Eiszeit oder schon Tauwetter im Treuchtlinger Etat?

26.1.2019, 06:04 Uhr
Eiszeit oder schon Tauwetter im Treuchtlinger Etat?

© Patrick Shaw

Die Zahlen sprechen indes weder für berechtigte Euphorie, noch für kreisende Pleitegeier: Ein im Vorjahresvergleich deutlich sinkender Gesamtetat und sprudelnde Steuereinnahmen bei zugleich weiterhin hohen Investitionen und einer galoppierenden Verschuldung sind Indizien dafür, dass die Stadt gegensteuert, das Ruder aber noch längst nicht in Richtung Konsolidierung herumgerissen hat.

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Die Eckdaten trug der zweite Stadtkämmerer Thomas Sommer in Vertretung für den erkrankten Dominik Wenzel vor. Nach einem Rekordhaushalt im Vorjahr schrumpft das Gesamtvolumen heuer von rund 101 auf 88 Millionen Euro. Den dicksten Etat haben die Stadtwerke mit 46 Millionen Euro, im Rathaus wird mit 41 Millionen Euro gewirtschaftet, während das Gesundheitszentrum im Jahr seiner Abwicklung letztmals auf ein Budget von etwa einer Million Euro kommt.

Die Einnahmen im Kernhaushalt steigen von 27,0 auf 27,6 Millionen Euro – vor allem wegen der mit fünf Millionen Euro veranschlagten Gewerbesteuer (Ansatz 2018: 4,5 Millionen, Ergebnis: 6,5 Millionen) sowie einer um zwölf Prozent gestiegenen Pro-Kopf-Steuerkraft. Das reicht aber nach wie vor nicht, um auch nur die Mindestzuführung zum Vermögenshaushalt zu gewährleisten oder aus eigenen Mitteln die Schulden zu tilgen.

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Diese belaufen sich zum Jahresende 2019 voraussichtlich auf 23,6 Millionen Euro (plus 5,5 Millionen) und steigen dem mittelfristigen Finanzplan zufolge in den drei Folgejahren auf immense 37,5 Millionen Euro. Das entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 2900 Euro (aktuell: 1830 Euro) – mehr als das Vierfache des derzeitigen Landesdurchschnitts. Allerdings liegt auch die durchschnittliche Steuerkraft der Treuchtlinger mit jährlich 843 Euro um rund 40 Prozent unter dem Wert vergleichbarer Städte im Freistaat.

Der Vermögenhaushalt wächst gegenüber 2018 von 12,7 auf 13,6 Millionen Euro, davon 9,4 Millionen für Investitionen (Vorjahr 8,6), 3,0 Millionen für den Verlustausgleich der Altmühl­therme und 1,1 Millionen für die Schuldentilgung. Dem stehen neue Kredite in Höhe von 4,7 Millionen Euro gegenüber (Vorjahr 5,9 Millionen). Etwa eine Million davon holt sich die Stadt über die Abwassergebühren von den Hausbesitzern zurück. Die Rücklagen sinken heuer von rund fünf auf 1,2 Millionen Euro.

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© TK-Archiv/Patrick Shaw

Im Verwaltungshaushalt steigen vor allem die Personalkos­ten um gut elf Prozent. Drei Viertel davon (etwa 600.000 Euro) gehen auf die Abfindungen im Zuge der Krankenhaus-Schließung zurück, der Rest auf Tarif­erhöhungen. Trotz der weiterhin massiv steigenden Neuverschuldung ist der Haushalt 2019 laut Vizekämmerer Sommer „genehmigungsfähig, wenn die Haushaltsdisziplin eingehalten wird“.

Die Haushaltsreden der Stadtratsfraktionen

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© TK-Archiv/privat

Großen Wert legte Treuchtlingens Bürgermeister Werner Baum in seiner diesjährigen Haushaltsrede auf den Hinweis, dass der Etat für das Jahr 2019 „gemeinsam erarbeitet“ worden sei. In zwei nichtöffentlichen und einer öffentlichen Sitzung seien alle strittigen Punkte mit allen Stadtratsfraktionen transparent besprochen worden. „Unaufschiebbare Projekte“ sind für das Stadtoberhaupt der Neubau der Senefelder-Schule, die Modernisierung der Therme und die Abwicklung des Krankenhauses. Jeweils gut eine Million Euro im Jahr will die Stadt durch die beiden letzteren Maßnahmen künftig einsparen.

Erfreut zeigte sich der Rathauschef darüber, dass die Kommune in den vergangenen fünf Jahren von den geplanten 24,8 Millionen Euro Neuverschuldung „nur“ 13,8 Millionen tatsächlich aufnehmen musste. Investitionsschwerpunkte seien heuer der Wohnungsbau (knapp 2,5 Millionen Euro für Grunderwerb und Erschließungen), die Bezuschussung der Therme (3,0 Millionen), der Kanalbau (2,1 Millionen), die neuen Feuerwehrhäuser (1,2 Millionen), die Sanierung der Promenadenbrücke (300.000), der DSL-Ausbau (634.000) sowie die Erweiterung des Reisemobilstellplatzes (320.000) und des Wettelsheimer Kindergartens (650.000).

„Was bringt es den Bürgern?“ Diese Frage müsse sich die Stadt bei allen Ausgaben stets stellen, schloss Baum. Daneben gelte es vor allem, „die Einnahmenseite zu verbessern“. Bei der Verabschiedung des Etats gehe es „nicht um das Festhalten an ideologischen Positionen, sondern um die Menschen und Institutionen in unserer Stadt“, so der Bürgermeister insbesondere in Richtung der CSU.

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© TK-Archiv/Jürgen Leykamm

Lieber nächstes Jahr wieder mehr Vorsicht walten lassen“, möchte Klaus Fackler. Für die Freien Wähler äußerte er sich zwar insgesamt zufrieden mit dem Etat, kritisierte aber die Erhöhung des Gewerbesteuer-Ansatzes. Andererseits sei der überdurchschnittliche Anstieg der Steuerkraft in Treuchtlingen um 77 Prozent binnen zehn Jahren möglicherweise ein Zeichen, „dass wir aufzuholen beginnen“. Die gleichzeitige Steigerung der Personalkosten im Rathaus um nur 63 Prozent zeige auch, „dass wir gar nicht so unsolide wirtschaften“.

Verärgert blickte Fackler nach München, wo seine eigene Landespartei offenbar schon vergessen habe, dass sie die Kommunen nach der Aussetzung der Beiträge beim Straßenausbau unterstützen wollte. Bei den Schlüsselzuweisungen, die fast zwölf Prozent der städtischen Einnahmen ausmachen, müsse sich Treuchtlingen indes „vom staatlichen Tropf lösen“. Der aktuelle Haushalt sei „leider immer noch weit entfernt von langfristiger Nachhaltigkeit“.

Angesichts vieler Etatposten, die ab 2020 sinken oder wegfallen, hofft Fackler auf „mehr Rücklagen für Zukunftsinves­titionen“. So stoße etwa die Grundschule dank steigender Geburtenzahlen an ihre Grenzen. Wichtig sei es den Freien Wählern zudem, den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben, alte Gewerbeflächen neu zu nutzen und die Karlsgrabenausstellung auszubauen. Auch in der Stadtmitte müsse man sich in den nächsten Jahren auf „massive Veränderungen“ einstellen. Dafür brauche die Stadt Geld. Facklers Fazit zum Haushalt: „Mehr war nicht drin.“

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Das gefürchtete Haushaltsjahr 2019 ist da, Decke und Wände kommen näher“, konstatierte die stellvertretende SPD/JGB-Fraktionschefin Kerstin Zischler. Doch statt der prognostizierten 25 Millionen Euro Schulden und Zwangsverwaltung „sitzen wir noch hier und haben die Lebensbedingungen der Bürger sogar ein Stück verbessert“. Die Stadt habe sich „weit vorgewagt in einen Tunnel aus Sachzwängen und wichtigen Investitionen“. Da die Treuchtlinger allerdings „nicht im gleichen Maße Anteil am Wohlstand unseres Landes haben wie die Menschen in anderen Regionen“, setze sie selbst „den blanken Zahlen die Menschen und den Mehrwert für die Bürger entgegen“.

Der Baustopp an der Senefelder-Schule bedeutet laut Zischler zwar „nur eine Verschnaufpause“ – nach dem schwierigen Haushaltsjahr 2019 sehe sie aber „Licht am Ende des Tunnels“. Erste kleine Lichtblicke seien die Wiedereröffnung des Hallenbads und die Lösung für das Gesundheitszentrum, dessen Schließung zwar einschneidend sei, den Stadtsäckel aber stark entlaste sowie durch Rotkreuz-Heim und Bezirksklinik kompensiert werde. Leider sei es der Kommune hier „nicht möglich gewesen, den großen Linien der Gesundheitspolitik etwas entgegenzusetzen“.

Zu den meisten Entscheidungen des Stadtrats habe es „keine Alternativen gegeben“, betonte Zischler – sonst wären die Beschlüsse nicht mit so breiter Mehrheit gefallen. Ihr sei jedoch klar, dass „wohl nicht alle mutig genug sein werden, die Verantwortung für den eingeschlagenen Weg mitzutragen“.

Einen ganz anderen Ton als die Vorredner schlug CSU/TBL-Fraktionschef Uwe Linss an. Das Bild von Kerstin Zischler aufgreifend, sieht er „den Tunnel noch nicht einmal durchgebrochen“. Die CSU habe viele Einsparungen angemahnt, passiert sei aber – abgesehen von einer Umschichtung beim Fremdenverkehr – kaum etwas. Neben Pflichtaufgaben und dem Erhalt der Therme, den auch die CSU befürworte, gebe die Stadt noch zu viel Geld für freiwillige Bereiche wie Volkskundemuseum, Stadtbücherei oder Reisemobilstellplatz aus. Sparpotenzial gebe es auch beim Unterhalt städtischer Gebäude und Grünanlagen.

„Uns ist bewusst, dass Bildung und der Erhalt von Straßen und Gebäuden sinnvoll sind. Aber muss es immer die Maximallösung sein?“, so Linss. Überdies führe die schiere Zahl an Projekten zu einer Überlas­tung der Bauamtsmitarbeiter und damit zu teils kostspieligen Fehlern. Nach Ansicht der Christsozialen wäre dagegen „eher ein vorsichtiger Personalabbau angesagt“, weshalb die Fraktion nach wie vor ein Stellengutachten fordere.

„Trotz sprudelnder Steuereinnahmen und einer hervorragenden gesamtwirtschaftlichen Situation erreicht der Haushalt auch in diesem Jahr nicht annähernd die Mindestzuführung, zur Finanzierung der Investitionen sind hohe Darlehen nötig, und die Schulden im Kernhaushalt verdoppeln sich bis Ende 2022. Solche Zahlen müssen alle Alarmglocken schrillen lassen“, so Linss. „Angesichts des ungebremst wachsenden Schuldenbergs und des offensichtlich fehlenden Willens, wirkliche Einsparungen vorzunehmen“, werde die CSU dem Haushalt deshalb nicht zustimmen.

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