denen 23 000 als Zuschuss zurückkämen. Darin enthalten sind eine fünfjährige Garantie bei 12 000 Kilometern jährlicher Fahrleistung – fast das Doppelte der bisherigen Laufleistung der Stadtfahrzeuge.

Wirtschaftlich trotz geringer Laufleistung

Die Reichweite der Autos liegt bei 270 Kilometern, was laut Bauamtsleiter Jürgen Herbst völlig reicht. Bisher würden sie durchschnittlich 32 Kilometer am Tag bewegt. Mit Blick auf Verbrauch, Abnutzung, Steuern und nötige Schnellladestation sei diese Variante unter dem Strich wirtschaftlicher als der Kauf neuer Diesel oder Benziner. "Wir haben das genau durchgerechnet", so Herbst.

Das bezweifelten jedoch etliche Ratsmitglieder. Klaus Fackler (UFW) verwies darauf, dass sich der höhere CO2-Ausstoß bei der Herstellung umso ungünstiger auswirke, je geringer die Laufleistung der E-Autos sei. Uwe Linss (CSU) hält diese generell für "zu kurzlebig" und plädierte für Erdgas-Fahrzeuge – die dann an der städtischen Gasstation auf dem Gelände seines Betriebs betankt werden könnten. Altbürgermeister Wolfgang Herrmann zitierte Berichte der ARD, des DAV und des ADAC, die vor Umweltschäden und Kinderarbeit beim Kobalt- und Nickel-Abbau für die Batterien warnen.

"Aber wenn niemand die Autos kauft, fehlt auch der Druck, die Standards zu verbessern", entgegnete Klaus Fackler. "Keine Technik ist das Nonplusultra, deshalb sollten wir in Treuchtlingen einen gesunden Mix haben", meint Stefan Fischer (SPD). Dem folgte auch Rathauschef Werner Baum: "Wir werden die E-Mobilität nicht neu erfinden. Aber es steht der Stadt gut zu Gesicht, hier mitzuziehen."

Der Kommentar:

Saubere Autos? Auch Klimaschutz ist relativ

Dass der Treuchtlinger Stadtrat über Klimaschutz diskutiert, ist gut. Dass Ratsmitglieder dabei die Totschlagargumente der Auto- und Öllobby übernehmen, ist dagegen peinlich. Ja, ein Elektroauto ist nicht umweltfreundlich. Das ist eine tonnenschwere Maschine, die mit hohem Energieaufwand bewegt wird, per se nicht. Die Frage lautet vielmehr: „Ist es besser für die Umwelt als dasselbe Gerät, das auch noch Erdöl verbrennt?“ Der Vergleich ist ausschlaggebend.

Dazu kommt, dass Nickel, Kobalt oder Lithium beileibe nicht nur in E-Autos zum Einsatz kommen. Jeder Diesel/Benziner und jedes Handy steckt voll davon, ebenso wie zahllose andere Produkte von Kinderhand hergestellt werden. Das ist scheußlich und muss sich ändern. Aber es ist kein Argument gegen Elektromobilität. Denn die Schäden, die die Verbrennung fossiler Brennstoffe anrichtet (und auch von Palmöl, das als „Biodiesel“ beigemischt wird), sind ungleich größer – für die gesamte Menschheit. Ganz zu schweigen von den weltpolitischen Folgen.

Dass Autos mit Verbrennungsmotor einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck haben als E-Autos vergleichbarer Größe, belegen diverse Studien. Was bei uns für ein besseres Abschneiden der „Stromer“ noch fehlt, ist eine nachhaltigere Stromerzeugung. Noch klimafreundlicher wäre freilich ein Umdenken in Sachen individuelle Mobilität. Der Pkw in Privatbesitz muss an Bedeutung verlieren. Dafür braucht es mehr Radwege und Carsharing, weniger öffentlichen Raum für Autos und vor allem einen besser ausgebauten und deutlich günstigeren Öffentlichen Nahverkehr. Darüber sollte auch ein Stadtrat diskutieren.

 

 

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